In den unzähligen Skandalen rund um Donald Trump nimmt seine Affäre mit Stormy Daniels einen speziellen Platz ein. Der Pornostar gibt an, mit Trump Sex gehabt zu haben, und zwar nur kurze Zeit nach der Geburt von dessen jüngstem Sohn. Um zu verhindern, dass diese Affäre noch vor den Wahlen an die Öffentlichkeit drang, wurde Stormy von Trumps damaligen Anwalt Michael Cohen mit einem Schweigegeld in der Höhe von 130’000 Dollar ruhig gestellt. Der Ex-Präsident selbst bestreitet, je Sex mit Stormy gehabt zu haben.
Das Schweigegeld hat nicht verhindert, dass die Affäre trotzdem bekannt wurde, allerdings erst, nachdem Trump im Weissen Haus eingezogen war. Sie beherrschte die Schlagzeilen über Monate. Kein Wunder: Stormy enthüllte intimste Details über Trumps Sexleben, etwa, dass er es liebe, mit Magazinen auf den Po geschlagen zu werden, dass sein (kleiner) Penis die Form eines Pilzes habe und dass seine Künste als Liebhaber überschaubar seien.
Stormys Enthüllungen waren nicht nur peinlich, sie sollten bald auch juristische Folgen haben. Büro und Wohnung von Cohen wurden vom FBI durchsucht, Smartphones und Notizen beschlagnahmt, denn die Schweigegelder an den Pornostar verstiessen gegen die Finanzierungsgesetze, die in einem Wahlkampf eingehalten werden müssen. Trump hatte die Zahlungen an Stormy nicht als Wahlkampfspenden, sondern als Anwaltskosten deklariert.
Angesichts der erdrückenden Beweislage bekannte sich Cohen im darauf folgenden Strafverfahren für schuldig und wurde zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Ein Jahr sass er ab, eines durfte er wegen Covid in seiner Wohnung verbringen, eines wurde ihm wegen guter Führung erlassen. Cohen ist inzwischen ein erbitterter Gegner von Trump geworden und hat zwei Bücher veröffentlicht, in denen er über die mafiösen Praktiken seines Ex-Bosses auspackt.
Ungeklärt blieb jedoch, dass gegen Trump niemals ermittelt wurde. Und dies, obwohl Cohen stets erklärt hatte, er habe «in Koordination und auf Befehl» des Ex-Präsidenten gehandelt. Ebenso existiert ein von Trump unterschriebener Scheck, in dem er 130’000 Dollar an Cohen überweist. Diesen Betrag an Stormy hatte der Anwalt zuvor vorgeschossen.
Schliesslich wird im Verfahren gegen Cohen Trump gar als «nicht angeklagter Mitverschwörer» bezeichnet und als «individual 1» aufgeführt. Trotzdem haben die sonst so unerbittlichen Strafverfolger des Southern District of New York das Verfahren gegen Trump auf Eis gelegt. Kritiker sehen dahinter Machenschaften von Trumps Justizminister William Barr.
Jetzt hat Alvin Bragg, der District Attorney von Manhattan, jedoch den Faden wieder aufgenommen. Die «New York Times» hat enthüllt, dass er offenbar eine Grand Jury zusammengestellt hat. Dieses aus zufällig ausgewählten Laien bestehende Gremium klärt ab, ob in einem bestimmten Fall eine Anklage erhoben werden kann oder nicht.
Bragg soll dieser Grand Jury bereits David Pecker als Zeugen vorgeführt haben. Der ehemalige Verleger des Skandalblatts «National Inquirer» und Trump-Kumpel spielte in dem Fall eine Schlüsselrolle. Michael Cohen seinerseits gibt an, in den letzten zwei Wochen 14-mal mit dem Büro der Bezirksanwaltschaft Kontakt gehabt zu haben.
Dass Bragg sich nun um die möglichen Straftaten von Trump in New York kümmert, erstaunt. Kaum im Amt hat er nämlich das Verfahren gegen Trump seines Vorgängers Cyrus Vance auf die lange Bank geschoben. Mark Pomerantz, ein hoch angesehener Mafia-Jäger, hat deshalb sein Amt erbost niedergelegt. Dessen Sicht der Dinge wird nächste Woche in Buchform erscheinen.
