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Nato-Staaten einigen sich auf neues Ziel für Verteidigungsausgaben

Nato-Staaten einigen sich auf neues Ziel für Verteidigungsausgaben

07.07.2023, 19:57
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Die Nato-Staaten haben sich angesichts der Bedrohungen durch Russland auf eine Verschärfung des gemeinsamen Ziels für die nationalen Verteidigungsausgaben verständigt. Die 31 Bündnismitglieder wollen künftig mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung ausgeben. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Freitag aus Bündniskreisen nach Abschluss eines schriftlichen Beschlussverfahrens in Vorbereitung auf den Nato-Gipfel kommende Woche.

Das bisherige Ziel sah lediglich vor, dass sich alle Bündnisstaaten bis 2024 dem Richtwert annähern, mindestens zwei Prozent ihres BIP für Verteidigung auszugeben. Es war 2014 bei einem Gipfeltreffen in Wales verabschiedet worden.

Für Deutschland und knapp 20 andere Nato-Staaten bedeutet das neue Ziel, dass sie ihre Verteidigungsausgaben in den kommenden Jahren erheblich erhöhen müssen. Die Bundesrepublik steigerte ihre für die Nato relevanten Ausgaben zuletzt zwar um zehn Prozent auf rund 64 Milliarden Euro (ca. 62 Mrd. Franken). Die Zielmarke des Bündnisses wird bislang allerdings dennoch weit verfehlt. So schätzt die Nato nach aktuellen Vergleichszahlen, dass Deutschland in diesem Jahr auf eine Quote von 1,57 Prozent kommen wird.

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Die Nato bleibt eine wichtige Partnerin der Ukraine.Bild: keystone

Mit Hilfe eines im Vorjahr beschlossenen Sondervermögens für Verteidigung in Höhe von 100 Milliarden Euro soll die Zwei-Prozent-Quote nun 2024 erreicht werden. Unklar ist allerdings, wie es weitergehen soll, wenn das Sondervermögen aufgebraucht ist. Nach einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) könnte der Anteil am BIP bereits 2026 wieder auf unter zwei Prozent zurückfallen.

Spitzenreiter im Verhältnis von Wirtschaftskraft und Verteidigungsausgaben waren innerhalb der Nato zuletzt die USA. Sie kommen nach am Freitag veröffentlichten Schätzungen derzeit auf eine Quote von 3,49 Prozent. Mit 860 Milliarden US-Dollar (764 Mrd. Franken) plante Washington zuletzt mehr als doppelt so viel Geld für Verteidigung ein wie alle anderen Bündnisstaaten zusammen.

Neben den USA werden 2023 nach den jüngsten Nato-Schätzungen nur Grossbritannien, Finnland, Griechenland, Ungarn, Polen, Litauen, Estland, Lettland, Rumänien und die Slowakei das Zwei-Prozent-Ziel erreichen.

Die Bundesregierung hatte sich in der Diskussion um das neue Ziel lang darum bemüht, die Vorgaben so vage wie möglich zu halten. Dabei wurde argumentiert, dass die BIP-Quote nur wenig über die Leistungsfähigkeit von Streitkräften aussage und Nato-Ziele etwa für militärische Fähigkeiten und ihre Einhaltung deutlich wichtiger und aussagekräftiger seien. Als ein Beleg dafür wird genannt, dass die Quote nicht fällt, wenn ein Land bei einem Rückgang der Wirtschaftsleistung seine Verteidigungsausgaben entsprechend kürzt.

Zuletzt stimmte die Bundesregierung dann aber zumindest zu, die zwei Prozent als Minimum-Ziel festzulegen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betonte zuletzt auch öffentlich immer wieder, dass Deutschland seine Verteidigungsausgaben dauerhaft auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts anheben werde. Vor allem die baltischen Länder und Polen hatten sich in der Diskussion über das neue Ziel für eine deutlich anspruchsvollere Selbstverpflichtung ausgesprochen. So forderte der der estnische Minister Hanno Pevkur zuletzt eine Zielvorgabe von 2,5 Prozent.

Besonders hart war der Streit über die Verteidigungsausgaben in der Nato während der Amtszeit von US-Präsident Donald Trump geführt worden. Dieser hatte europäischen Alliierten wie Deutschland eine Trittbrettfahrer-Einstellung vorgeworfen und zeitweise sogar mit einem Austritt der USA aus dem Bündnis gedroht.

Das neue Zwei-Prozent-Ziel soll nun in die Erklärung des Nato-Gipfels aufgenommen werden, der am Dienstag in der litauischen Hauptstadt Vilnius beginnt. Bei dem Spitzentreffen wird es zudem auch um die Stärkung der Abschreckung gegen Russland und die weitere Unterstützung der Ukraine gehen. (rbu/sda/dpa)

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«Putin hat jetzt das gleiche Problem wie Hitler»
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Sie sagten in unserem letzten Gespräch, dass Russland den Krieg bis Ende Oktober 2023 strategisch verloren haben wird. Damals waren wir bei Kriegstag 603. Heute haben wir Kriegstag 800, bleiben Sie bei Ihrer Aussage?
Marcus Keupp: Zunächst gilt es, klarzumachen, was strategisch verloren heisst. Ich meine damit, dass die russische Produktions- bzw. Ersatzrate nicht mithalten kann mit der Abnutzungsrate. Wenn der Krieg so weitergeht, wird sich das russische Material so stark abnutzen, dass Russland sein Kriegsziel nicht erreichen kann: das Ende der Ukraine als eigenständiger Staat.

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