In Georgien versammelten sich bis in die späten Abendstunden im Zentrum der Hauptstadt Tiflis mehrere Tausend Menschen am Parlamentsgebäude. In den folgenden Stunden kam es zu heftigen Protesten. Ein Grossaufgebot bewaffneter Polizisten riegelte offizielle Gebäude ab und hielt die Menge auf. Nach Mitternacht (Ortszeit) setzten die Sicherheitskräfte Pfefferspray und Wasserwerfer ein.
Staatspräsidentin Salome Surabischwili schloss sich dem Protest an. Sie appellierte an die Sicherheitskräfte, nicht gegen die Demonstranten vorzugehen. Zugleich forderte sie eine Wiederholung der von Fälschungsvorwürfen überschatteten Parlamentswahl von Ende Oktober. Offiziell ist ein Sieg der Regierungspartei Georgischer Traum erklärt worden.
Proeuropäische Kundgebungen mit Hunderten Teilnehmern wurden auch aus den grossen georgischen Städten Batumi, Kutaissi, Gori und Sugdidi gemeldet.
Bei den Protesten wurden mehrere Menschen verletzt. In Tiflis wurden Medienberichten zufolge mindestens 18 Polizisten und eine noch nicht bekannte Zahl an Demonstranten verletzt. Demnach gab es auch mehrere Festnahmen. Die Proteste dauerten auch am frühen Morgen noch an.
Die Proteste wurden durch die Absage der georgischen Führung an Beitrittsgespräche mit der EU ausgelöst. Nachmittags hatte der nationalkonservative Ministerpräsident Irakli Kobachidse den Beitrittsprozess für gestoppt erklärt. Vor Ende 2028 werde Georgien nicht mit Brüssel über einen Beitritt verhandeln und bis dahin auch keine Haushaltszuschüsse der EU annehmen. Er wertete Kritik der EU am zunehmend autoritären Kurs von Georgischer Traum als unangemessenen Druck auf sein Land.
Die frühere Sowjetrepublik Georgien hat im Dezember 2023 gemeinsam mit der Ukraine und der Republik Moldau den Status eines EU-Beitrittskandidaten erhalten. Das Verhältnis hat sich aber rapide verschlechtert, weil die Regierungspartei zunehmend europakritisch agiert und angeblichen ausländischen Einfluss im Land beschränken will.
Die angestrebte Kontrolle über die Zivilgesellschaft ähnelt dabei den Methoden in Russland. Auch Brüssel hat deshalb die Annäherung auf Eis gelegt. Die Opposition will am Europakurs festhalten. Sie wirft der Regierung vor, ihr Wahlsieg sei nur durch Manipulation erreicht worden. (dab/sda/dpa)
Vor einem allfälligen EU-Beitritt müssen da schon noch ein paar Details geklärt werden