Beim ersten Stopp auf seiner Afrikareise in der Demokratischen Republik Kongo wurde Papst Franziskus euphorisch gefeiert. Am Freitag reist er weiter in den Südsudan – ein Land, in dem trotz eines Friedensabkommens zwischen den verfeindeten politischen Blöcken weiterhin Gewalt an der Tagesordnung ist. Mehr als zwei Millionen der insgesamt gut elf Millionen Südsudanesen sind vor der Gewalt geflüchtet.
Ähnlich wie im Kongo setzen auch die Menschen im Südsudan grosse Hoffnung in den Besuch des Kirchenoberhaupts. «Ich wünsche mir, dass dieser Besuch ein Wendepunkt für Frieden und Harmonie wird», sagte James Oyet Latansio, der Sekretär des Kirchenrates im Südsudan. Tausende Menschen sind bereits aus allen Teilen des Landes in der Hauptstadt Juba angekommen, um die Ankunft des Papstes um 15.00 Uhr Ortszeit (14.00 Uhr MEZ) mitzuerleben.
Die Hoffnung der Südsudanesen ist nicht unberechtigt, hatten sich doch die ehemaligen Kontrahenten, Südsudans Präsident Salva Kiir und dessen ehemaliger Vizepräsident Riek Machar, kurz nach einem Besuch im Vatikan 2019 zu einem Friedensabkommen durchgerungen. Nachdem das Land vor zwölf Jahren die Unabhängigkeit vom muslimisch dominierten Sudan errungen hatte, war es von 2013 bis 2018 in einem Bürgerkrieg versunken.
Papst Franziskus betete damals mit Kiir und Machar und flehte sie um ein Ende des Konflikts an. Dann kniete er sich plötzlich vor den beiden und anderen Gästen aus dem Südsudan nieder und küsste ihnen die Füsse. Seit 2020 ist Machar – sieben Jahre zuvor noch wegen eines Putschversuchs in Ungnade gefallen – wieder Vizepräsident des Südsudans.
Die Gewalt ist jedoch geblieben und der Südsudan noch immer ein Land im permanenten Krisenmodus. Dabei sichern seit der Gründung des Landes mehr als 13'000 Soldaten in einer UN-Blauhelmmission die Stabilität. Auch Deutschland beteiligt sich mit 50 Soldaten an dem Einsatz.
Doch auch einen Tag vor dem Papstbesuch am Donnerstag kamen mindestens 20 Menschen bei Auseinandersetzungen zwischen mehreren bewaffneten Gruppen im Süden des Landes ums Leben. Besonders schwer eskalierte die Gewalt in den vergangenen Monaten im Bundesstaat Jonglei und in der Gegend um Pibor im Osten des Landes. Ähnlich ist die Lage in den Regionen Warrap und Zentral-Äquatoria. Ethnische Spannungen und der Kampf um knappe Ressourcen entladen sich fast täglich in tödlichen Auseinandersetzungen. Die Zahl der Patienten, die mit Schussverletzungen behandelt werden mussten, ist nach Angaben des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK) zuletzt erneut in die Höhe geschossen.
«Die Auswirkungen der bewaffneten Konflikte und der Gewalt auf die Menschen im Südsudan ist verheerend», sagt Pierre Dorbes, der Leiter der IKRK-Delegation in Juba. Nach den neuen Auseinandersetzungen hat das Rote Kreuz seine Notfallhilfe aufgestockt, denn die Gewalt wird immer brutaler. «Immer häufiger müssen wir Verletzte aus den ländlichen Gebieten ausfliegen, weil es die einzige Möglichkeit ist, ihr Leben zu retten», so Dorbes.
Auch im Norden des Landes an der Grenze zum Sudan, von dem der Süden erst vor zwölf Jahren unabhängig wurde, kommt es immer wieder zu Spannungen. Dabei geht es nicht nur um Konflikte zwischen dem islamisch geprägten Norden und dem christlichen Süden, sondern auch um Ölvorkommen im Grenzgebiet.
Neben den alten Konflikten kämpft das Land längst auch mit einer neuen Bedrohung: dem Klimawandel. «Der Südsudan ist eines der ersten Musterbeispiele für die Auswirkungen des Klimawandels», sagt Ania Okinczyc, die Büroleiterin der Welthungerhilfe im Südsudan. Das Land erlebte 2022 das dritte Jahr in Folge mit schweren Überschwemmungen. «Allein im letzten Jahr war rund die Hälfte der Landesfläche vollkommen unter Wasser», so Okinczyc. Zwar habe die Trockenzeit begonnen und es gebe keinen neuen Regen mehr, doch das Wasser stehe weiterhin auf den Feldern und in den Dörfern. Laut Angaben der UN sind mindestens 900'000 Menschen von den Fluten betroffen.
Ein Ende des Leids der Menschen im Südsudan ist nicht in Sicht. Nach Schätzungen der Hilfsorganisation International Refugee Council (IRC) dürfte die Zahl der Menschen, die auf humanitäre Hilfe angewiesen sind, in diesem Jahr auf 9,4 Millionen Menschen steigen. Schon jetzt sind drei Viertel der Südsudanesen auf humanitäre Hilfe angewiesen. (aeg/sda/dpa)