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Umwelt

Ein Drittel aller Arten in der Schweiz sind vom Aussterben bedroht

Sechs Prozent aller Arten in der Schweiz sind vom Aussterben bedroht

22.05.2023, 10:2410.09.2024, 13:37
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Biodiversität
Biodiversität bleibt ein Problem in der SchweizBild: Shutterstock

Noch immer sind rund ein Drittel aller Arten in der Schweiz entweder vom Aussterben bedroht, stark gefährdet, oder gelten als verletzlich. Das zeigen zwei Studien des Bundesamtes für Umwelt (Bafu). Trotz aller Massnahmen kommt die Schweiz im Kampf gegen den Verlust der Artenvielfalt kaum voran.

Den Studien «Biodiversität in der Schweiz» und «Rote Listen – Gefährdete Arten und Lebensräume in der Schweiz» zufolge hat sich die Gefährdung vieler Fisch-, Reptilien- und Vogelarten erhöht.

Sechs Prozent aller Arten sind vom Aussterben bedroht und 11 Prozent stark gefährdet, wie das Bafu am Montag mitteilte. Weitere 16 Prozent gälten als verletzlich. Der Bestand dieser verletzlichen Arten habe in den letzten zehn Jahren zudem um rund ein Drittel abgenommen.

Katrin Schneeberger, directrice de l'office federal de l'environnement, pose dans une foret jurassienne, particulierement touchee par les effets du rechauffement climatique lors d'une c ...
Katrin SchneebergerBild: keystone

Im Bericht «Gefährdete Arten und Lebensräume in der Schweiz» wertete der Bund zum ersten Mal seit 2011 alle roten Listen gefährdeter Arten aus. Ein Vergleich zur vorherigen Periode zeige, dass sich die Gefährdungssituation insgesamt nicht verbessert habe, so die Bilanz der Erhebung. Anlass der Veröffentlichung der Studien war der Internationale Tag der Biodiversität am Montag.

Besonders die Gefährdung von Fisch-, Reptilien- und Vogelarten hat den Angaben zufolge zugenommen. Zudem seien viele ökologisch wertvolle Lebensräume in den letzten Jahrzehnten kleiner geworden und schlechter vernetzt. Insbesondere das Mittelland wird laut dem Bericht immer monotoner. Das sei vor allem für wandernde Arten und für den Erhalt der genetischen Vielfalt ein Problem.

Im Vergleich zu den Nachbarländern ist der Anteil gefährdeter oder ausgestorbener Arten in der Schweiz zudem besonders hoch. Von den Arten, die nur oder zum grössten Teil in der Schweiz vorkommen, steht fast die Hälfte auf der Roten Liste. Handlungsbedarf für Artenschutz- und Artenförderungsmassnahmen gibt es laut Studie bei rund der Hälfte der untersuchten Arten.

«Biodiversität ist nicht einfach Luxus»

Neben den kleinen Verbreitungsgebieten sind die Zerstörung von Lebensräumen und die abnehmende Lebensraumqualität Hauptgründe für die Gefährdung der Artenvielfalt in der Schweiz.

Dabei sind laut Bafu eine grosse Artenvielfalt und genetische Vielfalt wichtiger denn je. Eine reiche Biodiversität erhöhe die Chance, dass sich die Natur an Extremereignisse wie Trockenheits- oder Hitzestress anpassen kann, so das Bundesamt. Das diene auch dem Klimaschutz.

In den letzten Jahren habe es einige Fortschritte gegeben, hob das Bafu hervor. Es räumte jedoch ein, diese reichten nicht aus, um den Trend umzukehren. Dafür braucht es laut Bafu die Zusammenarbeit aller Akteurinnen und Akteure.

Natur in Siedlungsraum bringen

Besonders grosses Potenzial sieht das Bafu in den Siedlungsgebieten. So sollten etwa schon in der Raumplanung mehr naturnah gestaltete Grün- und Gewässerräume, Stadtwälder oder begrünte Dächer und Fassaden vorgesehen werden. In diesem Zusammenhang nutzte das Bafu die Gelegenheit, um für den indirekten Gegenvorschlag des Bundesrats zur Biodiversitätsinitiative zu werben.

