Catherine Deneuve und 100 weitere Französinnen haben ein Pamphlet geschrieben, das auf dem Recht der Männer (und Frauen) beharrt, sich gegenseitig anmachen und dabei auch schon mal ein bisschen zulangen zu dürfen. Und das von den Frauen fordert, sich nicht immer als Opfer zu sehen.
Das Pamphlet ist auf typisch französische Art nicht sonderlich genau in der Wortwahl und tendiert zur Frivolisierung der Debatte, aber hey, so wie auch kein Gesicht symmetrisch ist, hat auch keine Geschichte zwei gleiche Seiten.
Meine erste Reaktion: Endlich wird das Ganze mal ein bisschen entspannter angegangen! Und bestimmt ist Frau Deneuve so entspannt, weil sie aus einer enorm souveränen Position spricht und sich nicht wie ein Hollywood-Fabrik-Batteriehuhn fühlt, das mit vorgehaltenem Penis bedroht wird. Schliesslich, so dachte ich, sind wir in Europa, und da zeigt sich wahre Gleichberechtigung, denn da verdient sie doch als französischer Superstar sicher gleich viel wenn nicht mehr als ihre männlichen Pendants! Supercooles Frankreich.
Und ganz ehrlich: Hat sie nicht ein bisschen recht? Knutschen und betatschen wir denn nicht alle irgendwann im Leben irgendwen im Überschwang der Hormone? Und wenn dieser jemand uns NICHT über- oder untergeordnet ist, ist es dann auch weinstein-schweinisch oder eher deneuve-flirty? Ich finde ja, langsam ist die Paranoia der Männer ansteckend.
Aber gehen wir doch zurück zur Idee der europäischen Gleichberechtigung und betrachten wir die letzten 15 (bekannten) Honorare von Catherine Deneuve und Gérard Depardieu. Zwei aus Frankreich, zwei auf einer Stufe, möchte man meinen.
Es ergibt sich für Deneuve ein Gesamteinkommen von 7'756'000 Euro mit einem durchschnittlichen Filmhonorar von 517'000 Euro. Für Depardieu sind es 14'672'462 Euro gesamt und 978'000 Euro im Schnitt pro Film. Das steht in einem Verhältnis von 1:1,9 oder aufgerundet 1:2.
Dumme Zahlen. Sie sagen klarer als jede Interpretation eines Blickes, eines Wortes oder einer Berührung, wo am Ende die Überlegenheit der einen über die andern hockt. Da geht es auch nicht mehr um Symbolpolitik (wohlmeinende Herren, die sich in schwarzen Anzügen an den Golden Globes scheinbar mit den Frauen solidarisieren, sie dann aber trotzdem nicht ans Mikrophon lassen). Da geht es um harte Fakten, die für die Französin ähnlich gelten wie für die Amerikanerin.
In Amerika geschieht nämlich gerade dies: Michelle Williams kriegt 1000 Dollar, Mark Wahlberg 1,5 Millionen. Ein Verhältnis von 1:1500. Für den gleichen Film. Nein, für den Nachdreh des gleichen Films. Er hat drei tragende Rollen, gespielt von Michelle Williams, Mark Wahlberg und – ursprünglich – Kevin Spacey. Ihr wisst schon, «All the Money in the World» von Regisseur Ridley Scott.
Spacey wird rausgeschmissen, weil er mutmasslich Jungs belästigt hat, und durch Christopher Plummer ersetzt. Der Nachdreh kostet gegen 10 Millionen Dollar. Geschätzte 300'000 Dollar gehen dabei an Plummer, 1,5 zusätzliche Honorar-Millionen an Wahlberg.
Williams und Wahlberg werden von der gleichen Agentur vertreten. Doch als Ridley Scott die beiden unabhängig voneinander um zusätzliche Zeit bittet, sagt die supersozial eingestellte (weil Frau?) Michelle Williams: «Klar, gute Sache, ich geb' mein Honorar dran.» Das ist nett, aber natürlich naiv.
Wahlberg denkt nicht an Wohltätigkeitsarbeit und lässt seine Agentur hart verhandeln. Ridley Scott informiert Williams nicht über Wahlbergs Forderung, sie erhält ein Minimalhonorar von 80 Dollar pro Tag. Wahlberg gilt in Hollywood als Geldmaschine. Was er als Produzent macht, etwa die Serie «Entourage», verkauft sich gut und sein Gesicht schadet auch nicht.
Williams war zwar schon für zwei Oscars mehr nominiert als Wahlberg, nämlich für ganze vier, gilt aber eher im Arthouse-Bereich als Publikumsmagnet. Trotzdem ist sie in «All the Money in the World» das drittwichtigste Gesicht auf der Leinwand. Das sollte honoriert werden. Und Ridley Scott hätte seine Hauptdarstellerin ehrlicherweise auf den krassen Lohnunterschied aufmerksam machen sollen. Hat er aber nicht. Weshalb der «Gender Pay Gap» in «All the Money in the World» jetzt zur Sauerei erklärt und zum Fall für die Gewerkschaft geworden ist.
Nur so als Beispiel.
Vielleicht braucht #MeToo einen Strategiewechsel. Vielleicht sollte sich die Bewegung nicht mehr (nur) die sexuelle Fehlbarkeit der Männer, sondern das Kapital vornehmen. All the money in the world. Rechnen als Rache. Jetzt, wo Kevin Spacey alias Frank Underwood auch aus «House of Cards» spediert worden ist, sollten wir alle ein bisschen mehr Claire Underwood werden. Denn es ist nun einmal so: Geld verleiht Respekt. Geld macht mächtig. Und nichts macht so selbstbewusst wie die Macht.