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Von Sunak bis Truss: Das sind die Favoriten für die Johnson-Nachfolge

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Boris Johnson mit Rishi Sunak, dem Favoriten für seine Nachfolge.Bild: keystone

Jede gegen jeden: Das sind die Favoriten für die Johnson-Nachfolge

Um die Nachfolge von Boris Johnson ist eine Schlammschlacht im Gang. Denn die britischen Konservativen wollen das umfangreiche Bewerberfeld rasch auf zwei Namen reduzieren.
12.07.2022, 14:4412.07.2022, 16:21
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Der Topfavorit will nicht. In einer Blitzumfrage des Instituts YouGov unter Mitgliedern der britischen Konservativen vom letzten Donnerstag hatte Verteidigungsminister Ben Wallace alle potenziellen Rivalinnen und Rivalen hinter sich gelassen. Er hatte sich mit schnellen und umfassenden Waffenlieferungen an die Ukraine profiliert und Führungsqualitäten gezeigt.

Doch eben, Wallace möchte sich nicht um die Nachfolge von Boris Johnson als Partei- und Regierungschef bewerben. Er wolle sich auf seinen jetzigen Job konzentrieren, teilte der 52-Jährige auf Twitter mit. An Möchtegerns, die Johnson beerben wollen, fehlt es ohnehin nicht. Rund ein Dutzend Frauen und Männer haben Interesse am Parteivorsitz angemeldet.

Ihnen ist gemeinsam, dass sie sich um Distanz zu jenem Mann bemühen, der bei den Tories bis vor Kurzem als unverzichtbar galt. Doch Boris Johnson hat sich mit seinen Lügen und seinem chaotischen Regierungsstil letztlich unmöglich gemacht. Und mit abgestürzten «Hoffnungsträgern» haben die Konservativen schon immer kurzen Prozess gemacht.

Rascher Ablauf

Rasch soll es auch bei der Nachfolgeregelung gehen. Zum Verfahren zugelassen wird nur, wer bis Dienstagabend von mindestens 20 Unterhaus-Abgeordneten unterstützt wird. Schon am Mittwoch findet ein erster Wahlgang in der Fraktion statt. Bis zum 21. Juli, dem Beginn der parlamentarischen Sommerpause, soll das Feld auf zwei Namen reduziert werden.

Danach sind die rund 160’000 Tory-Mitglieder am Zug. Am 5. September, wenn die Abgeordneten aus den Ferien zurück sind, wird der neuen Premierminister oder die Premierministerin bekannt gegeben. Das sind die meistgenannten Namen:

Rishi Sunak

British Conservative Party member Rishi Sunak launches his campaign for the Conservative Party leadership, in London, Tuesday, July 12, 2022. Contenders to replace British Prime Minister Boris Johnson ...
Rishi Sunak am Dienstag bei der offiziellen Bekanntgabe seiner Kandidatur.Bild: keystone

Nach dem Verzicht von Ben Wallace ist der 42-jährige Ex-Finanzminister, der als politisch moderat gilt, die Nummer eins in den Wettbüros. Damit ist Sunak fast gesetzt für einen der Finalplätze. Er hat bislang die meisten Unterstützer, darunter Vizepremier Dominic Raab, und könnte erster indischstämmiger Premierminister Grossbritanniens werden.

Penny Mordaunt

epa09720006 Conservative MP Penny Mordaunt (R) attends the funeral of Labour Party MP Jack Dromey at St Margret's Church in Westminster Abbey in London, Britain, 31 January 2022. Jack Dromey, was ...
Penny Mordaunt hat die erste Hürde schon genommen.Bild: keystone

Die 49-jährige Ex-Verteidigungsministerin hat als eine der ersten das Quorum von 20 Abgeordneten erreicht. Zuletzt lag sie bei den Buchmachern gleichauf mit Rishi Sunak. Penny Mordaunt gilt als ideologisch «flexibel» und in der Partei gut vernetzt. Helfen könnte ihr, dass sie sich 2019 gegen Boris Johnson als Parteichef ausgesprochen hatte.

Nadhim Zahawi

Nadhim Zahawi, Britain's recently appointed Chancellor of the Exchequer and one of the contenders to be the new leader of Britain's ruling Conservative Party speaks at the Conservative Way F ...
Nadhim Zahawi stieg am Montag ins Rennen ein.Bild: keystone

Der 55-Jährige wurde von Johnson zum Nachfolger von Rishi Sunak als Schatzkanzler ernannt und machte dem Premier nur zwei Tage später klar, dass es vorbei war. Zahawi ist irakischer Kurde. Er kam als Flüchtlingskind nach Grossbritannien und befürwortet dennoch eine harte Migrationspolitik. Er ist ein Vertreter des rechten Parteiflügels.

