Das Rennen scheint gelaufen. Die letzten Umfragen zur Volksabstimmung in zehn Tagen lassen ein doppeltes Nein erwarten. Bei der Biodiversitäts-Initiative dürfte der «übliche» Mechanismus spielen, wonach Volksinitiativen gut starten und am Ende scheitern. Und bei der Reform der beruflichen Vorsorge (BVG) haben sich die Umfragen angeglichen.
In den ersten Erhebungen vom August hatte es eine irritierende Diskrepanz gegeben. Bei Tamedia waren die Befragten klar gegen die Reform, in der SRG-Umfrage hingegen sagte eine relative Mehrheit von 49 Prozent sicher oder eher Ja. Nun ist es auch in der Erhebung von GFS Bern gekippt: 51 Prozent sind dagegen und 42 Prozent dafür.
Es dürfte in beiden Fällen sehr schwierig werden, die negative Dynamik zu stoppen oder gar in ein Ja zu drehen. Überraschend kommt das nicht. Beide Vorlagen haben erhebliche Schwächen. Sie machen den Befürwortern das Leben schwer und erleichtern es den Gegnern, sie zu bekämpfen, auch wenn ihre Argumente zum Teil fragwürdig sind.
Es ist selten, dass sich bei einer Volksinitiative ein Nein-Trend in ein Ja umkehren lässt. Im März dieses Jahres ist genau das passiert, bei der 13. AHV-Rente. In der zweiten SRG-Umfrage waren «nur» 53 Prozent dafür, am Ende jedoch stimmten 58 Prozent mit Ja. Bei der Biodiversitäts-Initiative spricht wenig für eine Wiederholung dieses «Wunders».
Der AHV-Zuschlag traf einen Nerv. Auch der Erhalt der Artenvielfalt geniesst im Prinzip viel Unterstützung. Doch die Initianten hatten nicht damit gerechnet, dass sich mit der Strombranche ein gewichtiger Player dem Nein-Lager anschliessen würde. Sie befürchtet, ein Ja zur Initiative werde den Ausbau der erneuerbaren Energien behindern.
Die Initianten versuchten, diese Bedenken mit einem Rechtsgutachten zu entkräften. Eine andere Schwachstelle haben sie sich selbst zuzuschreiben. Sie kamen auf die Idee, den Heimatschutz einzubeziehen. Die Einheit der Materie haben sie damit nicht verletzt, doch während die Natur positive Gefühle erzeugt, regen sich viele über den Heimatschutz auf.
Die «gummige» Forderung, dass «die Natur, die Landschaft und das baukulturelle Erbe auch ausserhalb der Schutzobjekte geschont werden», macht die Initiative angreifbar. Das hat die Gegenseite ausgenutzt, obwohl sie fragwürdige Argumente verwendet, etwa dass «30 Prozent der Landesfläche praktisch unantastbar» wären. Nichts davon steht im Initiativtext.
Der «Kopf» der Gegner ist der St.Galler Mitte-Nationalrat und Bauernverbands-Präsident Markus Ritter. Als Stratege kann ihm kaum jemand in Bundesbern das Wasser reichen. So wurde ein in der Bevölkerung wohl mehrheitsfähiger Gegenvorschlag auf sein Betreiben im Parlament versenkt. Ritter spekulierte, dass er mit der Initiative leichtes Spiel haben würde.
Dieses Kalkül scheint aufzugehen. Ob die Initiative bessere Chancen hätte, wenn sie sich auf den Naturschutz und die Artenvielfalt beschränken würde, ist schwer zu sagen. Aber indem sie ihr Anliegen «überfrachteten», haben sich die Initianten einen Bärendienst erwiesen. Nun ist ein Nein wahrscheinlich, was den Artenschutz keinen Schritt weiterbringt.
Bei der zweiten Vorlage hingegen kann man den Befürwortern wenig vorwerfen. Sie tun ihr Bestes, um die schwierige Materie an den Mann und die Frau zu bringen. Während die Gegenseite eine zweifelhafte Kampagne führt, besonders die Gewerkschaften. Sie bekämpfen den «BVG-Bschiss» mit konstruiert wirkenden Zahlen, Beispielen und Argumenten.
Sie zu widerlegen, ist schwierig, denn das Problem der Reform ist ihre Komplexität. Anders als die AHV ist die zweite Säule sehr «individuell» ausgestaltet und mit schwer durchschaubaren Parametern versehen. «Wer im Dickicht der Zahlen und Fachbegriffe nicht mehr durchblickt, wählt erst einmal den Status quo», heisst es in der SRG-Analyse.
Selbst die Fachwelt beurteilt die BVG-Reform kritisch. Und ein Hauptargument der Befürworter, die Besserstellung der Frauen, scheint nicht verfangen. Die Umfragen widersprechen sich dabei ein wenig. Bei der SRG sind Frauen und Männer fast gleichermassen dagegen, während bei Tamedia fast zwei Drittel der Frauen Nein sagen.
Besonders stark ist die Ablehnung bei jenen, die monatlich weniger als 4000 Franken verdienen. Für sie war diese Reform eigentlich gedacht, doch es scheint, als hätten die Befürworter einen Aspekt unterschätzt: Menschen mit tiefen Löhnen sind kaum bereit, höhere Abzüge hinzunehmen, um irgendwann vielleicht eine bessere Rente zu haben.
Die Arbeitgeber müssen ebenfalls mehr einzahlen, weshalb die betroffenen Branchen die Vorlage bekämpfen. Die Gegnerschaft aus mehreren, teils sehr unterschiedlichen Lagern scheint ihr zum Verhängnis zu werden. Und die Tatsache, dass sich die Befürworter zwar redlich dafür einsetzen, aber Enthusiasmus spürt man nur in wenigen Fällen.
Das Pensionskassen-System ist ein vertracktes Konstrukt. Es hat Mängel, die sich schwer beheben lassen. Und selbst die geplanten Kompensationen für 15 Übergangsjahrgänge werden nicht goutiert. Ausgerechnet die 50- bis 64-Jährigen, die davon profitieren würden, sagen in der Tamedia-Umfrage am klarsten Nein. Damit ist das Scheitern programmiert.
Bei einer solchen Vorlage muss man die Gewerkschaften und Angestellenverbände hinter sich haben.