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Die SVP erklärt Rechtspopulisten aus ganz Europa, wie die Schweiz funktioniert

Die SVP erklärt Rechtspopulisten aus ganz Europa, wie die Schweiz funktioniert

Für EU-Gegner ist die direkte Demokratie Vorbild, also kamen sie zur Lehrstunde nach Bern – doch der Brite Nigel Farage fehlte. Trotz dieses Besuches hält die SVP den ausländischen Kontakt auf Sparflamme.
19.12.2015, 08:1319.12.2015, 17:49
Antonio Fumagalli / Aargauer Zeitung
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An die grosse Glocke wurde dieses Treffen nicht gehängt, auch eine Kommunikation darüber fand nicht statt. Dabei hätte einer der erwarteten Gäste durchaus für Aufregung sorgen können in Bundesbern: Nigel Farage, so charismatischer wie höhnischer Leader der UK Independence Party (UKIP) hätte sich gestern Morgen mit Vertretern der SVP treffen sollen – zusammen mit rund einem Dutzend weiterer Mitglieder der EU-Parlamentsfraktion «Europa der Freiheit und der direkten Demokratie», die sich betont EU-kritisch und rechtspopulistisch gibt.

SVP hält Kontakte auf Sparflamme

Ziel der Veranstaltung: Die EU-Gegner aus Grossbritannien, Italien, Schweden und osteuropäischen Ländern wollten von den Rezepten der EU-Gegner aus der Schweiz lernen. Das ist insofern bemerkenswert, als die Parteispitze der SVP die Kontakte zu ideologischen Verbündeten auf europäischer Ebene bewusst auf Sparflamme hält.

Gibt es Austausche, finden diese in der Regel auf Bestreben von Einzelpersonen statt. Und so sassen dann nicht SVP-Vize Christoph Blocher oder einer der anderen Vordenker der Partei am Tisch im Zimmer 287 des Bundeshauses, sondern die englischsprachig versierten Nationalräte Luzi Stamm (AG) und Yves Nidegger (GE).

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Nationalrat Luzi Stamm (SVP-AG) bei der Eröffnung der Wintersession.
Nationalrat Luzi Stamm (SVP-AG) bei der Eröffnung der Wintersession.
Bild: KEYSTONE

Sie hatten eine ganze Reihe von Fragen zu beantworten. Die meisten drehten sich um die direkte Demokratie: So wollte ein EU-Parlamentarier wissen, warum sich die Schweizer Bevölkerung nicht mittels Volksabstimmung die Pension verdoppele oder eine Steuerreduktion durchboxe. Ein tschechischer Abgeordneter informierte sich über die Kosten eines Urnengangs. Und eine britische Parlamentarierin wollte wissen, auf welcher Ebene überregionale Projekte wie der Bau eines Atomkraftwerks oder Flughafens entschieden werden.

Es waren Steilvorlagen für Stamm und Nidegger, die keine Gelegenheit ausliessen, ihren Amtskollegen das Schweizer System schmackhaft zu machen – um gleichzeitig auf die «Gefahr» einer stärkeren Anbindung an die EU aufmerksam zu machen.

«Die Schweiz ist unser Vorbild»

Der eigentlich grosse Star der Runde sass jedoch nicht am Tisch. Nigel Farage hatte Wichtigeres zu tun: Er weilte in Brüssel und äusserte sich im Rahmen der Brexit-Debatte. Seine Partei war mit mehreren Vertretern dennoch gut vertreten am Treffen, unter ihnen David Coburn, der Leader von UKIP Schottland.

David Coburn, Leader von UKIP Schottland im Kurz-Interview:

David Coburn.
David Coburn.
bild: wikimediacommons

Herr Coburn, Sie kämpfen dafür, dass Grossbritannien aus der EU austritt. Die Bevölkerung kann sich demnächst dazu äussern. Dient Ihnen die Schweiz dabei als Vorbild?
Wir von der UKIP lieben das Schweizer Modell, die direkte Demokratie ist unser Vorbild. Bei uns hat sich die Classe politique von der Bevölkerung entfremdet. Ein grosser Teil der Gesetze wird von Bürokraten in Brüssel geschrieben. Die EU ist keine Demokratie – sie ist zu gross und zu weit weg. Wir wollen die Macht des EU-Parlaments zurück in die Hauptstädte der jeweiligen Länder bringen.

Auch die Schweiz übernimmt einen beträchtlichen Teil ihres Rechts von der EU. Bei dessen Ausgestaltung können wir hingegen kaum mitreden. Ist das wirklich ein Wunschszenario?
Wir wollen, dass die Entscheide wieder in unseren eigenen Parlamenten gefällt werden. Eine gewisse internationale Regulierung muss nicht schlecht sein, aber wir wollen die Macht zurückhaben. Die katastrophale Migrationskrise zeigt derzeit klar auf, dass die EU versagt.

Jetzt auf

Gerade Grossbritannien zeigt sich – im Gegensatz etwa zu Deutschland oder Schweden – nicht eben solidarisch. Im französischen Calais harren Tausende Flüchtlinge unter miserablen Bedingungen aus, die nach England wollen. Haben nicht auch Sie eine moralische Verpflichtung ihnen gegenüber?
Nein, absolut nicht. Wenn die Flüchtlinge an Leib und Leben bedroht sind, müssen wir ihnen helfen. Aber das sind die meistens nicht. Es ist nicht der Fehler der Migranten, es ist der Fehler der europäischen Regierungen, die sie aufnehmen. Angela Merkel hat mit ihrer Willkommenskultur einen riesigen Fehler gemacht.

In der Schweiz fordern SVP-Kreise ein Burka-Verbot. In Grossbritannien gibt es mehr Muslime als hierzulande. Ist das auch ein Anliegen der UKIP?
Nein, da haben wir eine Differenz. Persönlich befremden mich Burkas und ich sehe auch sicherheitstechnische Probleme. Aber wir wollen der Bevölkerung nicht vorschreiben, welche Kleider sie zu tragen hat und welche nicht. 

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8 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Kronrod
19.12.2015 10:25registriert März 2015
Die EU hat ein Demokratiedefizit und mangelhafte Gewaltenteilung. Solange das nicht behoben wird, wird sich auch die Akzeptanz in der Bevölkerung in engen Grenzen halten.
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seventhinkingsteps
19.12.2015 09:58registriert April 2015
Selbst die UKIP ist toleranter als die SVP. Gibt irgendwie zu denken.
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