*** SPERRFRIST DO, 13.01.2022, 10 UHR *** ZUR AUSZEICHNUNG DER GEMEINDE MEYRIN MIT DEM WAKKERPREIS 2022 STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES NEUES BILD ZUR VERFUEGUNG. WEITERE BILDER FINDEN SIE AUF visual.keys ...
Bild: keystone

Der Bundesrat wolle damit die Qualität und die Vernetzung von Lebensräumen fördern sowie die Natur im Siedlungsraum voranbringen. Bei der Förderung der erneuerbaren Energien sei eine Interessenabwägung zwischen Schutz und Nutzung nötig, hiess es.

Kritik von Naturschützern

Naturschützer kritisieren seit Längerem, die Massnahmen zur Schutz der Biodiversität in der Schweiz seien zu wenig wirksam. Das Ziel aus dem Jahr 1998, die Zahl der Arten auf der Roten Liste jährlich um ein Prozent zu reduzieren, habe die Schweiz 2020 «sang- und klanglos aufgegeben», schrieb die Naturschutzorganisation Birdlife Schweiz vergangene Woche.

Pro Natura fordert Taten
Die Umweltorganisation Pro Natura warnt vor einem gigantischen Dominoeffekt durch den Verlust der Artenvielfalt. Die Massnahmen der Schweizer Politik gegen die Biodiversitätskrise kritisiert sie als unzureichend.
Anlässlich des internationalen Tags der Biodiversität machte Pro Natura am Montag mit einer Aktion in Bern auf das Problem aufmerksam. Die Organisation stellte auf dem Bundesplatz riesige Dominosteine mit Bildern einheimischer Tier- und Pflanzenarten auf - und liess diese sinnbildlich um fünf vor Zwölf umfallen.
«Mit jeder Art, die fällt, werden die natürlichen Kreisläufe weiter geschwächt, bis die Art kippt, die den Effekt angestossen hat: der Mensch», schrieb Pro Natura dazu in einer Medienmitteilung. Die gegenwärtige Situation erfordere einen Weckruf.
Unter den OECD-Ländern sei die Schweiz das Schlusslicht in Sachen Naturschutz, liess sich Friedrich Wulf, Experte für internationale Biodiversitätspolitik bei Pro Natura, im Communiqué zitieren. «Wir haben die höchste Anzahl bedrohter Arten und mit nur 6,6 Prozent den geringsten Anteil streng geschützter Landesfläche.»
«Wir sind zu langsam, wir haben schon zu viel verpasst», sagte die Präsidentin von Pro Natura, die Freiburger SP-Nationalrätin Ursula Schneider Schüttel. Die Biodiversität müsse daher zu einem zentralen Thema der nationalen Wahlen im Herbst werden.

Schon im April 2022 kam Birdlife Schweiz in einer Studie zum Schluss, zehn Jahre nach der Verabschiedung der Biodiversitätsstrategie des Bundesrats im Jahr 2012 sei kein einziges der 18 gesteckten Ziele erreicht. Nur bei der Erhaltung der biologischen Vielfalt im Wald sei die Schweiz auf Kurs. Bei zwei Dritteln der Ziele habe es keinerlei Fortschritte oder sogar Rückschritte gegeben.

(aeg/sda)

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32 Kommentare
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HARPHYIE
22.05.2023 11:19registriert Mai 2020
Auch wenn die Situation alarmierend ist und mit der neuen Leitung des UVEK wenig Hoffnung auf Besserung besteht. Man kann etwas machen und zwar bei sich zuhause. Gefühlt 90 % aller Privatgärten sind ökologische Todeszonen, welche mit einfachen Mitteln und ohne grossen finanziellen Einsatz zu kleinen Biodiversitätsinseln umgebaut werden könnten. Dann noch zusätzlich den Einsatz von Herbiziden, Fungiziden etc. für den Privatgebrauch verbieten. Es wäre so einfach im Kleinen wenigstens einen wertvollen Beitrag zu leisten.
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Tsunade
22.05.2023 10:43registriert November 2021
Mit Rösti wird’s bekanntlich nochmals schlimmer werden.
Frage mich schon ab und zu, wann man endlich merken wird, dass die Biodiversität unter anderem Grundlage für unsere Bauern und somit unsere Nahrung ist, respektive wieso so viele Bauern trotzdem SVP wählen
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