Bragg konnte seinerseits in der Zwischenzeit einen wichtigen Erfolg gegen Trump verbuchen. Es ist ihm gelungen, dessen Finanzchef Allen Weisselberg des Steuerbetrugs zu überführen. Weisselberg sitzt derzeit eine Gefängnisstrafe von drei Monaten im berüchtigten New Yorker Gefängnis Rikers Island ab.
Zudem kann Bragg sich auf Untersuchungen von Letitia James, der Justizministerin des Bundesstaates New York, stützen. Diese ermittelt in einem zivilen Verfahren gegen die Trump-Familie wegen finanzieller Unregelmässigkeiten.
Dass der Fall von Stormy Daniels wieder aufgewärmt wird, kommt Trump mehr als ungelegen. Er ist im Begriff, seinen Wahlkampf auf Touren zu bringen, und hat dabei schon mehr als genug andere Sorgen. So scheint der Fluss der Wahlkampf-Gelder zu versiegen. Seit dem 15. November hat er gerade mal knapp zehn Millionen Dollar gesammelt, für seine Verhältnisse ein mickriges Ergebnis. Mike Murphy, ein ehemaliger Wahlstratege von Jeb Bush, erklärt denn auch gegenüber der «New York Times»: «Es sieht so aus, als ob die Geldmaschine von Trump von einem Ferrari zu einem Rasenmäher geworden ist.»
Ärgerlich für Trump ist auch die Tatsache, dass er immer öfter in Meinungsumfragen von Ron DeSantis geschlagen wird. Der Gouverneur von Florida setzt gezielt auf die Corona-Karte und betont immer wieder, dass der Lockdown in seinem Bundesstaat weit glimpflicher abgelaufen sei als anderswo. Damit trifft er den Ex-Präsidenten an seinem wunden Punkt. Trump würde sich noch so gerne als Vater des Corona-Impfstoffes rühmen, doch damit macht er sich ausgerechnet bei den zahlreichen Impfgegnern in seiner Partei unbeliebt.
Eine ganze Reihe von anderen möglichen Präsidentschaftskandidaten innerhalb der Grand Old Party (GOP) setzt derweil darauf, dass Trump und DeSantis sich gegenseitig zerfleischen – und ein lachender Dritter das Rennen machen könnte. Inzwischen gibt es daher mehr als ein Dutzend mögliche Alternativen zu Trump und DeSantis. Den Hut in den Ring geworfen hat Nikki Haley. Die ehemalige UNO-Botschafterin hat zwar einst geschworen, sie werde niemals gegen Trump antreten, doch Treueschwüre haben im Trump-Lager eine kurze Halbwertszeit.
Die Vernünftigen in den Reihen der GOP haben eingesehen, dass ein Präsidentschaftskandidat Donald Trump ein Unfall ist, der nur darauf wartet, zu passieren. Die Chancen des Ex-Präsidenten, 2024 erneut die Wahlen zu gewinnen, werden derzeit gegen null eingeschätzt. Doch Trump hat nach wie vor ein grosses Zerstörungspotenzial. Umfragen zeigen, dass rund ein Viertel der republikanischen Wähler auch dann für ihn stimmen würde, sollte er die parteiinterne Ausmarchung verlieren und als Unabhängiger antreten. Damit hat Trump es in der Hand, Rivalen aus der eigenen Partei jederzeit den Todesstoss zu versetzen.
Die GOP-Rennleitung steckt in einer Zwickmühle – und sie weiss es auch. Wie das Magazin «The Atlantic» berichtet, beten hochrangige Republikaner deshalb inbrünstig, dass eines von zwei Dingen passieren möge: Entweder wird Trump von einem Gericht verurteilt und kann daher nicht mehr kandidieren – oder er stirbt. Angesichts der Tatsache, dass der stark übergewichtige, 76-jährige Trump sich äusserst ungesund ernährt, ist diese zynische Hoffnung nicht ganz unbegründet.
Was haben die dort eigentlich? Einen Rechtsstaat oder ein Kastensystem!