International
Holland

Wahlen in Niederlanden: Rechtspopulist Wilders vor Wahlsieg

Rechtspopulist Wilders siegt in den Niederlanden – das Wichtigste in 6 Punkten

23.11.2023, 02:3423.11.2023, 10:53
Mehr «International»

Die Niederlande stehen nach dem triumphalen Wahlsieg des Rechtspopulisten Geert Wilders bei der Parlamentswahl vor einem historischen Rechtsruck. Der Rechtsaussen will nun mit seiner islamfeindlichen Partei regieren und Nachfolger des scheidenden Ministerpräsidenten Mark Rutte werden, der nach einer Rekord-Amtszeit von der nationalen Politikbühne abtritt.

Doch ob Wilders' Partei wirklich ein Bündnis mit anderen Partnern schmieden kann, ist offen. Denn Koalitionsverhandlungen dürften schwierig werden. Das Wichtigste in 6 Punkten.

Was will Wilders?

«Das Signal, das der niederländische Wähler nun gibt, ist: Es muss anders werden», sagte Wilders am späten Mittwochabend. «Die Niederländer müssen wieder Nummer eins sein.»

epaselect epa10990065 PVV leader Geert Wilders (R) responds to the results of the House of Representatives elections in Scheveningen, Netherlands, 22 November 2023. Dutch voters headed to the polls on ...
Rechtskandidat Geert Wilders.Bild: keystone

In seinem Parteiprogramm fordert der 60-Jährige, Moscheen und den Koran zu verbieten und spricht sich für den Nexit aus – den Austritt der Niederlande aus der EU. Auch will er die Grenzen schliessen, Flüchtlinge und Arbeitsmigranten nicht mehr ins Land lassen und Klimaschutz als politisches Ziel abschaffen.

In den Niederlanden hat sich der Rechtspopulismus schon vor mehr als 20 Jahren als fester Bestandteil der politischen Landschaft etabliert. Der erste erfolgreiche Rechtspopulist Pim Fortuyn war 2002 wenige Tage vor der Parlamentswahl von einem militanten Tierschutzaktivisten ermordet worden. Sein Erbe trat Wilders an, der noch viel radikalere Forderungen erhob, etwa die nach einem Verbot des Korans. Der Politologe und Wilders-Biograf Meindert Fennema (1946-2023) warnte 2017 in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur: «Er ist jemand, der auf demokratischem Weg den Rechtsstaat abschaffen will.»

Wie wurde gewählt?

Nach einer Hochrechnung, die die Nachrichtenagentur ANP am frühen Donnerstagmorgen veröffentlichte, dürfte Wilders' Partei für die Freiheit (PVV) auf 36 der 150 Sitze in der Zweiten Kammer des Parlaments kommen, die vergleichbar mit dem Schweizer Nationalrat ist. Das wären mehr als doppelt so viele Mandate wie bei der vorherigen Wahl 2021.

Zweitstärkste Kraft ist demnach das rot-grüne Bündnis mit dem früheren EU-Kommissar Frans Timmermans an der Spitze, das auf 25 Sitze hoffen kann – acht mehr als bislang. Ruttes rechtsliberaler VVD mit der Spitzenkandidatin Dilan Yesilgöz werden nur noch 24 Sitze zugerechnet – zehn weniger als bei der vorigen Wahl. Die erst vor wenigen Wochen gegründete Partei des ehemaligen Christdemokraten Pieter Omtzigt, der Neue Soziale Vertrag (NSC), kommt laut Hochrechnung auf 20 Sitze. Für eine koalitionsfähige Mehrheit wären also mindestens drei Parteien nötig.

Wie fallen die Reaktionen aus?

Der Wahlsieg der mit islam- und ausländerfeindlichen Parolen punktenden PVV in den als liberal geltenden Niederlanden schockte viele etablierte Parteien. Nicht nur Flüchtlingsorganisationen und muslimische Verbände reagierten entsetzt.

Andere Rechtspopulisten in Europa hingegen bejubelten Wilders' Triumph. «Herzlichen Glückwunsch zu diesem grossen Erfolg. Ganz Europa will die politische Wende!», schrieb AfD-Chefin Alice Weidel im Kurznachrichtendienst X, vormals Twitter. Auch der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban und die französische Rechtsnationalistin Marine Le Pen gratulierten Wilders.

Wie stehen die Chancen auf eine Koalition?

Doch noch ist ungewiss, ob er wirklich Erfolg haben wird mit seinem Aufruf an Parteien des rechten Spektrums, mit ihm zusammenzuarbeiten. «Ich glaube, dass wir jetzt alle über unseren Schatten springen müssen», so Wilders. Auf keinen Fall dürfe der Wählerwille ignoriert werden.

