International
Sport

Novak Djokovic will Serbien den Rücken kehren

Novak Djokovic during a practice session at the All England Lawn Tennis and Croquet Club, ahead of the Wimbledon Championships, England, Tuesday June 24, 2025. (Ben Whitley/PA via AP)
Britain Tennis W ...
Kehrt seiner Heimat wohl bald den Rücken: Novak Djokovic.Bild: keystone

Er ist serbischer Nationalheld – doch nun kehrt Djokovic seiner Heimat den Rücken

Er trifft sich mit Präsident Kyriakos Mitsotakis, besichtigt Häuser in Athen, verkauft seine Villa und investiert in Griechenland. Novak Djokovic entfremdet sich von Serbien. Was ist da los?
01.07.2025, 10:1801.07.2025, 10:38
Simon Häring / ch media
Mehr «International»

Seit Monaten vergeht kaum ein Tag, an dem in Serbien nicht Zehntausende auf die Strasse gehen. Mit Trillerpfeifen, Schlachtrufen und Plakaten protestieren sie gegen Korruption, Machtmissbrauch und den autoritären Regierungsstil von Aleksandar Vučić. Auslöser der Proteste war der Einsturz eines Vordachs beim Bahnhof in der Stadt Novi Sad, bei dem 15 Menschen ums Leben kamen.

Mitte März versammelten sich in der Hauptstadt Belgrad rund 300'000 Menschen, um ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen. Präsident Vucic geht mit Härte gegen die Bevölkerung vor, macht «die Kroaten» und Medien aus dem Kosovo für die Unruhen verantwortlich.

Djokovic solidarisiert sich mit Studenten

Mit Sorge verfolgt auch Novak Djokovic die Geschehnisse. Als er Mitte März in Belgrad ein Basketballspiel besuchte, trug er einen Hoodie mit der Aufschrift «Students are Champions». Djokovic solidarisierte sich mit den Studierenden, die die grössten Massenproteste in der Geschichte des Landes ausgelöst haben.

novak djokovic students are champions
Djokovic bei einem Besuch eines Basketballspiels in Belgrad.Bild: x

Dabei ist es gar nicht so lange her, seit sich Novak Djokovic von Serbiens Machthaber Aleksandar Vučić hat vereinnahmen lassen. Dafür wurde der erfolgreichste Spieler in der Geschichte des Männertennis als Verteidiger des Serbentums hochstilisiert.

djokovic
Novak Djokovics Botschaft nach seinem Sieg 2023 in Paris.Bild: x

Von Djokovic wird erwartet, dass er nicht nur auf dem Tennisplatz für seine Heimat kämpft, sondern auch gegen die Unabhängigkeit Kosovos. Wie vor zwei Jahren, als er bei den French Open auf Kyrillisch eine Botschaft auf die Kameralinse schrieb:

«Der Kosovo ist das Herz Serbiens! Stoppt die Gewalt.»

Zuvor war es in mehreren Gemeinden im Kosovo zu Protesten ethnischer Serben gekommen. Soldaten der Nato-Mission KFOR hatten diese gewaltsam aufgelöst. Die serbische Minderheit des mehrheitlich ethnisch-albanischen Kosovos lebt vorwiegend im Norden des Landes, dort bilden hingegen die Serben die Mehrheit. Viele Serben erkennen den Kosovo und dessen Regierung nicht an und wollen zu Serbien gehören.

Djokovics Kindheit an der Grenze

Der Kosovo hatte sich 2008 von Serbien abgespalten, Serbien betrachtet diesen als serbische Provinz. Im Gegensatz zu den Vereinten Nationen anerkennt die Schweiz Kosovos Unabhängigkeit, wie die meisten europäischen Staaten.

Novak Djokovic begann in Kopaonik mit dem Tennis. Das Dorf liegt an der serbisch-kosovarischen Grenze. Während des Balkankrieges deckten die Nato-Truppen die Gegend drei Monate lang mit einem Bombenteppich zu.

The parents of Novak Djokovic of Serbia, father Srdjan and mother Dijana react during his post match speech following his win over Andrey Rublev of Russia at the Australian Open tennis championship in ...
Vater Srdjan kam im heutigen Kosovo zur Welt, Mutter Dijana wuchs als Tochter kroatischer Eltern in Belgrad auf.Bild: keystone

Als öffentliche Person fühle er sich dafür verantwortlich, Unterstützung zu zeigen, sagte Djokovic damals. «Speziell als Sohn eines im Kosovo geborenen Mannes.» Vater Srdjan kam in Zvecan, im heutigen Kosovo, zur Welt, stammt aber aus Montenegro. Mutter Dijana ist die Tochter kroatischer Eltern und wuchs in Belgrad auf.

