Wird die Ukraine gerade zum Tummelplatz für Filmstars mit Geltungsdrang? Nach Sean Penn, der in der Ukraine einen Dokumentarfilm drehte und die erste Pressekonferenz von Wolodimir Selenski als Kriegspräsident besuchte, liess sich nun der vielleicht grösste weibliche Hollywood-Star in der Ukraine blicken.
Fotos zeigen Angelina Jolie («Lara Croft: Tomb Raider») in der westukrainischen Stadt Lwiw mit kriegsversehrten Kindern. Sie wurden nach Lwiw evakuiert, nachdem sie beim Raketenbeschuss des Bahnhofs im ostukrainischen Kramatorsk verletzt worden waren. Dort waren Anfang April mehrere Dutzend Reisende, die am Bahnhof warteten, getötet worden.
Die Fotos zeigen die 46-jährige Jolie, wie sie Kinder in den Arm nimmt und Selfies macht mit medizinischem Personal. Weiteres Bildmaterial zeigt Jolie zu Besuch in einem Lwiwer Café. Die Menschen hätten ihren Augen nicht getraut, sagte der Gouverneur der deutschen Presseagentur. «Für uns alle war der Besuch von Angelina Jolie unerwartet.»
Angelina Jolie ist seit vielen Jahren Sonderbotschafterin des UN-Flüchtlingswerks UNHCR. Eingesetzt wurde sie vom heutigen UNO-Generalsekretär und damaligen UN-Flüchtlingskommissar António Guterres. Jolies Engagement führte sie in zahlreiche Krisen- und Kriegsgebiete, etwa nach Sierra Leone, Tschad oder Libanon. Ihre jüngste Reise ins ukrainische Lwiw war offenbar keine offizieller Mission.
Sind solche Besuche sinnvoll und richtig? Darüber lässt sich streiten. Hilfswerke wie die UNO setzen vor allem dann auf solche PR, wenn das allgemeine Interesse am Kriegsgeschehen nachlässt. Wenn die Menschen sich von den Nachrichten abkehren und über die Schlagzeilen, mögen noch so grauenvolle Entwicklungen dahinter stecken, schulterzuckend oder desinteressiert hinwegsehen, dann sollen Berühmtheiten für mehr Aufmerksamkeit sorgen.
Jolies Besuch in der Ukraine aber ist mehr als das. In Erinnerung dürfte vor allem ein Video bleiben, das sie zeigt, als sie während des Sirenenalarms in einen Luftschutzraum eilt. «Dieses Video ist wichtig um zu verstehen, was Ukrainerinnen und Ukrainer jeden Tag durchmachen», schreibt die weissrussische Journalistin Hanna Liubakova über ihren Tweet.
In den Aufnahmen hört man den Sirenenalarm, der vor Raketenangriffen warnt. Begleitet von Securitys, einer Assistentin und Journalisten begibt sich Angelina Jolie offenbar an einen sicheren Ort. Zwischendurch rennt die Hollywood-Schauspielerin. Die Szenen wirken weder panisch noch inszeniert.
Aber als Zuschauer gehen sie einem unter die Haut. Das Sirenengeheul klingt ähnlich wie die Testsirenen in der Schweiz, doch das Wissen um den Ernstfall, der hinter dem Sirenenalarm steht, lässt einen den Atem stocken. Für die Menschen in manchen Städten der Ukraine ist er zum Alltag geworden. Und Angelina Jolie macht uns das mit ihrem Kurztrip ins Kriegsland klar. (bzbasel.ch)