Nach der Flucht von Präsident Gotabaya Rajapaksa ins Ausland ist sein Premierminister Ranil Wickremesinghe (73) vorübergehend zum neuen Staatschef Sri Lankas ernannt worden.
Das teilte Parlamentspräsident Mahinda Yapa Abeywardena am Mittwoch in einer Erklärung im Fernsehen mit. Der bisherige Präsident habe den Schritt autorisiert.
Stunden zuvor hatte sich Präsident Rajapaksa mit seiner Frau in einer Militärmaschine auf die Malediven abgesetzt, wie Behörden beider Länder bestätigten. Der 73-Jährige hatte inmitten der Proteste gegen die schwere Wirtschaftskrise am Wochenende ursprünglich angekündigt, am Mittwoch als Staatschef des südasiatischen Inselstaates zurücktreten zu wollen. Er hatte das Amt Ende 2019 angetreten.
Die Nachricht von seiner Ausreise löste Jubel unter den Demonstranten in der Hauptstadt Colombo aus. Am Wochenende hatte eine aufgebrachte Menschenmenge den Präsidentenpalast sowie ein Bürogebäude des Staatschefs gestürmt und besetzt und die private Residenz von Premierminister Ranil Wickremesinghe (73) in Brand gesteckt. Auch dieser hatte sich am Wochenende zum Rücktritt bereiterklärt. Nun soll er gemäss der Verfassung übergangsweise als amtierender Präsident übernehmen, wie örtliche Medien berichteten. Am 20. Juli will das Parlament dann einen neuen Staatschef wählen.
Die Demonstranten sehen in dem Premier jedoch einen Verbündeten des Staatschefs und sind dagegen, dass er dessen Amt vorübergehend übernimmt. Für den Fall, dass er nicht aufgibt, drohten sie mit einem Generalstreik.
Der Inselstaat südlich von Indien mit seinen etwa 22 Millionen Einwohnern durchlebt die schwerste Wirtschaftskrise seit der Unabhängigkeit von Grossbritannien 1948. Die Wut der Demonstranten speist sich unter anderem aus dem seit Monaten bestehenden Mangel an Treibstoff und Gas zum Kochen, aber auch aus fehlenden Medikamenten und Lebensmitteln. Auch die hohe Inflation und stundenlange Stromausfälle sorgen für grossen Unmut. Ein Grund dafür ist, dass Einnahmen aus dem wichtigen Tourismus im Zuge der Corona-Pandemie eingebrochen sind. Dem stark verschuldeten Land fehlt das Geld, um wichtige Güter zu importieren.
Angesichts der Krise hat die Regierung unter anderem den Internationalen Währungsfonds sowie Indien, China, Russland und andere Länder um Hilfe gebeten. Das UN-Nothilfebüro warnte im Juni, die schwere Wirtschaftskrise könne eine sich anbahnende Hungerkrise in Sri Lanka verschärfen. Das Land war zuvor zehn Jahre lang auf einem guten Entwicklungsweg und kam ohne humanitäre UN-Hilfe aus. (sda/dpa)