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Hamas-Zustimmung zur Waffenruhe setzt Israel unter Zugzwang

Israeli soldiers stand on the top of a tank parked on an area near the Israeli-Gaza border, as seen from southern Israel, Monday, Aug. 18, 2025. (AP Photo/Maya Levin)
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Israelische Panzer nahe der Grenze zum Gaza-Streifen: Wie realistisch sind die Chancen auf einen Waffenstillstand?Bild: keystone

Mögliche Waffenruhe in Nahost: Hamas-Zustimmung setzt Israel unter Zugzwang

Regierungschef Netanyahu muss abwägen zwischen internationaler Kritik, dem Schicksal der Geiseln und den Forderungen seiner Hardliner.
20.08.2025, 12:13
Felix Wellisch aus Jerusalem / ch media
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Israels Regierung will bis Freitag auf einen Vorschlag für eine temporäre Waffenruhe reagieren, dem die Hamas am Montag zugestimmt hat. «Die Hamas steht unter extremem Druck», erklärte Regierungschef Benjamin Netanyahu am Montagabend, während israelische Panzer laut Medienberichten bereits in Vororte von Gaza-Stadt einrückten.

Eine klare Absage kam aus Jerusalem zunächst jedoch nicht. Der Vorschlag werde geprüft, hiess es in Berichten unter Berufung auf Regierungskreise. Die Zusage setzt die israelische Führung unter Druck, auch weil der Entwurf im Wesentlichen einem kürzlich von US-Unterhändler Steve Witkoff präsentierten Vorschlag entsprechen soll.

Die Hamas hatte am Montag erklärt, einem diplomatischen Vorstoss der Vermittler Ägypten und Katar zuzustimmen. Der Plan sieht eine 60-tägige Waffenruhe vor. In dieser Zeit sollen zehn noch in Gaza gefangene Geiseln im Austausch gegen 200 palästinensische Sicherheitsgefangene freigelassen werden. 20 von insgesamt rund 50 Geiseln sollen noch am Leben sein. Das Abkommen sieht auch die Übergabe von Leichen getöteter Geiseln vor. Zudem soll sich die israelische Armee teilweise aus dem Gaza-Streifen zurückziehen.

Damit macht die Hamas deutliche Zugeständnisse. Der Vorschlag soll laut einem Sprecher des katarischen Aussenministeriums «fast identisch» mit dem von Witkoff sein. So rückt die Hamas von ihrer Forderung nach einem endgültigen Ende des Krieges vorübergehend ebenso ab wie von dem vollständigen Rückzug der israelischen Armee aus Gaza. Deren Unterhändler hätten sich bei fast all ihren Positionen, über die im Juli verhandelt worden war, bewegt, zitiert die «New York Times» zwei israelische Vertreter.

Regierung erhöht den Druck

Netanyahu hatte Israels Position hingegen jüngst verschärft. Eine Waffenruhe müsse künftig alle Geiseln auf einmal zurückbringen, erklärte er vergangene Woche. Er steht jedoch international und im eigenen Land unter grossem Druck, die von seiner rechtsreligiösen Regierung vorangetriebene Eroberung weiterer Teile des Gaza-Streifens und die Zwangsumsiedlung von mehr als einer Million palästinensischer Bewohner noch abzusagen. Mehrere westliche Verbündete wollen einen palästinensischen Staat anerkennen. Am Montag verweigerte Australien einem israelischen Regierungspolitiker die Einreise. In der EU werden Sanktionen diskutiert.

epa12298664 Israeli Prime Minister Benjamin Netanyahu delivers a speech during the U.S. Independence Day reception hosted by Newsmax, at the Waldorf Astoria Hotel in Jerusalem, 13 August 2025. Newsmax ...
Israels Ministerpräsident erklärt, dass man bei einer Waffenruhe alle Geiseln auf einmal zurückbringen müsse.Bild: keystone

Sie kritisieren vor allem die katastrophalen humanitären Bedingungen für die rund zwei Millionen Menschen im Gaza-Streifen. Während Israel bereits rund 75 Prozent des Gebiets kontrolliert, drängt sich die Bevölkerung vor allem in Gaza-Stadt sowie einem Küstenstreifen im Zentrum zusammen. Trotz der zuletzt leicht gelockerten israelischen Blockade gelangen laut UNO weiterhin nicht ausreichend Hilfsgüter in das Gebiet, um «eine umfassende Hungersnot abzuwenden», sagte ein Sprecher des UNO-Menschenrechtsbüros in Genf. Zudem warnen auch israelische Sicherheitsexperten davor, dass eine Eskalation das Leben der Geiseln in Gefahr bringen könnte.

