Frau Striletska, wie geht es Ihnen heute, einen Tag nach dem Raketenangriff auf das Stadtzentrum von Sumy?
Maryna Striletska: Seit Kriegsbeginn befinde ich mich in einem permanenten Stresszustand, 24 Stunden, 7 Tage die Woche. Seit drei Jahren schlafe ich nicht mehr gut, in der Nacht höre ich Explosionen. Manchmal sitze ich da und verspüre eine unglaubliche Traurigkeit. Lange habe ich gedacht: Ich bin stark und brauche keine Hilfe. Nach dem, was gestern passiert ist, habe ich mir aber eingestehen müssen, dass ich psychologische Hilfe brauche, dass es mir nicht gut geht. Und natürlich habe ich Angst, dass es wieder zu Angriffen kommt.
Sie waren gestern aus beruflichen Gründen nicht in Sumy. Wie haben Sie vom Angriff erfahren?
Über eine App, die einen Alarm schickt, wenn ein Angriff bevorsteht. Danach habe ich sofort meine Tochter angerufen. Sie lebt und ist zum Glück unverletzt, und auch meinem Mann ist nichts passiert. Nach und nach habe ich dann das Ausmass des Angriffs erfasst: In Videos habe ich die Verwüstung und die Leichen gesehen, die auf der Strasse lagen. Und es sind sogar Kinder getötet worden! Es zerstörte mich gestern. Und es zerstört mich auch heute noch.
Was wissen Sie von Ihren Bekannten über den Angriff?
Nach dem Alarm hat man etwa eine Minute Zeit, in Deckung zu gehen. Für viele Menschen im Stadtzentrum hat das natürlich nicht gereicht. Nach der ersten Rakete sind zudem Leute herbeigeeilt, um Hilfe zu leisten. Die zweite Rakete hat dann die Menschen getroffen, die die Verletzten versorgen wollten. Auch eine Bekannte von mir ist so getötet worden. Wenn du die Menschen kennst, die sterben, ist es immer anders. Es macht dir bewusst, dass es jede und jeden treffen kann.
Wie ist die Lage vor Ort jetzt?
Heute Morgen haben viele Arbeitgeber, auch meiner, ihre Mitarbeitenden dazu aufgerufen, bei den Aufräumarbeiten mitzumachen, wenn sie dazu in der Lage sind. Die Hauptstrasse ist von den ausgebrannten Autos blockiert. Es sind Menschen wie ich, die jetzt die Autowracks und Trümmer von den Strassen räumen. Bewohnerinnen und Bewohner von Sumy legen am Ort des Angriffs Blumen für die Opfer hin und psychologische Notfallteams sprechen mit den Traumatisierten. Viele Unternehmen, Schulen oder die Universität haben heute geschlossen, damit die Menschen helfen, trauern oder in die Kirche gehen können. Wenn sie sich denn trauen, überhaupt auf die Strasse zu gehen. Viele haben Angst, dass Russland wieder angreift.
Wie organisieren sich die Menschen in Sumy, die helfen?
Vieles läuft über Chats, wo man Hilfe anbieten oder anfordern kann. Gestern wurde dort zum Beispiel zum Blutspenden aufgerufen. Wenn Häuser bombardiert werden, sammeln die Leute Kleiderspenden oder nehmen Menschen bei sich auf. Nach den Explosionen gestern sind auch viele Haustiere geflohen, heute posteten ihre Besitzerinnen und Besitzer Bilder der vermissten Tiere in den Chat.
Sie leben nur einige Kilometer von der russischen Grenze entfernt, mitten im Kriegsgebiet. Wie beeinflusst das Ihren Alltag?
Ich gehe zum Beispiel nicht mehr ins Stadtzentrum oder in Einkaufszentren, weil diese immer wieder Ziele von Angriffen sind. Ich bin aus beruflichen Gründen viel unterwegs und versuche über den Krieg aufzuklären, zeige Videos und mache sichtbar, was hier passiert. Aber jedes Mal, wenn russische Angriffe hier ein Haus oder eine Strasse zerstören, frage ich mich: Ist jetzt vielleicht Zeit, zu gehen?
Denken Sie nach dem gestrigen Tag darüber nach, Sumy zu verlassen?
Nach dem Angriff haben mir viele Freunde aus Kiew geschrieben, dass wir zu ihnen kommen und Sumy verlassen sollen. Aber auch in Kiew sind wir nicht sicher, auch dort greift Russland an. Trotzdem werden wir in der Familie nun darüber sprechen, was wir machen und ob wir bleiben.
Was müsste passieren, dass Sie gehen?
Am Anfang des Krieges dachte ich immer: Wenn die Angriffe in meine Nähe kommen, dann gehe ich. Kürzlich wurden mehrere Häuser in meiner Nachbarschaft bombardiert. Am ersten Tag ist man geschockt, am zweiten und dritten, denkt man sich: Es ist ja niemand ums Leben gekommen, man bleibt. Es ist schwierig zu erklären, aber das hier ist unser Zuhause.
Trotz der ständigen Bedrohung?
Ich habe mein Zuhause schon einmal verloren, als ich 2014 aus dem Donbass fort musste. Ich musste alles, was ich hatte, zurücklassen und habe mir hier ein neues Leben aufgebaut. Dass Russland uns nun ein zweites Mal vertreiben könnte, ist schwer zu akzeptieren.
Welche Reaktionen erwarten Sie von den politischen Verbündeten der Ukraine?
Trump hat den Angriff auf Zivilistinnen und Zivilisten als «Fehler» bezeichnet. Das macht mich unglaublich wütend. Ich würde gern sehen, wie Trump hier auch nur zwei Tage überlebt. Dann würde er wohl nicht mehr nur von einem «Fehler» sprechen. Für mich ist klar: Trump steht auf Russlands Seite.
Was erhoffen Sie sich von der EU?
Ich glaube, dass wir Russland mit der Hilfe der EU stoppen können. Aber dafür brauchen wir mehr Ressourcen. Wir bekommen gerade genug, um zu überleben, aber nicht, um zurückzukämpfen.
Die Gleichen haben später Israel das Recht gegeben, alles im Gaza zu "erledigen", was nötig sei.
Später waren sie im Wahlkampf für Trump, da er Frieden wolle.
Interessanterweise lese ich von diesen Personen bei diesen Positionen nichts mehr, obwohl sie noch aktiv sind (wie gehabt gegen EU und natürlich gegen Ausländer).
Wie schön wäre es doch, wenn auch ein Rechter mal zugeben könnte, dass er falsch, oder eben sogar 3 Mal falsch, lag...
Das hat mich am meisten berührt: "Kürzlich wurden mehrere Häuser in meiner Nachbarschaft bombardiert. Am ersten Tag ist man geschockt, am zweiten und dritten, denkt man sich: Es ist ja niemand ums Leben gekommen, man bleibt. Es ist schwierig zu erklären, aber das hier ist unser Zuhause."
Ich jedenfalls kann da nicht "neutral" sein.