Schon am Wahlabend hatte der Chef der neuen Zentrumspartei NSC Bereitschaft zur Zusammenarbeit signalisiert. Und auch VVD-Chefin Yesilgöz scheint nicht abgeneigt. Erst einmal sei nun Wilders am Zug, sagte sie: «Wir werden das in der Fraktion gut abwägen. Dann schauen wir, wohin das führt.»

epa10878407 Party leader Dilan Yesilgoez delivers a speech at the party conference of the Dutch 'People's Party for Freedom and Democracy' (VVD), in Rotterdam, The Netherlands, 23 Septe ...
Dilan Yesilgöz hatte zu Beginn des Wahlkampfes gesagt, dass sie Wilders als Koalitionspartner nicht von vornherein ausschliesse.Bild: keystone

Wilders zeigte sich sehr bemüht, Ängste vor einem zu radikalen Vorgehen seiner Partei zu zerstreuen. Er wolle ein «Premier aller Bürger sein». Die von ihm angestrebte Zwangsschliessung von Moscheen sei aktuell kein Thema, versicherte er. Priorität habe jetzt, den «Asyl-Tsunami» zu begrenzen.

Was sagten die Umfragen im Vorfeld?

Im Endspurt des Wahlkampfes hatte Wilders in den Umfragen zugelegt und die Favoritin Yesilgöz abgehängt. Viele sehen die rechtsliberale Frontfrau als mitverantwortlich dafür an. Sie habe Wilders endgültig salonfähig gemacht, meinen Kritiker. Während Yesilgöz eine Koalition mit Wilders nicht ausgeschlossen hatte, war ihr Parteifreund Rutte stets als vehementer Gegner eines Bündnisses aufgetreten.

Umfragen haben mehrfach ergeben, dass Wilders-Wähler ihre Zukunft tendenziell pessimistisch einschätzen und Angst vor Veränderungen haben. Sie wohnen häufig in stagnierenden Industriegebieten oder auf dem Land, wo die Jungen wegziehen. Zu Wilders' Parolen gehört deshalb nicht nur «Der Islam gehört nicht zu den Niederlanden», sondern auch «Mehr Personal in der Pflege» und «Niedrigere Mieten und Steuern». Diese Mischung aus rechten Parolen und klassisch linken Forderungen betrachten Politologen als sein Erfolgsrezept. Eine weitere Besonderheit: Wilders' Partei hat nur ein einziges Mitglied – ihn selbst. So will er verhindern, dass ihn andere überstimmen und selbst das Zepter übernehmen könnten.

Wieso wurde gewählt?

Prime Minister of Netherlands Mark Rutte talks to media after announcement of the first preliminary results of general elections in The Hague, Netherlands, Wednesday, Nov. 22, 2023. (AP Photo/Patrick  ...
Der scheidende Ministerpräsident Mark Rutte hatte eine Zusammenarbeit mit Wilders immer abgelehnt.Bild: keystone

Die vorgezogene Parlamentswahl wurde notwendig, nachdem Ruttes Mitte-Rechts-Koalition im Sommer nach nur 18 Monaten zerbrochen war. Anlass dafür war ein Streit über die Migrationspolitik. Rutte, der mit 13 Jahren am längsten amtierende Ministerpräsident der niederländischen Geschichte, kündigte daraufhin seinen Abschied aus der nationalen Politik an. Er will jetzt Nato-Generalsekretär werden. Bis zur Vereidigung einer neuen Regierung soll Rutte aber im Amt bleiben. (saw/sda/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Schreckmoment im Kinosaal – in Indien zünden Besucher massenhaft Pyrotechnik
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
277 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Unsinkbar 2
22.11.2023 22:56registriert August 2019
War kürzlich in Rotterdam und mit dem ÖV rumgetuckert. In einigen Quartieren gab es fast keine Frauen ohne konservative Islamische Kleidung (auch wenn Rotterdam mit dem Hafen schon immer viele andere Kulturen hatte). Ich denke Wilders Wahlerfolg hat schon seine Gründe, auch wenn sie vielleicht weltoffener sind als wir.
19947
Melden
Zum Kommentar
avatar
Störsender
23.11.2023 04:54registriert August 2018
Bei so manchem Kommentar hier wird mir speiübel - wieso finden so viele Leute gut, dass all die Trumps, Orbans, Le Pens, Erdovans, Putins, Blochers, Melonis (Liste leider bei weitem nicht komplett...) wieder Oberwasser bekommen in der Weltherrschaft? Beängstigend und ekelhaft zugleich.
15791
Melden
Zum Kommentar
avatar
Hoagie
22.11.2023 21:37registriert Oktober 2018
Ich dachte Rechtspopulisten mit seltsamen Haaren seien inzwischen out...
11250
Melden
Zum Kommentar
277
Gerichtstermin für Harvey Weinstein kommende Woche

Eine knappe Woche nach der überraschenden Aufhebung der Verurteilung von Harvey Weinstein wegen Sexualverbrechen durch Berufungsrichter soll der frühere Filmmogul vor Gericht erscheinen. Für kommenden Mittwoch (1. Mai) sei eine Anhörung im Gericht von Manhattan angesetzt, teilte die Staatsanwaltschaft am Freitagabend (Ortszeit) mit, wie US-Medien übereinstimmend berichteten.

Zur Story