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Schweizer Unternehmer Schmidheiny in Italien zu 12 Jahren Haft verurteilt

Schweizer Unternehmer Schmidheiny in Italien zu 12 Jahren Haft verurteilt

Stephan Schmidheiny ist vom Schwurgericht Novara in Norditalien zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden wegen schwerer fahrlässiger Tötung von 147 Menschen.
08.06.2023, 05:37
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Diese waren in Casale Monferrato und Umgebung an den Folgen von Asbest gestorben. Die Familie Schmidheiny war von 1976 bis 1986 Grossaktionärin des Eternit-Werks in Casale in der Region Piemont. Die Verteidigung kündigte Berufung an.

ARCHIV --- Portrait des Schweizer Industriellen Stephan Schmidheiny, aufgenommen im Maerz 1997. Stephan Schmidheiny droht in Italien ein weiterer Asbest-Prozess. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Schwe ...
Stephan Schmidheiny wurde verurteilt.Bild: KEYSTONE

Stephan Schmidheiny war im Eternit-bis-Prozess in Novara der vorsätzlichen Tötung von 392 Personen angeklagt. Die Staatsanwaltschaft hatte lebenslange Haft gefordert, die Verteidigung Freispruch.

Für den Schweizer Unternehmer verhängte das Gericht ausserdem ein fünfjähriges Verbot öffentlicher Ämter und setzte eine vorläufige Summe von über 80 Millionen Euro fest, davon allein 50 Millionen Euro für die Gemeinde Casale Monferrato.

Kritik kam umgehend von Schmidheinys Sprecherin Lisa Meyerhans. Das Gericht in Novara habe «in seinem Urteil die klaren Beweise für die Unschuld von Stephan Schmidheiny nicht in vollem Umfang» gewürdigt, hiess es in einer Stellungnahme gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA vom Mittwochabend.

Das Gericht habe einen Vorsatz klar ausgeschlossen, weshalb «zahlreiche der angeblichen Taten» verjährt seien. Allerdings sei das Urteil «klar widerrechtlich», da Stephan Schmidheiny auch kein fahrlässiges Handeln zur Last gelegt werden könne, hiess es weiter von dessen Sprecherin.

Die von Schmidheiny geleitete Gruppe Eternit SEG war von 1973 bis zur Pleite 1986 Grossaktionärin der Eternit Italia S.pA. Stephan Schmidheiny, der 1976 als 28-Jähriger die Führung der Eternit SEG übernahm, ist der jüngere Bruder von Thomas Schmidheiny, des Grossaktionärs des Schweizer Zementherstellers Lafarge-Holcim.

Die Anwälte von Stephan Schmidheiny haben stets argumentiert, dass ihr Mandant keine direkte Verantwortung für die Leitung des Unternehmens getragen habe. Dennoch sehe er sich in Italien seit rund 20 Jahren «mit absurden strafrechtlichen Vorwürfen konfrontiert», schrieb Schmidheiny-Sprecherin Meyerhans.

Dass Asbest gefährlich für die Gesundheit ist, war schon länger kein Geheimnis. Bereits in den 1930er Jahren war die Asbestose oder Asbest-Staublunge bekannt geworden. Wer Asbestfasern einatmet, muss zudem Lungenkrebs und Mesotheliom – ein Krebs des Brust- und Bauchfells – fürchten. Dies bewies ein Wissenschaftler Anfang der 1960er Jahre. Seither starben zehntausende Menschen an diesen Krankheiten. (sda/adnkronos)

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14 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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08.06.2023 07:39registriert März 2014
Asbest wurde in Italien 1992 verboten, Schmidheiny war aber von 1976-1986 Aktionär in Casale, die dortige Produktion war gem. Ital. Recht legal. Die Sache ist also kompliziert; man weiss seit 1900 um gesundheitliche Folgen des Einatmens loser Asbestfasern. Festasbest blieb deshalb vielerorts legal (und ist es heute noch, zB Kanada, mit Auflagen), obwohl andere Formen verboten waren. Kann mir darum gut vorstellen, dass die Berufung Erfolg hat. Italienisch Justiz versucht seit 30 Jahren erfolglos, Schmidheiny zu verurteilen.
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Charresack Söckli
08.06.2023 09:05registriert Januar 2022
Scheinheilg und verlogen. Schmidheiny wusste schon in den sechziger Jahren, wie gefährlich Asbest ist. Aber Profit war wichtiger. Pecunia non olet.
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Kronrod
08.06.2023 09:25registriert März 2015
Das ironische ist, dass nun ausgerechnet derjenige verurteilt wurde, unter dessen Obhut das Werk nach Generationen endlich vom weg kam.

Stephan Schmidheiny hatte sich schon früh dafür eingesetzt, das Asbest durch neuere Materialen abzulösen. Vor Gericht schadet diese Tatsache aber mehr als es nützt, weil die Anklage dann gleich sagt: "Aha, er wusste also, dass es gefährlich war, und ist verantwortlich, weil er das Werk nicht von einem Tag auf den anderen stillgelegt hat."
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