Sieben und zehn Jahre alt sind die Töchter des 47-jährigen Daniel G. (alle Namen geändert). Seit fast zwei Jahren haben sie ihre Grossmutter nicht mehr gesehen. Der Grund dafür: G.s Schwiegermutter Irina B. (59) ist Russin und lebt in Moskau. Und hat seit März 2020 keine legale Möglichkeit, in die Schweiz einzureisen, um ihre beiden Enkelinnen, ihre Tochter Elena G. (43) und ihren Schwiegersohn in Zürich zu besuchen.
Damals, auf dem Höhepunkt der ersten Welle des Coronavirus, schloss der Bundesrat mit Ausnahme des Warentransports die Landesgrenzen weitgehend. Nur in Ausnahmefällen waren Einreisen möglich, wie beispielsweise für Diplomaten, für Grenzgänger oder für Patienten, die für eine dringende medizinische Behandlung in die Schweiz einreisen mussten.
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Dieser weitreichende Einreisestopp ist seither mehrfach gelockert worden. Im Einklang mit der EU wurden zunächst Einreisen für Erwerbstätigkeit, Aus- und Weiterbildungen oder den Familiennachzug erneut ermöglicht. Später erlaubte der Bundesrat auch Reisen mit touristischem oder privatem Zweck wieder.
Mit dem jüngsten Lockerungsschritt von Ende Juni hob die Landesregierung die Quarantänepflicht für Einreisende aus dem Schengenraum grundsätzlich auf und lockerte «die noch bestehenden Einreisebeschränkungen für nachweislich geimpfte Drittstaatsangehörige», wie der Bundesrat in seiner Medienmitteilung schrieb.
Daniel G.s Schwiegermutter ist gegen das Coronavirus geimpft. Sie hat unterdessen sogar bereits zwei Auffrischungsimpfungen erhalten. Das Problem: Sie erhielt den russischen Impfstoff Sputnik. Eine Impfung mit diesem Vakzin reicht nicht aus, um aus Sicht der Schweizer Behörden als «nachweislich geimpft» zu gelten. Denn Sputnik ist weder von der Schweizer Heilmittelbehörde Swissmedic, noch deren EU-Pendant EMA noch von der Weltgesundheitsorganisation WHO entsprechend anerkannt worden.
Der russische Präsident Wladimir Putin rührte zwar im Juni beim Treffen mit Bundespräsident Guy Parmelin in Genf die Werbetrommel für Sputnik. Zuständig für die Zulassung des Impfstoffs ist aber die Heilmittelbehörde Swissmedic. Bei dieser hat der russische Hersteller bis jetzt kein Zulassungsgesuch eingereicht.
Daniel G. kann aus einer epidemiologischen Betrachtungsweise zwar der Logik etwas abgewinnen, dass die Schweiz nur hierzulande zugelassene Impfungen als wirksam anschaut. Aber er fragt sich: «Wie kann es gleichzeitig sein, dass mit Sputnik geimpfte Slowaken sogar ohne Test geschweige denn Quarantäne einreisen können?» Diese Regelung ergebe keinen Sinn. «Das Virus interessiert es nicht, ob jemand aus dem Schengenraum oder aus einem Drittstaat kommt.»
Zusätzlich irritiert ihn, dass für Einreisen von russischen Staatsbürgern aus beruflichen Gründen Ausnahmebewilligungen erteilt würden. Für den Besuch von Enkelkindern hingegen braucht es einen «wichtigen familiären Grund», wie es in einer Weisung des Bundes heisst, also zum Beispiel Geburt, Hochzeit oder eine schwere Erkrankung.
Der Wunsch der Schwiegermutter, ihre Tochter und Enkelkinder zu sehen, genügt nicht. «Diese Gewichtung stört mich», sagt Daniel G. Immerhin sei seine aus Russland stammende Frau seit vielen Jahren Schweizer Bürgerin und die gemeinsamen Kinder ebenso. Selbstverständlich wäre seine Schwiegermutter bereit, sich vor und nach der Einreise in die Schweiz testen zu lassen, versichert Daniel G. Die lange Trennung von ihrer Grossmutter sei vor allem für seine beiden Töchter schmerzhaft:
Eine gemeinsame Reise nach Russland ist für Familie G. wegen Problemen mit der russischen Einreisebürokratie derzeit nicht möglich. Nun überlegt sich die Familie, sich im Herbst in einem anderen Land mit der Grossmutter zu treffen, das Einreisen für russische Staatsbürger zulässt. Etwa Griechenland oder die Türkei: «Aber dass wir zu diesem Schritt gezwungen werden, kann ja nicht wirklich im Interesse des Bundesrats sein.» Aus epidemiologischer Sicht sei ein solches Unterfangen sicher risikoreicher als ein Besuch der geimpften und negativ getesteten Schwiegermutter bei Familie G.
Ein Treffen in einem Drittstaat erwägt nicht nur die Familie G, sondern ist eine Option, die bereits viele Betroffene umsetzen. Recherchen unserer Redaktion zeigen: Viele Schweizer und Schweizerinnen, die Bekannte oder Partner und Partnerinnen aus Drittstaaten wegen der geltenden Einschränkungen nicht in der Schweiz empfangen dürfen, weichen für Treffen von Angesicht zu Angesicht auf die Vereinigten Arabischen Emirate oder die Malediven aus. Eine Schweizer Botschaft im Ausland schlägt den Betroffenen sogar explizit diese Variante vor.
Fest steht: Wer die coronabedingten Voraussetzungen für eine Einreise nicht erfüllt, wird wieder zurückgeschickt. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres wurde an Schweizer Flughäfen rund 700 Personen die Einreise verweigert, weil sie eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellten. Dies teilte das Staatssekretariat für Migration auf Anfrage mit. (bzbasel.ch)
Wenn es wirklich so schlimm ist, soll die Familie halt nach Russland, oder ist da Pfizer/Moderna auch nicht zugelassen?