Der nächste Samstag, die nächste Demo. Das ist der Rhythmus Wiens in diesen Wochen. Bislang waren es – wie fast überall – vor allem die Impfgegner und Massnahmenkritiker, die lauthals durch die Strassen zogen. Jetzt aber kommt Bewegung in die bislang stille Mehrheit der Geimpften.
Das fordern mehrere führende Wissenschafter in einem offenen Brief. Die «Stimme der Mehrheit und der Vernunft» dürfe nicht mehr länger von den Tiraden der Impfgegner übertönt werden. Die lauten Protestzüge der Kritiker würden ein «völlig falsches Bild» der Situation wiedergeben. Während etwa am vergangenen Samstag in Wien rund 42'000 Impfgegner auf die Strasse gegangen seien, hätten sich am selben Tag fast doppelt so viele Bürgerinnen und Bürger impfen lassen. Nur habe man davon fast nichts mitgekriegt.
Unterzeichnet ist der Aufruf unter anderem von der Molekularbiologin Renée Schroeder, dem Informatiker Hannes Werthner sowie dem Mediziner Herbert Weltler. Sie kritisieren das «distanzierte Verhältnis zur Wissenschaft» auf beiden Seiten. Die Regierungspolitik benutze die nur Wissenschaft, wenn es gerade opportun sei, während die Impfgegner der Wissenschaft ganz grundsätzlich misstrauten.
Ob der Aufruf die Wissenschafts-Fans und Massnahmenbefürworter bei den für heute angekündigten Massenprotesten tatsächlich auf die Strassen treibt, bleibt abzuwarten. Bislang waren es primär antifaschistische Gruppierungen, die sich den von rechten Organisationen unterwanderten Massnahmenkritikern in den Weg stellten.
Klar ist bereits: Auch an diesem Samstag droht die Situation zu eskalieren. Während das gesamte Land mit kommendem Montag aus dem allgemeinen Lockdown geht, bleiben die Ausgangsbeschränkungen für ungeimpfte Personen bestehen. Ausserdem wurde am Donnerstag der Gesetzesentwurf für die allgemeine Impfpflicht veröffentlicht, die ab Februar gelten soll. Impfverweigerer müssen mit wiederkehrenden Bussen von bis zu 3600 Euro rechnen.
Alleine in Wien sind für heute Samstag 24 Kundgebungen genehmigt worden – grossteils gegen die Covid-Massnahmen, aber auch vereinzelte Gegenkundgebungen. Österreichs Wissenschaftlern reicht das noch nicht. In ihrem offenen Brief schreiben sie: «Es darf doch nicht sein, dass in Österreich nur die Mehrheit (Anmerkung der Redaktion: 72 Prozent sind geimpft) Solidarität zeigen muss und eine Minderheit sich einer ernsthaften Auseinandersetzung verweigert.» (aargauerzeitung.ch)