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Geiselrettung bei Rafah-Angriffen mit über 100 Toten

Geiselrettung bei Rafah-Angriffen mit über 100 Toten – die Nacht im Überblick

12.02.2024, 06:2413.02.2024, 15:09
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Zwei Geiseln gerettet

Israels Militär hat im Zuge massiver nächtlicher Angriffe im Raum Rafah im Süden des Gazastreifens nach eigenen Angaben zwei Geiseln gerettet.

Die beiden 60 und 70 Jahre alten Entführten seien während eines gemeinsamen Einsatzes des Militärs, des Sicherheitsdienstes und der israelischen Polizei in der Nacht in Rafah gerettet worden und bei gutem Gesundheitszustand, teilte das israelische Militär am frühen Montagmorgen mit.

Auch die beiden in der Nacht befreiten Geiseln seien bei dem Massaker der Hamas am 7. Oktober in das abgeriegelte Küstengebiet am Mittelmeer entführt worden, hiess es weiter. Sie seien nun zur medizinischen Untersuchung in ein Spital gebracht worden.

Derzeit befinden sich noch 136 Menschen in der Gewalt der Hamas, von denen aber nach israelischen Militärangaben mindestens rund 30 nicht mehr am Leben sein dürften. Die Zahl der Getöteten könnte nach Medienberichten aber inzwischen auch schon bei 50 liegen. Die Sicherheitskräfte würden weiterhin «mit allen Mitteln» versuchen, die Geiseln nach Hause zu bringen, teilte das israelische Militär am Montag mit.

Angriffe mit hunderten Verletzten auf Rafah

Kurz vor der Rettung der Geiseln hatte die Armee eine Serie von Angriffen in der Gegend von Schabura bei Rafah bekannt gegeben, wo derzeit Hunderttausende palästinensische Binnenflüchtlinge Schutz suchen. Bei den nächtlichen Angriffen wurden nach palästinensischen Angaben mehr als 100 Menschen getötet, darunter Kinder und Frauen.

Wie die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa am frühen Montagmorgen unter Berufung auf medizinisches Personal in Rafah meldete, seien bei den intensiven Angriffen in verschiedenen Teilen der Stadt Rafah Hunderte weitere Menschen verletzt worden. Bei der Angriffsserie sollen laut dem arabischen Fernsehsender Al-Dschasira mehrere Häuser und Moscheen im Visier des israelischen Militärs gestanden haben. Nach Angaben von Augenzeugen hatte das israelische Militär bereits zuvor schon mehrfach Ziele in der Stadt aus der Luft angegriffen. Israels Bodentruppen waren dort bislang aber nicht im Einsatz.

Die nächtliche Angriffsserie sei beendet worden, hiess es in der kurzen Mitteilung des israelischen Militärs auf Telegram. Einzelheiten wurden dazu nicht genannt.

Die Angaben beider Seiten konnten zunächst nicht unabhängig überprüft werden.

Netanjahu rechtfertigt Vorgehen der Armee

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte der Armee des Landes am Freitag den Befehl erteilt, eine Offensive auf Rafah vorzubereiten. «Es ist unmöglich, das Kriegsziel der Eliminierung der Hamas zu erreichen, wenn vier Hamas-Bataillone in Rafah verbleiben», liess er mitteilen. Die Armee soll deshalb die Evakuierung der Zivilisten in Rafah vorbereiten.

Aus seiner Sicht rechtfertigt die Zahl der im Gazastreifen verbleibenden Geiseln Israels massives militärisches Vorgehen. Auf die Frage, wie viele Geiseln nach seinem Kenntnisstand noch am Leben sind, antwortete Netanjahu am Sonntag in einem Interview mit dem US-Sender ABC News: «Ich denke genug, um unsere Anstrengungen zu rechtfertigen, die wir unternehmen.»

Viele Angehörige der Geiseln werfen Netanjahu vor, die von internationalen Vermittlern geführten Verhandlungen zu torpedieren, die zu einer Waffenruhe im Krieg mit der Hamas und zu einem Austausch der Geiseln gegen palästinensische Häftlinge führen sollen.

