Die Botschaft ist klar. «Die Niederlage Russlands ist unerlässlich», erklärte Emmanuel Macron am Montagabend an einer Ukraine-Konferenz in Paris. Ziel des kurzfristig einberufenen Treffens war es laut dem französischen Präsidenten, ein Signal nach Moskau zu schicken, dass Europa keineswegs kriegsmüde sei.
«Wir sind bereit, alles Nötige zu tun, damit Russland diesen Krieg nicht gewinnen kann», wiederholte Macron mehrmals, um noch einen Zacken zuzulegen: Offen sei die Frage, ob dies auch die Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine einschliesse. «Doch zugunsten der Dynamik darf nichts ausgeschlossen werden.»
Konkret nahm Macron als Konferenzgastgeber einen tschechischen Vorschlag auf, dass die Alliierten mangels eigenen Beständen ausserhalb Europas Munition kaufen sollten, um der ukrainischen Armee auszuhelfen. Der niederländische Ministerpräsident Marke Rutte erklärte, seine Regierung werde zu diesem Zweck «mehr als 100 Millionen Euro» bereitstellen; andere Länder würden folgen.
Macron gab seinerseits bekannt, die Konferenz habe die Bildung einer Koalition beschlossen, um die Ukraine mit «Raketen und Bomben mittlerer und längerer Reichweite» auszurüsten. Diese Munition würde laut Militärexperten Schläge bis hinter die russischen Linien erlauben - wenn möglich sogar über die ukrainischen Grenzen hinaus.
Diese Bekanntgabe in Paris erfolgt nur einen Tag, nachdem der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz sein Nein zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern begründet hatte. Gewollt oder nicht enthält Macrons Ankündigung eine Spitze gegen Scholz' Position.
Zumal der Kanzler vor wenigen Tagen mehr finanzielle Bemühungen von Seiten der Europäer verlangt hatte. Das war den Franzosen in den falschen Hals geraten. Ihre Militärhilfe an die Ukraine im Umfang von rund vier Milliarden Euro stellte nur ein Viertel der deutschen Aufwendungen dar.
Macron, der nun drei Milliarden Euro nachschieben will, weiss, dass die Idee einer Entsendung von Bodentruppen namentlich in Deutschland auf Ablehnung stossen muss. Der Präsident stellte ausdrücklich klar, dass der Vorstoss auf keinem «Konsens» beruhe.
Wichtiger scheint es Macron, Putin die Grenzen aufzuzeigen. Der Tod des Oppositionspolitikers Alexej Nawalny und die Endlos-Mobilisierung russischer Truppen an der ukrainischen Front zeugen ihm zufolge von einer «Verhärtung» von Putins Vorgehen. Im Kreml setze man ganz offensichtlich auf die zunehmende Gleichgültigkeit, wenn nicht Ablehnung der europäischen Bevölkerung gegenüber dem Krieg, führte Macron aus.
Aus diesem Grund warnt Paris seit Tagen mit Nachdruck vor dem «hybriden Krieg», den Russland in Form von Desinformation, Propaganda und Cyberattacken insbesondere gegen EU-Staaten führe. Am Dienstag sickerte in Paris durch, die Davidstern-Graffitis - die zu Beginn des Nahostkonfliktes in Paris aufgetaucht waren - seien das Werk des russischen Geheimdienstes FSB; dieser versuche damit ganz offensichtlich neue Banlieue-Spannungen in Frankreich auszulösen.
Nicht zum ersten Mal übersieht Macron bei seinem nicht abgesprochenen Solovorstoss, dass dieser der westlichen Geschlossenheit nicht unbedingt förderlich ist. In vielen EU-Hauptstädten dürfte die Ablehnung deutlich ausfallen.
Auch in Paris selbst mangelt es nicht an Kritik. Die putinfreundliche Rechtspopulistin Marine Le Pen wirft Macron vor, er wolle «Kriegschef» spielen; Linkenchef Jean-Luc Mélenchon, der ebenfalls eine Schlagseite nach Moskau hat, spricht von «Wahnsinn». Selbst der Macron nahestehende Verteidigungsexperte Alain Bauer ging auf Distanz, indem er erklärte, drängender sei nicht die Frage von Bodentruppen, sondern von neuen Munitionslieferungen.
Macron dürfte auch bewusst gewesen sein, dass er mit seinem Vorpreschen die Front gegen Putin zu spalten droht. Nur um sich wieder einmal in den Mittelpunkt zu rücken und von der dürftigen Militärhilfe Frankreichs an Kiew abzulenken, geschieht das nicht: Macron hat wie immer Argumente, und sei es allein schon der Hinweis, dass die Alliierten «ambivalent» bleiben müssten - mit anderen Worten: Sie sollten sich, indem sie bewusst «nichts ausschliessen», nicht in die Karten schauen lassen.
Macron übersieht etwas Wesentliches: Nur immer von einer solchen Eventualität zu sprechen, ohne ihr Tagen folgen zu lassen, birgt das Risiko, vom Gegner nicht mehr ernst genommen zu werden.
Und bis auf Weiteres scheint es wirklich ausgeschlossen, dass Macrons Worten Taten folgen.
Dann sind es keine französischen Soldaten, sondern "Freiheitskämpfer"