Liz Truss

epa10000032 British Foreign Secretary Liz Truss arrives at 10 Downing Street for a cabinet meeting in London, Britain, 07 June 2022. British Prime Minister Boris Johnson has survived a 'vote of n ...
Liz Truss macht für ihre Kritiker zu sehr auf Maggie Thatcher.Bild: keystone

Die 46-jährige Aussenministerin war lange eine Favoritin der Parteibasis. In letzter Zeit ist ihr Stern ein wenig verblasst. Für viele Tories hat sich Liz Truss zu aufdringlich bemüht, die Partei-Ikone Margaret Thatcher zu imitieren, etwa indem sie sich in einem Panzer ablichten liess, wie die ehemalige Premierministerin während des Falkland-Kriegs.

Tom Tugendhat

Tom Tugendhat speaks at the launch of his campaign to be Conservative Party leader and Prime Minister, at 4 Millbank, London, Tuesday July 12, 2022. Contenders to replace British Prime Minister Boris  ...
Tom Tugendhat gibt den Saubermann.Bild: keystone

Als Vorsitzender der aussenpolitischen Kommission des Unterhauses gehört der 49-Jährige nicht zu den Top-Promis in der britischen Politik. Unterschätzen darf man Tugendhat aber trotz fehlender Regierungserfahrung nicht. Er war stets ein Kritiker von Boris Johnson. Nachteilig könnte sein, dass er dem «linken» Flügel angehört und als Brexit-Skeptiker gilt.

Kemi Badenoch

Kemi Badenoch
Kemi Badenoch gilt als stramm rechts.Bild: HO

Die ehemalige Staatssekretärin für Gleichstellung ist eine Art «Geheimfavoritin». Die 42-Jährige wird vom einflussreichen Ex-Minister Michael Gove unterstützt und gilt als stramm rechts. Es scheint jedoch fraglich, ob die gebürtige Nigerianerin über genügend Rückhalt bei der eher weissen, älteren und ländlichen Basis der Konservativen verfügt.

Ihre Kandidatur angemeldet haben auch Ex-Aussenminister Jeremy Hunt, der 2019 in der Endauswahl gegen Boris Johnson unterlegen war, jetzt jedoch nur als Aussenseiter gilt, sowie der frühere Gesundheitsminister Sajid Javid. Nur geringe Chancen haben Generalstaatsanwältin Suella Braverman und Staatssekretär Rehman Chishti.

Schlammschlacht in Gang

Unklar war lange, ob Innenministerin und Migrations-Hardlinerin Priti Patel antreten würde. Am Dienstagnachmittag erklärte sie ihren Verzicht. Klar ist jedoch, dass das grosse Bewerberfeld zu einem Kampf auf Biegen und Brechen führt. Laut Medienberichten wurden sogar Dossiers mit «schmutziger Wäsche» an die Labour-Opposition weitergereicht.

A woman knocks the front door of 10 Downing Street in London, Wednesday, July 6, 2022. A defiant British Prime Minister Boris Johnson is battling to stay in power after his government was rocked by th ...
Hier wollen alle rein: die Eingangstüre zur Downing Street Nr. 10, dem Amtssitz des Premierministers.Bild: keystone

Im Zentrum der Schlammschlacht steht Favorit Rishi Sunak. Ihm wird vorgeworfen, dass er als Finanzminister die Steuern erhöht und damit gegen die «Tory-Orthodoxie» verstossen hat. Die Website für seine Kampagne hatte er schon im Dezember 2021 registrieren lassen, weshalb er von Boris Johnsons Umfeld als «verräterischer Drecksack» beschimpft wird.

Kritik gab es auch, weil Sunaks Ehefrau, die Tochter eines indischen Milliardärs, dank eines speziellen Status kaum Steuern bezahlt. Mit ähnlichen Vorwürfen sieht sich Nadhim Zahawi konfrontiert. An die Medien wurden Informationen geleakt, wonach die Behörden gegen ihn wegen Geschäften in Steuerparadiesen ermitteln. Zahawi dementierte nur lauwarm.

Jeder gegen jede – so scheint derzeit das Motto bei den Tories zu lauten. Bis Ende nächster Woche dürften einige schmutzige Details publik werden. Und auch in der Ferienzeit ist ein heisser Wahlkampf zwischen den beiden Finalisten zu erwarten.

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11 Kommentare
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LURCH
12.07.2022 16:14registriert November 2019
Schlussendlich kann es nur zwei geben die für die Endausmarchung in Frage kommen.
Dies sind Larry vs. John, denn die beiden würden dieses ausgesuchte Horrorkabinett betreffend Kompetenz und Integrität alleweil in den Schatten stellen.
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