Gezielte Tötung von Dschihad-Militärchefs und Raketenhagel auf Israel: Der Konflikt zwischen der israelischen Armee und Islamisten im Gazastreifen hat sich im Verlauf des Wochenendes zugespitzt. Bei Luftangriffen im Rahmen der Militäraktion «Morgengrauen» tötete die israelische Armee auch den südlichen Kommandeur der Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad (PIJ), wie das Militär am Sonntag mitteilte.
Erstmals in dieser Runde der Gewalt schossen militante Palästinenser Raketen auch auf Jerusalem. Am Sonntagabend um 23.30 Uhr Ortszeit (22.30 Uhr MESZ) trat schliesslich eine von Ägypten vermittelte Waffenruhe in Kraft.
Der Überblick:
Die israelische Armee griff in der Nacht zum Sonntag mehrere Ziele im Gazastreifen an. Seit Beginn der Angriffe am Freitag starben nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums bis Sonntagabend 44 Palästinenser. Mindestens 360 seien verletzt worden. Unter den Toten sind demnach neben weiteren PIJ-Mitgliedern 15 Kinder und vier Frauen.
Israel macht den Islamischen Dschihad jedoch für den Tod von fünf Kindern und einem Erwachsenen im Flüchtlingslager Dschabalia verantwortlich. Nach Angaben des Militärs wurden sie durch eine fehlgeleitete Dschihad-Rakete getötet. Dazu veröffentlichte die Armee am Sonntag Videoaufnahmen. Etwa 120 der seit Freitag abgefeuerten Raketen seien im Gazastreifen selbst eingeschlagen.
Zu Beginn der Militäroperation hatte Israel den Dschihad-Militärchef Taisir al-Dschabari und weitere PIJ-Mitglieder getötet. Nach israelischen Angaben plante der Dschihad eine Attacke mit Panzerabwehrraketen im Grenzgebiet zum Gazastreifen. Israel sperrte über mehrere Tage hinweg Gebiete am Rande des Küstenstreifens ab und erhöhte die Alarmbereitschaft. Der Eskalation vorangegangen war die Festnahme eines PIJ-Anführers im Westjordanland, Bassem Saadi, am Montag. Die eng mit Israels Erzfeind Iran verbundene Gruppe wird von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuft.
Am Sonntagmorgen berichtete die israelische Armee, sie habe einen weiteren Militärchef der militanten Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad im Gazastreifen gezielt getötet. Der südliche Kommandeur des Islamischen Dschihads, Chalid Mansur, sei bei einem Luftangriff in der Stadt Rafah ums Leben gekommen, teilte das Militär am Sonntagmorgen mit. Zwei weitere ranghohe Dschihad-Mitglieder seien dabei ebenfalls getötet worden, darunter Mansurs Stellvertreter.
«In den vergangenen Tagen hat Mansur an der Vorbereitung eines Angriffs auf Israel mit einer Panzerabwehrrakete sowie Raketen gearbeitet», hiess es in der Mitteilung. Er sei auch für Terroranschläge in der Vergangenheit verantwortlich gewesen.
Am Sonntag stiegen die Sorgen um eine mögliche Eskalation an. Erstmals seit Beginn der Operation wurden am jüdischen Fasten- und Trauertag Tischa BeAv auch Raketen auf Jerusalem abgefeuert. Religiöse Juden betrauern an dem Tag die Zerstörung der beiden antiken Tempel in Jerusalem.
Die Hamas hatte dazu aufgerufen, die Al-Aksa-Moschee auf dem Tempelberg «zu verteidigen und sich den israelischen Übergriffen auf die heilige Stätte entgegenzustellen». Der Tempelberg mit dem Felsendom und der Al-Aksa-Moschee ist die drittheiligste Stätte im Islam.
Israelische Kommentatoren hatten am Sonntag von einem ernsthaften Schlag gegen den Dschihad gesprochen, aber zu einer raschen Waffenruhe gemahnt. Ansonsten drohe «ein Überschwappen (des Konflikts) ins Westjordanland oder ein Aufstand israelischer Araber» oder ein Einstieg der im Gazastreifen herrschenden Hamas in den Schlagabtausch. Die Hamas hielt sich in dem Konflikt aber zurück. Sie verfügt nach israelischen Informationen über deutlich mehr und weiter reichende Raketen als der Dschihad, die zweitstärkste militärische Kraft im Gazastreifen.
Der israelische Regierungschef Jair Lapid hatte am Sonntag gesagt, die Operation werde «so lange weitergehen wie notwendig». Man bemühe sich, dass Unbeteiligte nicht zu Schaden kommen.
