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Israel bestätigt: Hamas-Anführer Yahya Sinwar ist tot

epa11664916 (FILE) - The new leader of Hamas movement in Gaza Strip Yahya Sinwar attends the memorial service for Mazen Faqhaa, senior leader of Ezz-Al Din Al Qassam Brigades, the armed wing of the Pa ...
Hamas-Chef Yahya Sinwar wurde im Gazastreifen getötet.Bild: keystone

Israel bestätigt: Hamas-Anführer Yahya Sinwar ist (zufällig) tot

17.10.2024, 17:1817.10.2024, 21:12
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Der Anführer der islamistischen Hamas im Gazastreifen, Jihia al-Sinwar, ist nach Angaben der israelischen Regierung tot. «Der Massenmörder Jihia al-Sinwar, der für das Massaker und die Gräueltaten des 7. Oktober verantwortlich ist, ist von israelischen Soldaten getötet worden», erklärte Aussenminister Israel Katz nach Angaben seines Sprechers. Auch die Streitkräfte bestätigten den Tod Sinwars am Mittwoch im südlichen Gazastreifen. Die Hamas äusserte sich zunächst nicht.

Der Hamas-Chef wurde nach Medienberichten bei einem eher zufälligen Zusammenstoss mit israelischen Soldaten getötet. Die Streitkräfte seien am Mittwoch bei einem Einsatz in der Stadt Rafah im südlichen Gazastreifen unterwegs gewesen, berichteten verschiedene israelische Medien. Es sei zu einer Konfrontation mit Sinwar und zwei weiteren bewaffneten Palästinensern gekommen. Erst nach seiner Tötung sei den Soldaten die Ähnlichkeit mit dem Hamas-Chef aufgefallen. Die getöteten Männer hätten grosse Mengen an Bargeld und gefälschte Pässe bei sich gehabt. Sinwar habe eine Weste mit Handgranaten getragen.

Der drahtige, bärtige Mann galt als Planer und Drahtzieher des brutalen Überfalls auf Israel am 7. Oktober 2023. Terroristen der Hamas und anderer Organisationen im Gazastreifen hatten dabei mehr als 1.200 Menschen getötet und weitere 250 in den Gazastreifen verschleppt. Das schlimmste Massaker an Juden seit dem Holocaust hatte den Gaza-Krieg ausgelöst, der in weiterer Folge die jüngste Eskalation in Nahost nach sich zog - zuletzt den israelischen Militäreinsatz gegen die Hisbollah im Libanon.

«Dies ist eine grosse militärische und moralische Errungenschaft für Israel und ein Sieg für die ganze freie Welt gegenüber der Achse des Bösen des radikalen Islam, die vom Iran angeführt wird», sagte Katz weiter laut seines Sprechers. Die Tötung Sinwars schaffe die Möglichkeit, die Geiseln sofort zu befreien und im Gazastreifen «eine neue Realität» ohne Hamas und iranischen Einfluss zu schaffen.

Sinwar stand seit Beginn des Gaza-Kriegs ganz oben auf Israels Abschussliste. Vor ihm tötete Israel mehrere Spitzenvertreter der Hamas, unter ihnen Mohammed Deif, den Militärkommandeur der islamistischen Organisation. Israel zugeschrieben wird auch der Mordanschlag auf den politischen Führer der Hamas, Ismail Hanija, in Teheran. Sinwar, der bis dahin der Hamas-Chef im Gazastreifen gewesen war, übernahm daraufhin die gesamte Führung der Organisation.

Netanjahu: bessere Zukunft

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat die Tötung des Hamas-Chef Jihia al-Sinwar als wichtigen Meilenstein begrüsst. Netanjahu wertete Sinwars Tod als Zeichen für «den Niedergang der Herrschaft des Bösen von Hamas» im Gazastreifen.

Benjamin Netanjahu, Premierminister von Israel, w
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.Bild: sda

An die Einwohner des Küstenstreifens gewandt sagte Netanjahu in einer Videobotschaft: «Sinwar hat euer Leben zerstört. Er hat euch erzählt, er sei ein Löwe, aber in Wirklichkeit hat er sich in einer dunklen Höhle versteckt - und er wurde eliminiert, als er voller Angst vor unseren Soldaten weglief.»

Netanjahu bekräftigte, die islamistische Terrororganisation Hamas werde nicht mehr im Gazastreifen herrschen. «Dies ist der Beginn des Tags nach Hamas und eine Gelegenheit für euch, Einwohner des Gazastreifens, euch von ihrer Unterdrückungsherrschaft zu befreien.»

