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David Cameron feiert sein Comeback

Grosse Überraschung in Grossbritannien: David Cameron feiert sein Comeback

13.11.2023, 10:0213.11.2023, 20:05
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Damit hatte kaum jemand gerechnet. Der britische Premierminister Rishi Sunak hat den früheren Regierungschef David Cameron zum Aussenminister des Landes berufen. Er folgt auf James Cleverly – der jetzt das Amt des britischen Innenministers übernimmt. Dieser Posten wurde nämlich frei, weil Suella Braverman die Regierung mit einem Interview erzürnt hatte und darum entlassen worden ist. Sie darf nun darauf hoffen, zur Galionsfigur der Rechten zu werden.

Die Details:

Ex-Premier Cameron gibt Comeback

Der ehemalige britische Premierminister David Cameron gibt sein Comeback: Der Regierungssitz 10 Downing Street gab bekannt, dass er zum neuen Aussenminister ernannt worden sei.

FILE - Britain's former Prime Minister David Cameron arrives at Westminster Cathedral to attend the funeral of slain member of parliament David Amess, in London, Tuesday, Nov. 23, 2021. Former Pr ...
David Cameron.Bild: keystone

Cameron soll demnach auch ins britische Oberhaus berufen werden. Seine Rückkehr in die Regierung ist eine grosse Überraschung.

Der 57-Jährige wird dem moderaten Flügel der Konservativen Partei zugerechnet und war von 2010 bis 2016 Regierungschef. Cameron war zurückgetreten, nachdem die Briten in dem von ihm anberaumten Referendum für den Austritt Grossbritanniens aus der Europäischen Union gestimmt hatten. Cameron hatte damals für den Verbleib seines Landes in der EU geworben.

Seither gilt Cameron als politisch gescheitert. Brexit-Gegner nehmen ihm übel, sich überhaupt erst auf das Wagnis einer Volksabstimmung über eine solch weitreichende Frage eingelassen zu haben. Bei Brexit-Befürwortern ist er wegen seines Werbens für einen Verbleib auch nicht gut gelitten. Hinzu kommt ein Vermächtnis aus Sparpolitik und Annäherung an China, das inzwischen kritisch gesehen wird. Zudem stand er vor wenigen Jahren wegen seiner Lobby-Tätigkeit für den mittlerweile insolventen Finanzdienstleister Greensill Capital in der Kritik.

Für Cameron spricht, dass er viel internationale Erfahrung mitbringt, die in einer Zeit grosser aussenpolitischer Herausforderungen nützlich sein könnte. Seine direkte Nachfolgerin in der Downing Street, Theresa May, lobte die Entscheidung: «Seine immense Erfahrung wird in dieser Zeit grosser Unsicherheit in der Welt von unschätzbarem Wert sein.» Deutschlands Aussenministerin Annalena Baerbock schickte Cameron beim Kurznachrichtendienst X Glückwünsche auf Englisch.

Cameron selbst veröffentlichte ein längeres Statement. Er sprach von grossen internationalen Herausforderungen, nannte den Krieg in der Ukraine und die Krise im Nahen Osten. Dass er selbst vor Kurzem erst die Regierung kritisiert hatte, als ein Bahnprojekt zusammengestrichen wurde, versuchte er aufzufangen: «Auch wenn ich mit einigen einzelnen Entscheidungen nicht einverstanden war, ist für mich klar, dass Rishi Sunak ein starker und fähiger Premierminister ist, der beispielhafte Führung beweist in einer schwierigen Zeit.»

Suella Braverman geht, James Cleverly kommt

Die umstrittene britische Innenministerin Suella Braverman ist britischen Medien zufolge entlassen worden. Ihren Posten übernimmt der (ehemalige) Aussenminister James Cleverly, auf den Cameron nachrückt.

FILE - Britain's Home Secretary Suella Braverman speaks to volunteers during a visit to Bolton Lads and Girls Club in Bolton, Greater Manchester, Tuesday Oct. 3, 2023, on the sidelines of the ann ...
Suella Braverman wurde entlassen.Bild: keystone

Die Rechtsaussen-Politikerin im Kabinett des konservativen Premierministers Rishi Sunak hatte zuletzt immer wieder für Kontroversen gesorgt. Unter anderem bezichtigte sie die Polizei, auf dem linken Auge blind zu sein und Rechtsbrüche durch propalästinensische Demonstranten zu dulden.

Newly appointed British Home Secretary James Cleverly leaves 10 Downing Street as British Prime Minister Rishi Sunak is conducting a ministerial reshuffle following the sacking of Home Secretary Suell ...
James Cleverly.Bild: keystone

Die in einem Gastbeitrag in der «Times» vorgebrachten Vorwürfe hatte sie ohne Abstimmung mit dem Büro des Regierungschefs veröffentlicht, wie ein Sprecher Sunaks vergangene Woche bestätigte. Der Schritt wurde daher erwartet.

«Es war das grösste Privileg meines Lebens, als Innenministerin dienen zu dürfen. Ich werde schon bald mehr zu sagen haben», liess Braverman Berichten zufolge mitteilen.

Braverman gilt als aussichtsreiche Kandidatin für die Parteiführung, sollten die Konservativen wie erwartet die im kommenden Jahr anstehende Parlamentswahl verlieren. Die regierenden Konservativen liegen in Umfragen weit hinter der oppositionellen Labour-Partei. Spekuliert wurde, dass sie sich mit der Kritik an der Polizei und anderen rechtspopulistischen Äusserungen als Kandidatin des rechten Parteiflügels positionieren und womöglich ihren Rauswurf sogar absichtlich herbeiführen wollte.

Braverman dürfte also darauf hoffen, zur Galionsfigur der Rechten zu werden.

Warum jetzt?

Sunak kämpft angesichts miserabler Umfragewerte und einer für kommendes Jahr anstehenden Parlamentswahl um sein politisches Überleben. Eine Kabinettsumbildung war schon seit Längerem erwartet worden.

(yam/saw/sda/dpa)

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58 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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cyan jaeger
13.11.2023 11:09registriert April 2020
Interessant ist der Absatz, dass sie ihre Absetzung evtl. sogar willentlich herbeigeführt hat - ein weiteres Indiz dafür, dass Politik ein reines Geschäft ist und Politiker Opportunisten sind, die nur das eigene Wohl im Blick haben.

Politik war schon immer ein korruptes Geschäft aber so offen zur Schau gestellt wie in den letzten paar Jahren, war es nicht immer. Es gab Zeiten, da ging es um Lösungen, praktikable Kompromisse im Sinne einer gemeinsamen Gesellschaft - heute ist es nur noch ein Parkett für korrupte Geschäftsleute, Nichtskönner und Selbstdarsteller.
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BG1984
13.11.2023 11:37registriert August 2021
Die Briten haben so viele Wechsel, dass sie jetzt schon ehemalige Premiers rezyclieren.
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obi
13.11.2023 10:33team watson
Ich würde soooo gerne' good riddance' sagen, wenn dies leider leider nicht eine wohlüberlegte taktische Entscheidung Suellas gewesen wäre, um sich als Märtyrin der Rechten zu inszenieren. Leider dürfte sie uns noch ein Weilchen erhalten bleiben. I hate her.
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