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So ernst ist es Macron mit der Drohung gegen Putin

epa11183598 French President Emmanuel Macron attends a press conference at the end of the conference in support of Ukraine, with European leaders and government representatives, at the Elysee Palace i ...
Emmanuel Macron.Bild: keystone
Analyse

So ernst ist es Macron mit der Drohung gegen Putin

Emmanuel Macron will die Entsendung von eigenen Bodentruppen in die Ukraine «nicht ausschliessen». Der Schuss vor Putins Bug stösst in Europa nicht überall auf Zustimmung.
27.02.2024, 12:2227.02.2024, 13:06
Stefan Brändle, Paris / ch media
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Die Botschaft ist klar. «Die Niederlage Russlands ist unerlässlich», erklärte Emmanuel Macron am Montagabend an einer Ukraine-Konferenz in Paris. Ziel des kurzfristig einberufenen Treffens war es laut dem französischen Präsidenten, ein Signal nach Moskau zu schicken, dass Europa keineswegs kriegsmüde sei.

«Wir sind bereit, alles Nötige zu tun, damit Russland diesen Krieg nicht gewinnen kann», wiederholte Macron mehrmals, um noch einen Zacken zuzulegen: Offen sei die Frage, ob dies auch die Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine einschliesse. «Doch zugunsten der Dynamik darf nichts ausgeschlossen werden.»

Konkret nahm Macron als Konferenzgastgeber einen tschechischen Vorschlag auf, dass die Alliierten mangels eigenen Beständen ausserhalb Europas Munition kaufen sollten, um der ukrainischen Armee auszuhelfen. Der niederländische Ministerpräsident Marke Rutte erklärte, seine Regierung werde zu diesem Zweck «mehr als 100 Millionen Euro» bereitstellen; andere Länder würden folgen.

Macron gab seinerseits bekannt, die Konferenz habe die Bildung einer Koalition beschlossen, um die Ukraine mit «Raketen und Bomben mittlerer und längerer Reichweite» auszurüsten. Diese Munition würde laut Militärexperten Schläge bis hinter die russischen Linien erlauben - wenn möglich sogar über die ukrainischen Grenzen hinaus.

Elena Kuzmenko, mother, and Anhelina Bezotosna, girlfriend say a last hi to Yehor Voloshyn, 27, Ukrainian serviceman also known by call sign "Kobzar" during the funeral ceremony in Pavlohrad ...
Jehor Woloschyn, gefallen mit 27 Jahren als Soldat der ukrainischen Streitkräfte.Bild: keystone
An injured Ukrainian soldier lies on a stretcher during an evacuation in the Donetsk region, Ukraine, Wednesday, March 22, 2023. (AP Photo/Evgeniy Maloletka)
Ein verletzter ukrainischer Soldat.Bild: keystone

Eine Spitze gegen Berlin

Diese Bekanntgabe in Paris erfolgt nur einen Tag, nachdem der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz sein Nein zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern begründet hatte. Gewollt oder nicht enthält Macrons Ankündigung eine Spitze gegen Scholz' Position.

Zumal der Kanzler vor wenigen Tagen mehr finanzielle Bemühungen von Seiten der Europäer verlangt hatte. Das war den Franzosen in den falschen Hals geraten. Ihre Militärhilfe an die Ukraine im Umfang von rund vier Milliarden Euro stellte nur ein Viertel der deutschen Aufwendungen dar.

French President Emmanuel Macron, left, welcomes German Chancellor Olaf Scholz at the Elysee Palace in Paris, Monday, Feb. 26, 2024. More than 20 European heads of state and government and other Weste ...
Emmanuel Macron begrüsst Olaf Scholz zur Ukraine-Konferenz.Bild: keystone

Macron, der nun drei Milliarden Euro nachschieben will, weiss, dass die Idee einer Entsendung von Bodentruppen namentlich in Deutschland auf Ablehnung stossen muss. Der Präsident stellte ausdrücklich klar, dass der Vorstoss auf keinem «Konsens» beruhe.