Israels ehemaliger nationaler Sicherheitsberater Jaakov Amidror sieht gegenwärtig kein echtes Interesse der Hamas, sich an dem Konflikt zu beteiligen. Anders als der Dschihad sehe sich die herrschende Kraft im Gazastreifen auch für das Wohl der Zivilbevölkerung zuständig, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Die Organisation verstehe, dass sie «einen hohen Preis bezahlen müsste», auch als Lehre aus dem Gaza-Konflikt im vergangenen Jahr. Die Hamas habe ein Interesse daran, dass täglich weiterhin rund 14'000 Gaza-Einwohner in Israel arbeiten könnten. Ausserdem sei angesichts von Treibstoffmangel die Stromversorgung in dem schmalen Küstenstreifen gefährdet. Sollte die Zahl ziviler Opfer steigen, werde aber auch der Druck auf die Hamas grösser werden, nicht untätig zuzusehen, meinte Amidror.
Am Sonntagabend verkündeten Israel und der Islamische Dschihad eine Waffenruhe. Beide Seiten dankten dem Nachbarland Ägypten für die Vermittlung im Konflikt. Der Dschihad poche allerdings auf sein Recht, «auf jede israelische Aggression zu reagieren», teilte die Palästinenserorganisation mit. Auch Israel betonte, man werde im Fall von Verstössen hart reagieren.
Eine hochrangige ägyptische Delegation war am Abend in Gaza eingetroffen, um über Details der Waffenruhe zu verhandeln. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Sicherheitskreisen. Es soll in der Einigung auch um die Freilassung zweier palästinensischer Häftlinge in Israel gehen, darunter Saadi. Israelische Medien berichteten dagegen, Israel habe für die Waffenruhe keine Bedingungen akzeptiert. Es solle lediglich das Prinzip «Ruhe im Gegenzug für Ruhe» herrschen.
Das israelische Militär hatte am Freitag die grossangelegte Militäraktion «Morgengrauen» gegen den Islamischen Dschihad gestartet. Dabei wurden der Militärchef Taisir al-Dschabari und weitere PIJ-Mitglieder getötet. Al-Dschabari war dem Militär zufolge verantwortlich für Raketenangriffe aus dem Küstenstreifen und geplante Angriffe auf Zivilisten.
Gezielte Tötungen sind umstritten, unter anderem die Vereinten Nationen bemängeln beispielsweise, dass damit Rechtsgrenzen verwischt würden. Sie sprechen zudem von einer Verletzung des Völkerrechts.
Nach Angaben aus palästinensischen Sicherheitskreisen wurden bei den Angriffen drei Wohnhäuser getroffen. Ein fünfstöckiges Wohnhaus westlich von Gaza-Stadt sei demnach zerstört worden. Anwohner berichteten, dass israelische Drohnen zuvor eine Warnrakete auf das Gebäude abfeuerten, bevor Kampfjets das Gebäude angriffen. Dem widerspricht das israelische Militär. Es teilte mit, dass bei der Militäroperation lediglich Waffenproduktionsstätten, Raketenabschussanlagen und Waffenlager zerstört wurden.
Die israelischen Luftangriffe im Gazastreifen sollen am Montag den UN-Sicherheitsrat in New York beschäftigen. Aus Diplomatenkreisen verlautete am Samstag, dass ein Treffen des mächtigsten Gremiums der Vereinten Nationen von den Vereinigten Arabischen Emiraten, Irland, Frankreich, Norwegen und China angefragt worden sei. Eine Uhrzeit stand zunächst noch nicht fest. Das Treffen soll hinter verschlossenen Türen stattfinden.
Der Eskalation vorangegangen war die Festnahme eines Anführers des Islamischen Dschihad im Westjordanland, Bassem Saadi, bei einem israelischen Anti-Terror-Einsatz am Montag.
Der Dschihad ist eng mit Israels Erzfeind Iran verbunden und verübt aus dem Gazastreifen regelmässig Raketenangriffe auf Israel. Das israelische Militär sperrte aus Angst vor Vergeltungsangriffen über mehrere Tage hinweg Gebiete am Rande des Küstenstreifens ab und erhöhte die Alarmbereitschaft.
2019 hatte Israel bereits den Vorgänger von Al-Dschabari, Dschihad-Militärchef Baha Abu al-Ata, gezielt getötet. Damals folgten massive Raketenangriffe aus dem Gazastreifen auf israelische Orte und Gegenangriffe der israelischen Luftwaffe in dem Küstenstreifen. Nach einigen Tagen konnte mit Hilfe von Unterhändlern Ägyptens und der Vereinten Nationen eine Waffenruhe vereinbart werden.
Der Islamische Dschihad wird von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuft.
(yam/sda/dpa)
Im politischen Islam gibt es keinen Platz für Juden und somit auch nicht für Israel.