An die Geiselnehmer im Gazastreifen gewandt sagte der Regierungschef: «Wer seine Waffen niederlegt und die Geiseln zurückgibt - dem werden wir es ermöglichen, herauszukommen und zu überleben.» Gleichzeitig drohte er, man werde mit jedem «die Rechnung begleichen», der den Geiseln Schaden zufüge.

Was kommt nach Sinwar?

Nach dem Tod des Hamas-Führers stellt sich die Frage, ob damit die Hamas besiegt ist. Beobachter halten das nicht für wahrscheinlich. Sinwars Bruder Mohammed spielt eine wichtige Rolle in der Militärstruktur der Hamas. Ob er die Nachfolge Deifs übernommen hat, ist unklar. Er könnte in die Fussstapfen seines Bruders treten. Hinzu kommt, dass die Hamas unter dem Druck der mächtigen israelischen Invasion nicht mehr in klassische militärischen Formationen kämpft, sondern als Guerilla-Streitkraft, die in kleinen Zellen und dezentral operiert.

Weiterhin völlig ungewiss ist das Schicksal von rund 100 Geiseln, die sich immer noch in der Gewalt der Hamas befinden. Die Bemühungen um ihre Freilassung dürften sich noch schwieriger gestalten, solange nicht klar ist, wer die Entscheidungen an der Spitze der Hamas trifft. Ausserdem könnten ihre Entführer wegen der Tötung von Sinwar Rache an ihnen üben, wie etliche der Geiselangehörigen befürchten.

Aber selbst ein Kollaps der Hamas, die bis zum Kriegsausbruch den Gazastreifen mit eiserner Hand regiert hatte, würde nicht unbedingt klare Verhältnisse schaffen. Da Israel keine militärische Verwaltung des Küstengebiets anstrebt und auch sonst keine konkreten Vorstellungen für ein Gaza ohne Hamas zu haben scheint, droht ein gefährliches Machtvakuum. In diesem könnten sich Chaos und Anarchie ausbreiten.

Ein Leben im Zeichen extremer Gewalt

Der 61-jährige Sinwar gehörte zur Gründergeneration der Hamas. Die islamistische Organisation formierte sich während des ersten Palästinenseraufstands Intifada Ende der 1980er Jahre im Kampf gegen die israelische Besatzung. Nach Beginn des Friedensprozesses zwischen Israel und der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO verübte die Hamas über Jahre blutige Selbstmordanschläge in Israel, um diesen zu torpedieren. Sinwar war auch am Aufbau des militärischen Hamas-Arms, der Kassam-Brigaden, beteiligt.

Seit 2017 war Sinwar Hamas-Chef im Gazastreifen. Seitdem hatte er immer wieder versucht, die 2006 von Israel verschärfte Blockade des Gazastreifens zu beenden, die über die Jahre auch von Ägypten mitgetragen wurde. Dabei setzte er unter anderem auf gewaltsame Proteste am Trennzaun.

Geboren wurde er 1962 im Flüchtlingslager von Chan Junis im Süden des Gazastreifens. Seine Familie stammt aus der Gegend der Küstenstadt Aschkelon, heute auf israelischem Staatsgebiet. Sinwar war 1988 wegen Mordes an vier mutmasslichen Kollaborateuren und zwei israelischen Soldaten von Israel verurteilt worden. Wegen seiner Grausamkeit auch gegen die eigenen Leute war er auch als der «Schlächter von Chan Junis» bekannt. Er verbrachte mehr als zwei Jahrzehnte in israelischer Haft und lernte in der Zeit Hebräisch.

2011 kam Sinwar als einer von mehr als 1000 palästinensischen Häftlingen im Gegenzug für den israelischen Soldaten Gilad Schalit frei. Nach seiner Freilassung war Sinwar zunächst zuständig für die Verbindung zwischen militärischem und politischem Arm der Hamas. (sda/dpa)

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157 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Fettsack
17.10.2024 15:33registriert Oktober 2024
Nicht wirklich überraschend, es wird Zeit das die Hamas die restlichen Geiseln frei lässt, die IDF den Gazastreifen verlässt und die Menschen in Gaza durch internationale Hilfe auf die Beine kommen können. Ist zwar nur Wunschdenken, aber Träumen soll ja noch erlaubt sein.
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Jonas der doofe
17.10.2024 15:32registriert Juni 2020
Halbwertszeit von Terroristen wird immer wie kürzer....
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Raki
17.10.2024 15:23registriert Januar 2024
Das wären sehr gute Neuigkeiten. Ringers crossed.
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