Wichtiger scheint es Macron, Putin die Grenzen aufzuzeigen. Der Tod des Oppositionspolitikers Alexej Nawalny und die Endlos-Mobilisierung russischer Truppen an der ukrainischen Front zeugen ihm zufolge von einer «Verhärtung» von Putins Vorgehen. Im Kreml setze man ganz offensichtlich auf die zunehmende Gleichgültigkeit, wenn nicht Ablehnung der europäischen Bevölkerung gegenüber dem Krieg, führte Macron aus.

Aus diesem Grund warnt Paris seit Tagen mit Nachdruck vor dem «hybriden Krieg», den Russland in Form von Desinformation, Propaganda und Cyberattacken insbesondere gegen EU-Staaten führe. Am Dienstag sickerte in Paris durch, die Davidstern-Graffitis - die zu Beginn des Nahostkonfliktes in Paris aufgetaucht waren - seien das Werk des russischen Geheimdienstes FSB; dieser versuche damit ganz offensichtlich neue Banlieue-Spannungen in Frankreich auszulösen.

«Kriegschef» Macron?

Nicht zum ersten Mal übersieht Macron bei seinem nicht abgesprochenen Solovorstoss, dass dieser der westlichen Geschlossenheit nicht unbedingt förderlich ist. In vielen EU-Hauptstädten dürfte die Ablehnung deutlich ausfallen.

Auch in Paris selbst mangelt es nicht an Kritik. Die putinfreundliche Rechtspopulistin Marine Le Pen wirft Macron vor, er wolle «Kriegschef» spielen; Linkenchef Jean-Luc Mélenchon, der ebenfalls eine Schlagseite nach Moskau hat, spricht von «Wahnsinn». Selbst der Macron nahestehende Verteidigungsexperte Alain Bauer ging auf Distanz, indem er erklärte, drängender sei nicht die Frage von Bodentruppen, sondern von neuen Munitionslieferungen.

Macron dürfte auch bewusst gewesen sein, dass er mit seinem Vorpreschen die Front gegen Putin zu spalten droht. Nur um sich wieder einmal in den Mittelpunkt zu rücken und von der dürftigen Militärhilfe Frankreichs an Kiew abzulenken, geschieht das nicht: Macron hat wie immer Argumente, und sei es allein schon der Hinweis, dass die Alliierten «ambivalent» bleiben müssten - mit anderen Worten: Sie sollten sich, indem sie bewusst «nichts ausschliessen», nicht in die Karten schauen lassen.

Macron übersieht etwas Wesentliches: Nur immer von einer solchen Eventualität zu sprechen, ohne ihr Tagen folgen zu lassen, birgt das Risiko, vom Gegner nicht mehr ernst genommen zu werden.

Und bis auf Weiteres scheint es wirklich ausgeschlossen, dass Macrons Worten Taten folgen.

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146 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Überlegt
27.02.2024 12:46registriert Februar 2024
Der Westen hat bei der Besetzung der Kim weggeschaut. Das war Putins Test zu schauen, wie weit er militärisch gehen kann, ohne dass der Westen reagiert. Hätte man dort schon richtig gehandelt, wäre es nie zum Überfall auf die Ukraine gekommen.
20222
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El_Chorche
27.02.2024 12:28registriert März 2021
Wenn er Soldaten schicken will, einfach nicht vergessen die Hoheitszeichen abzunehmen.

Dann sind es keine französischen Soldaten, sondern "Freiheitskämpfer"
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Ilovepies
27.02.2024 12:56registriert Februar 2015
wir steuern unweigerlich auf die frage zu: wie viel wert ist uns demokratie und sicherheit? wenig wert? dann lasst doch putin gewähren. viel wert? dann muss das putin regime grenzen aufgezeigt erhalten. so weit und nicht weiter. auch wenn das für europa direkte konsequenzen hat. taurus diskussion, früher warens die panzer. schlussendlich ist es eine grundsatzfrage. meine empfehlung ist, jeden monat mehr senden. was will denn russland schon machen? nuklear angriff? wegen illegal anekdierten gebieten? so ein quatsch. werden sie nicht.
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