Im Jahr 2008, nach seinem ersten Grand-Slam-Sieg bei den Australian Open, hatte der damals 20-Jährige eine Videobotschaft für eine Kundgebung in Belgrad aufgenommen, die unter dem Motto «Kosovo ist Serbien» stand.

Präsident Vucic zelebrierte Nähe

Damals sagte Djokovic:

«Wir wollen der Welt zeigen, dass wir bereit sind, zu verteidigen, was uns ist. Wir alle wissen, dass serbische Geschichte im Kosovo geschrieben wurde. Kosovo ist Serbien.»

Serbiens Politik dankte Djokovic' Voten wie dieses mit Ergebenheit. Wie 2022, als er aus Australien ausgeschafft wurde, weil er sich nicht gegen Covid-19 hatte impfen lassen wollen.

Djokovic als «Führer der freien Welt»

Global wurde Novak Djokovic damals als Impfskeptiker wahrgenommen, während Vater Srdjan eine Kundgebung organisierte und seinen Sohn als «Führer der freien Welt, der armen und unterdrückten Länder und Völker» bezeichnete und mit Jesus verglich.

Während eine Belgrader Zeitung den australischen Ministerpräsidenten als Henker bezeichnete, sprach Staatschef Aleksandar Vučić von einer Hexenjagd. Ganz Serbien stehe hinter Djokovic.

8,5-Millionen-Villa steht zum Verkauf

Nun aber scheint sich Djokovic immer mehr von seiner Heimat, oder vielmehr von deren Politik zu entfremden. Schon 2023 hat er das Novak Tennis Center in Belgrad an die Stadt zurückgegeben. Und seinen Wohnsitz hat er seit Jahren in Monte Carlo und in Marbella.

Das 8,5-Millionen-Anwesen in Spanien steht inzwischen zum Verkauf. Djokovic plant seine Zukunft nach der Karriere. Offenbar sieht er diese für sich, seine Frau und seine zwei Kinder nicht etwa in Serbien, sondern in Griechenland.

Treffen mit Griechenlands Präsident

Wie griechische Medien berichten, weilte Djokovic im Juni mehrere Tage im Land, besuchte Schulen und soll ein Luxusanwesen im Ort Marousi nördlich der Hauptstadt Athen besichtigt haben.

In Wimbledon bestätigte Djokovic zudem, dass er sich mit Griechenlands Premierminister Kyriakos Mitsosakis und dem Geschäftsmann Petros Stathis getroffen hat. Das Ergebnis: Ein «Golden Visa». Dieses erhalten Nicht-EU-Bürger für fünf Jahre, sofern sie für mindestens 250'000 Franken Investitionen im Land tätigen. In Djokovics Fall soll es um Beteiligungen an Sportanlagen gehen.

Athen statt Belgrad, Mitsotakis statt Vucic. Es scheint, dass Novak Djokovic Serbien in nicht allzu ferner Zukunft den Rücken kehrt. Und damit der berühmteste Sohn des Landes.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
44 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
En Espresso bitte
01.07.2025 10:32registriert Januar 2019
Klassiker. Berühmt und einflussreich genug, um politisch überall Feuer zu legen und wenn's dann wirklich brennt, sucht man sich im achso bösen Europa ein ruhiges Plätzchen mit erkaufter Vorzugsbehandlung.
17828
Melden
Zum Kommentar
avatar
Menü 1 mit Suppe
01.07.2025 10:31registriert April 2018
Man darf auch im Alter durchaus noch klüger werden.
12511
Melden
Zum Kommentar
avatar
Roomba Hafen
01.07.2025 11:27registriert August 2024
Ich mag den Typen nicht.. 😖
353
Melden
Zum Kommentar
44
Wahlschlappe für Japans liberale Regierungskoalition
In Japan hat die Regierungskoalition von Ministerpräsident Shigeru Ishiba bei der Oberhauswahl einen folgenschweren Rückschlag erlitten. Wie japanische Medien auf Basis von Wählerbefragungen nach Schliessung der Wahllokale berichteten, verloren Ishibas Liberaldemokratische Partei (LDP) und ihr Juniorpartner Komeito deutlich an Sitzen.
Zur Story