Biden fordert von Israel Plan zum Schutz der Menschen in Rafah

Vor einem Voranschreiten der geplanten Militäroffensive in Rafah im Gazastreifen forderte Biden von Israel ein überzeugendes Konzept für den Schutz der dortigen Zivilbevölkerung.

In einem Telefonat mit Netanjahu am Sonntag habe Biden bekräftigt, es brauche «einen glaubwürdigen und umsetzbaren Plan, um die Sicherheit der mehr als eine Million Menschen, die dort Zuflucht suchen, zu gewährleisten», teilte das Weisse Haus in Washington mit. Ausserdem habe der US-Präsident konkrete Schritte hin zu mehr humanitärer Hilfe verlangt.

Die US-Regierung habe gegenüber Israel zudem Bedenken mit Blick auf den am 10. März beginnenden muslimischen Fastenmonat Ramadan geäussert, berichtete die «New York Times». Ein Angriff auf Rafah während des Ramadan könne von Muslimen in der Region und darüber hinaus als besonders provokant empfunden werden, hiess es.

Plan für Rafah-Offensive braucht noch Zeit

Israel plant eine Militäroffensive auf Rafah, was international für deutliche Kritik sorgt. Die Planungen dauern einem Medienbericht zufolge noch an.

Sie werde «wahrscheinlich einige Zeit in Anspruch nehmen» und sei auch bislang Netanjahu nicht vorgelegt worden, zitierte die «New York Times» am Sonntag (Ortszeit) israelische Beamte und Analysten. Die Strategie sei «sehr komplex». Israels Vorhaben stösst international auf Kritik. Aussenministerin Annalena Baerbock (Grüne) warnte, dies wäre «eine humanitäre Katastrophe mit Ansage». Ägypten fürchtet, dass es zum Ansturm verzweifelter Palästinenser auf die ägyptische Halbinsel Sinai kommen könnte.

Avi Dichter von Netanjahus konservativer Likud-Partei habe vorgeschlagen, dass die Bewohner des von Israel abgeriegelten Gazastreifens in ein Gebiet westlich von Rafah entlang der Küste umgesiedelt werden könnten, berichtete die «New York Times» weiter. Yaakov Amidror, ein ehemaliger General und nationaler Sicherheitsberater, sehe auch noch andere Optionen, darunter einige Gebiete im Zentrum des Küstenstreifens, in die das Militär bislang nicht vorgestossen sei. Auch die nahe gelegene Stadt Chan Junis könne eine Option sein, sobald Israel den dortigen Militäreinsatz gegen die Hamas beendet habe, hiess es.

Was am Montag wichtig wird

Eine Delegation der CDU/CSU-Bundestagsfraktion unter Leitung von Unionsfraktions- und CDU-Chef Friedrich Merz besucht Israel. Merz wird begleitet von den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Johann Wadephul und Jens Spahn sowie von der stellvertretenden Vorsitzenden der Deutsch-israelischen Parlamentariergruppe, Gitta Connemann (alle CDU): Unter anderem sind Gespräche mit Netanyahu und Israels Präsidenten Herzog geplant. (yam/sda/dpa)

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15 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Kruk
12.02.2024 07:12registriert Januar 2024
Netanjahu geht es definitiv nicht um die Geiseln, da haben die Angehörigen recht.
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Experten warnen vor Entscheidungskampf um Darfur

Experten der US-Universität Yale sehen nach der Auswertung von Satellitenaufnahmen und anderen Daten deutliche Hinweise auf einen bevorstehenden Entscheidungskampf über El Fasher, die Hauptstadt der sudanesischen Region Nord Darfur. El Fasher ist die letzte Stadt, die in dem seit mehr als einem Jahr andauernden blutigem Machtkampf im Sudan noch unter Kontrolle der Regierungstruppen SAF steht. In der Stadt lebten 800'000 Zivilisten, unter ihnen 700'000 Binnenvertriebene, die Zuflucht vor den Kämpfen gesucht haben, sagte Nathaniel Raymond, Leiter des Humanitarian Research Lab, am späten Donnerstagabend.

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