Die österreichische Politik wird von einem Video durchgeschüttelt, in dem der Vizekanzler im Unterhemd neben einer attraktiven Russin Korruptions-Fantasien ausbreitet. Das ist Boulevard-Stoff vom Feinsten. Wie verkauft sich die Zeitung aktuell?
Klaus Herrmann: Wir haben mit bis zu 2.5 Millionen Lesern die Grösse eines Tankers. Und normalerweise bewegen wir uns nicht gross wegen besonderer Ereignisse. Aber in diesen Tagen spüren wir schon etwas. Wir haben die Auflage zum Teil deutlich erhöht.
Nun schwirrt das Gerücht herum, dass das Skandal-Video schon länger im Umlauf sei und auf Redaktionen gegen Geld angeboten worden sein soll. Wurde es auch Ihnen offeriert?
Nein, wir erfuhren von der Existenz des Videos durch Anfragen der «Süddeutschen Zeitung» und des «Spiegels», die uns im Zuge Ihrer Recherche damit konfrontierten. Das war am Dienstag vergangener Woche, also drei Tage vor dem Erscheinen der Geschichte.
Wann sahen Sie das Video zum ersten Mal?
Als wir am Freitag um 18:02 das Video sahen, sassen wir zu fünft hier in meinem Büro und es fiel etwa zehn Mal der Ausdruck «Wahnsinn!». Und dann der Satz: «Das kann Strache nicht überleben.» Damit, dass es dann so «zack, zack, zack» gehen sollte, haben wir aber trotzdem nicht gerechnet. Eine Regierungsauflösung binnen 25 Stunden ist schon ganz schön schnell.
Warum schlug dieses Video dermassen ein?
Weil die Inhalte ungeheuerlich sind. Ein Vizekanzler – auch wenn er es zum Zeitpunkt der Aufnahme noch nicht war – gibt Sachen von sich, von denen man sich nicht vorstellen konnte, dass sie überhaupt jemand denkt. Und dann äussert er sie auch noch gegenüber Leuten, die er gar nicht kennt. Das ist unglaublich.
Hätte das Video in jedem Land so eingeschlagen oder nur in Österreich?
In den vergangenen Monaten hat sich schon vieles aufgestaut. Auch wir haben in einem Kommentar geschrieben, «die FPÖ ist nicht regierungsfähig». Und damals wussten wir noch nichts von so einem Video. Und dann kam der durchschlagende Beweis für diese These.
Sie selber zeigten sich in einem Kommentar am Sonntag enttäuscht von der FPÖ. Es treffe Sie, dass diese ausgerechnet gegen die «Krone» einen Komplott plante, obwohl sie «sich in den letzten Jahren immer um einen korrekten Umgang mit den Freiheitlichen bemüht hat». Wie meinen Sie das?
Wir haben uns bemüht, objektiv zu sein. Dafür wurden wir von linker Seite als «FPÖ-nahe» kritisiert, obwohl wir immer auch sehr kritische Berichte zu den Freiheitlichen hatten. Aber andere hatten in der Grundtendenz eine noch viel kritischere Haltung eingenommen und gleichzeitig kritisiert, dass wir das nicht auch tun. Trotz unserer Bemühungen wollte uns die FPÖ mit Haut und Haar schlucken und uns gleichschalten, um dann FPÖ-Berichterstattung zu bekommen. Das empört uns.
Im Video sagt Strache, dass die FPÖ mit einer Übernahme der «Krone» 34 statt 27 Prozent machen würde. Ist das realistisch?
Das ist Unsinn. Strache glaubt, er könne mit der Auswechslung von ein paar Köpfen die Kronen-Zeitung zu einem FPÖ-Blatt machen. Damit verunglimpft er unsere Leser. Wenn man unsere Leser für so naiv hält, dass man durch einen Kurswechsel in der Berichterstattung sieben Prozent mehr Stimmen erhält, ist das eine Beleidigung.
In der Vergangenheit hat die «Krone» aber immer wieder Persönlichkeiten publizistisch unterstützt, die dem damaligen Chefredakteur und Verleger Hans Dichand sympathisch waren. Zum Beispiel den einstigen Kanzler Werner Faymann.
Grundsätzlich sind wir objektiv und unabhängig. Wenn uns aber insgesamt der Kurs eines Politikers oder einer Partei besonders gut fürs Land erscheint, dann zeigen wir Haltung. Es kann dann schon spürbar sein, dass wir einen Politiker während einer Phase positiv begleiten. Aber das ist sehr wechselhaft. Das hat aber nichts mit dem «pushen» von Freunden zu tun.
Wer bestimmt, welcher Politiker gut für das Land ist?
Das wird in der Redaktion diskutiert. Wir haben täglich bis zu fünf Redaktionskonferenzen und weitere Besprechungen im kleineren oder grösseren Kreis. Sogar ehemalige Redakteure schalten sich in die Debatte ein. Es wird also nicht im stillen Kämmerlein entschieden.
Die Mythen, die sich um die «Krone» ranken, rühren auch daher, dass sie einen derart grossen Teil der Wähler erreichen. Wie gehen Sie mit dieser Macht um?
Einerseits verweise ich immer wieder auf die Prinzipien von unserem Gründer Hans Dichand. Er sprach vom «Vorhof der Macht». Wir wollen nicht mächtig spielen. Wir sitzen im Vorhof und müssen die Mächtigen kontrollieren. Wir müssen schauen, dass es dem Land und den Menschen gut geht. Wir sprechen auch nicht gerne von Macht, sondern von Kraft. Diese Kraft führt natürlich auch zu Begehrlichkeiten. Man will bei uns einsteigen, um mächtig zu sein. Es gab ja im Jahr 2017 als dieses Video entstand tatsächlich Gerüchte über den Verkauf von Anteilen an der «Krone».
Eine Möglichkeit Druck auf eine Zeitung auszuüben, sind Inserate. In Österreich ist der Anteil an staatlichen Inseraten relativ hoch. Wie stellen Sie da sicher, dass Sie unabhängig bleiben?
Das stimmt, die «Krone» hat einen hohen Anteil an den öffentlichen Inseraten, aber das stimmt auch für die Werbung von Privaten. Das liegt ganz einfach an unserer Grösse.
Gibt es nie Begehrlichkeiten für solche Inserate?
Natürlich gibt es die immer wieder. Denen muss man aber widerstehen. Und das können wir mit unserer Grösse und mit unserer Grundeinstellung und auch dank unseres Eigentümers.
Im aktuellen Fall wurden sie nun von einer politischen Partei zumindest hypothetisch angegriffen. Wie reagieren sie nun publizistisch auf diese Situation vor dem Hintergrund, dass Sie als Journalist ja neutral sein sollten.
Wir billigen uns zu, dass wir jetzt in einer emotionalen Aufwallung sind. Im Moment können wir nicht ausgesprochen objektiv über die Sache berichten, weil wir wirklich befangen sind. Wir könnten jetzt betont so tun als wären wir nicht betroffen, aber das würde uns ja auch niemand abkaufen. Deshalb nehmen wir für uns in Anspruch, dass wir momentan parteiisch über diese Partei schreiben, ohne aber über das Ziel hinaus zu schiessen.
Wie kann sich dieses Verhältnis wieder normalisieren?
Wir werden natürlich nun sehr genau hinschauen, wie die neuen Köpfe der FPÖ mit den Menschen in diesem Land umgehen. Und dann schauen wir zu welchem Verhältnis wir kommen.
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