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Die EU will sich von der Türkei Hilfe in der Flüchtlingskrise mit Milliardenzahlung erkaufen

Die EU will sich von der Türkei Hilfe in der Flüchtlingskrise mit Milliardenzahlung erkaufen

16.10.2015, 03:1516.10.2015, 06:28
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Angesichts der Flüchtlingskrise versucht die Europäische Union mit der Türkei einen Neustart der Beziehungen. Im Gegenzug für eine Milliardenzahlung soll sich die Türkei dazu verpflichten, syrische Flüchtlinge besser zu betreuen und die Grenze stärker zu sichern.

«Lastenteilung für die kommenden Jahre»: Merkel über Finanzierung in der Flüchtlingskrise.
«Lastenteilung für die kommenden Jahre»: Merkel über Finanzierung in der Flüchtlingskrise.
Bild: FRANCOIS LENOIR/REUTERS

Die Regierung in Ankara könnte für die Kosten der Unterbringung von Flüchtlingen mehrere Milliarden Euro erhalten, sagte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel am frühen Freitagmorgen nach dem rund achtstündigen EU-Gipfel in Brüssel.

Merkel sagte, dass die Türkei nach eigenen Angaben für die Versorgung syrischer Flüchtlinge in den letzten Jahren bereits sieben Milliarden Euro ausgegeben habe. Die türkische Forderung nach drei Milliarden Euro sei deshalb Gesprächsthema beim EU-Gipfel gewesen.

«Wir werden mit der Türkei in den nächsten Tagen über die Finanzierung und das Ganze reden»
Jean-Claude Juncker

Nun werde man eine Lastenteilung für die kommenden Jahre vereinbaren, bei denen auch die EU einen erheblichen Anteil übernehmen könne. Dies sei aber nicht alleine aus dem EU-Haushalt zu stemmen. Auch die EU-Mitgliedstaaten seien gefordert.

Frankreichs Präsident François Hollande sagte, dass es billiger sei, Geld für Flüchtlinge nahe ihrer Heimat auszugeben als bei der Aufnahme in EU-Staaten.
Frankreichs Präsident François Hollande sagte, dass es billiger sei, Geld für Flüchtlinge nahe ihrer Heimat auszugeben als bei der Aufnahme in EU-Staaten.
Bild: FRANCOIS LENOIR/REUTERS

Die EU bot bisher eine Milliarde Euro für die Türkei an. «Wir werden mit der Türkei in den nächsten Tagen über die Finanzierung und das Ganze reden», sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Die EU wolle vor allem den Flüchtlingszustrom aus der Türkei eindämmen.

Visaregeln für Türken lockern

Die Türkei gilt als Schlüsselland zur Eindämmung des Flüchtlingszustroms, weil das Land mehr als zwei Millionen Syrer aufgenommen hat. Wegen der türkischen Luftangriffe auf die kurdische Arbeiterpartei PKK und das Vorgehen gegen Journalisten hatten sich die Beziehungen zwischen der Türkei und der EU aber zuletzt deutlich abgekühlt.

EU-Spitze spricht sich für Syrien ohne Assad aus
Die EU-Staats- und Regierungschefs haben auf ihrem Gipfel ihren vollen Einsatz bei der Suche nach einer politischen Lösung des Syrienkonflikts zugesagt. Mit Machthaber Baschar al-Assad könne es keinen «dauerhaften Frieden» geben, heisst es in der Gipfelerklärung. Die Regierung von Assad trage die «grösste Verantwortung» für die 250'000 Bürgerkriegstoten, heisst es weiter. Frankreichs Staatschef François Hollande sagte, die russischen Luftangriffe auf die Gegner Assads könnten seine Regierung stärken, «aber sie werden Baschar nicht retten». Gemeinsam bekundete der Gipfel seine «Sorge über die russischen Angriffe auf die syrische Opposition und Zivilisten und die Gefahr weiterer militärischer Eskalation». (kad/sda/afp)

Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu hatte in einem TV-Interview gesagt, dass seine Regierung Visa-Erleichterungen für türkische Staatsbürger in der EU ab der ersten Jahreshälfte 2016 wolle und nicht erst ab 2017. Andernfalls werde sein Land keine in der EU abgelehnten Asylbewerber aufnehmen.

Es sei vereinbart worden, die Lockerung der Visa-Pflicht für türkische Bürger zu beschleunigen, sagte Juncker. Dies hänge aber direkt davon ab, wie effizient die Flüchtlingsströme gebremst würden.

Dabei sollen aber keine Kriterien aufgeweicht werden: «Es kann keine Visa-Liberalisierung geben, wenn es keine Kontrollen gibt, wenn die Türkei die Bedingungen nicht respektiert», sagte Hollande.

Zahlungsmoral verbessern

Nach Angaben Junckers versprachen die Staats- und Regierungschefs der EU, ihre finanziellen Verpflichtungen zur Bewältigung der Krise zu erfüllen. Zuvor hatte es harsche Kritik aus Brüssel und Berlin an der schlechten Zahlungsmoral mancher Mitgliedsländer gegeben.

Flüchtlingslager in der Türkei.
Flüchtlingslager in der Türkei.
Bild: CEM TURKEL/EPA/KEYSTONE

Die EU-Grenzschutzagentur Frontex soll EU-Ratspräsident Donald Tusk zufolge das Recht erhalten, die Initiative bei der Abschiebung abgelehnter Asylbewerber selbst zu übernehmen.

Für die Aufnahmezentren (Hotspots) in Italien und Griechenland sicherten die EU-Staaten weitere Hunderte Mitarbeiter zu. Bei dem Thema gibt es nach Angaben Merkels aber noch eine Reihe von Problemen zu lösen.

Denn noch sei nicht geklärt, wie etwa mit Afghanen verfahren werde, die zwar in ihr Land zurückgeschickt werden sollten, ein entsprechendes Abkommen mit der Regierung in Kabul aber fehle.

Beitrittsgespräche ankurbeln

In die stockenden Verhandlungen für einen EU-Beitritt der Türkei soll nach dem Willen der Staats- und Regierungschefs wieder Bewegung kommen. Seit zehn Jahren wird mühsam über einen Beitritt verhandelt, bisher wird aber nur über 13 von insgesamt 35 Politikbereichen überhaupt gesprochen. Acht Bereiche liegen wegen des Zypern-Konflikts auf Eis. (kad/sda/reu/dpa)

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