Wenn der Feind kommt, können sich die Soldaten und Soldatinnen ab sofort verteidigen und wenn nötig den Weg zum Mobilmachungsplatz freischiessen. Mit diesem Hintergedanken stattete die Schweizer Armee ihre Angehörigen früher mit Taschenmunition aus. Beim Sturmgewehr 90 bestand sie beispielsweise aus 50 Patronen, versiegelt in einer weissen Dose mit grauen und schwarzen Streifen.
Die Abgabe der Taschenmunition galt als Demonstration des Wehrwillens, als Symbol des Vertrauens des Staats in seine Bürger. Ein Femizid setzte dieser eidgenössischen Tradition ein Ende. Am 30. April 2006 wurde der ehemalige Skistar Corinne Rey-Bellet von ihrem Ehemann mit einer Armeepistole erschossen. Er tötete auch ihren Bruder, verletzte ihre Mutter schwer und beging später Suizid. Die Tragödie befeuerte die Diskussion über die Sinnhaftigkeit der Taschenmunition, zumal immer es immer wieder zu Suiziden und Tötungsdelikten mit Armeewaffen gekommen ist.
Ein Jahr später beschloss das Parlament, die Armeeangehörigen zwar nach wie vor mit Waffe, aber ohne Munition nach Hause zu schicken. Auch der Bundesrat stimmte einem entsprechenden Vorstoss der sicherheitspolitischen Kommission zu. Verteidigungsminister Samuel Schmid (SVP, später BDP) hielt es für gerechtfertigt, angesichts der damaligen sicherheitspolitischen Lage auf die Heimabgabe der Taschenmunition zu verzichten. Einmal pro Legislatur sollte er der Bundesrat die Lage neu beurteilen.
Unterdessen herrscht in Europa Krieg. Kurz nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine forderte SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor das Comeback der Taschenmunition. Man habe sie damals abgeschafft, weil man an ewigen Frieden geglaubt habe, sagte er im Nationalrat. Doch das Plenum lehnte die Forderung mit 135 zum 49 Stimmen ab. Verteidigungsministerin Viola Amherd argumentierte, ein terrestrischer Angriff auf die Schweiz sei kurz- und mittelfristig weiterhin eher unwahrscheinlich. Und bei einer Mobilmachung würden die Soldaten mit Munition ausgerüstet, sobald sie am Versammlungsort eintreffen würden.
Die unterdessen zurückgetretene Mitte-Politikerin erinnerte daran, dass sich vor dem Aus für die Taschenmunition Tötungsdelikte und Suizide mit Armeewaffen häuften. Ein Blick auf die Statistik zeigt tatsächlich, dass nach 2007 die Zahl der Schusswaffentoten sank. Der Trend zeichnete sich allerdings schon vorher ab - auch, weil die Schweiz das Waffengesetz verschärfte.
Drei Jahre später führt Putin noch immer Krieg gegen die Ukraine, der Nahe Osten brennt und die Armeen rüsten rund um den Globus auf. Jetzt nehmen SVP-Politiker einen neuen Anlauf, die Taschenmunition den Armeeangehörigen wieder mit nach Hause zu geben. In der vergangene Woche zu Ende gegangenen Sommersession hat der Berner Ständerat Werner Salzmann eine entsprechende Motion eingereicht.
Damit werde der Munitionsvorrat erhöht sowie Verteidigungsfähigkeit und Wehrwille gestärkt, schreibt er in der Begründung des Vorstosses. Es gehe darum, dass Armeeangehörige im Fall einer Mobilisierung voll ausgerüstet an den Einsatzort einrücken und ihren Auftrag sofort erfüllen könnten. Solche Aufträge rückten angesichts der aktuellen Unsicherheiten wieder in den Fokus.
Für Salzmann, der den militärischen Dienstgrad eines Oberst hat, geht auch auch darum, dass der Bundesrat sein Versprechen aus dem Jahr 2007 einlöst und die Heimabgabe der Taschenmunition an die sicherheitspolitische Lage anpasst. Die Unterstützung für die Idee wächst. Elf Ständeräte, darunter auch Vertreter von Mitte und FDP, haben die Motion mitunterzeichnet. Walter Gartmann (SVP/SG) hat im Nationalrat einen gleichlautenden Vorstoss eingereicht.
Salzmann glaubt nicht, dass die Taschenmunition die Schweiz zu einem gefährlicheren Land macht. Gegenüber nau.ch sagte er, bei den damals diskutierten Tötungsdelikten mit Armeewaffen sei gar keine Taschenmunition im Spiel gewesen. Ausserdem schaue die Armee heute genauer als früher, wem sie eine persönliche Waffe abgebe.
Übrigens: Es dauerte länger als geplant, bis die Rückgabe der Taschenmunition abgeschlossen war. Bis Ende März 2011 waren 99,6 Prozent der 257'000 Dosen eingezogen. Ursprünglich verfolgte die Armee das Ziel, die Patronen bis Ende 2009 einzusammeln.
Wenn unsere militärische Aufklärung so schwach ist und 30min Vorwarnzeit nicht reichen, dann sollten wir besser abrüsten und uns ganz auf unsere Banken verlassen wie im letzten grossen Krieg.