Auch aus diesem Grund befürwortet der Grossteil der israelischen Bevölkerung ein Ende des Krieges und eine Rückkehr der Geiseln. Am Sonntag kam es zu einer der grössten Demonstrationen seit dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023. Bis zu einer Million Menschen sollen sich nach Angaben des Forums der Geiselangehörigen an einem landesweiten Streik für ein Abkommen beteiligt haben.

Dennoch könnte Israels Regierung an ihren Kriegsplänen festhalten. An die Demonstranten hatte Netanyahu eine klare Botschaft: Ihre Aktionen würden «die Position der Hamas verhärten». Internationaler Druck liess Netanyahu in den vergangenen Monaten ebenso weitgehend kalt: Zum einen stellen sich die USA als wichtigste Verbündete hinter die Kriegspläne. «Wir werden die Rückkehr der verbleibenden Geiseln erst dann erleben, wenn die Hamas bekämpft und vernichtet wird», schrieb US-Präsident Donald Trump auf seiner Plattform Truth Social. Zum anderen dürften Sanktionen wie etwa die Einstellung wissenschaftlicher Förderprogramme seitens der EU vor allem die liberale Elite Israels und weniger Netanyahus Wählerschaft treffen.

Der Regierungschef sitzt weiterhin in der Zwickmühle: Seine rechtsextremen Koalitionspartner fordern die Besetzung und Annexion Gazas. «Netanyahu hat kein Mandat für einen Teildeal», sagte Israels Polizeiminister Itamar Ben-Gvir. Andererseits sehen Umfragen im Falle von Neuwahlen bereits seit dem 7. Oktober 2023 keine Mehrheit mehr für dessen Regierung. Daran haben auch vergangene Geiselbefreiungen nichts geändert. Viele Kritiker fürchten daher, dass Netanyahu auch diesmal den Krieg aus politischen Gründen fortsetzen wird. (aargauerzeitung.ch)

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49 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Fuchs76
20.08.2025 12:46registriert September 2021
Ich kann mich nur immer wieder wiederhplen. Netanjahu hat gar kein Interesse an einem Frieden. Enden die kriegerischen Auseinandersetzungen, endet die Regierung. Ist die Regierung am Ende, wird er sich der Jusziz stellen müssen. Er wird weiterhin mal an der einen Front, dann wieder an einer anderen, mehr oder weniger eskalieren, einfach aus reknem Machterhaltungstrieb. Wird es um die Hamas ruhiger, wird es Probleme mit der Hisbollah geben, oder er zündelt in Syrien.
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el-pollo-diablo
20.08.2025 13:04registriert Januar 2018
Die Regierung wird einen Grund finden, warum man dem Deal nicht zustimmen kann. Netanjahu und seine Verbrecherbande werden es sich nicht nehmen lassen, Gaza City zu besetzen und möglichst viele Kollateralschäden zu verursachen. Ich glaube, man kann es offen aussprechen: Das Ziel der Regierung (nicht des Volks) ist die komplette Vertreibung der Bewohner Gazas und des Westjordanlands. Dafür braucht es weiterhin Krieg, Hunger, Zerstörung. Ein Deal kommt da gar nicht gelegen.
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AdiB
20.08.2025 12:23registriert August 2014
"200 palästinensische Sicherheitsgefangene"
Können wir diese Gefangenen Menschen bitte auch Geiseln nennen? Denn wer ohne Gerichtsprozess in Gefangenschaft ist und Folter durchgeht, ist meines erachtens auch eine Geisel. Nur weil ein Staat diese Leute festhält und nicht eine Terforgruppe wie die Hamas, bedeudet nicht dass es keine Geiseln sind.
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