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Sex-Gesetz: Schweden verurteilt Mann wegen «unachtsamer Vergewaltigung»

Ein Mann wurde in Schweden wegen fahrlässiger Vergewaltigung verurteilt.
Ein Mann wurde in Schweden wegen fahrlässiger Vergewaltigung verurteilt. bild: shutterstock

«Unachtsame Vergewaltigung»: Schweden verurteilt erstmals Mann nach neuem Sex-Gesetz

11.07.2019, 19:1011.07.2019, 19:11
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In Schweden hat das Oberste Gericht erstmals ein Urteil auf Grundlage des umstrittenen Einwilligungsgesetzes zur Zustimmung beim Sex gesprochen. Ein Jahr nach dem Inkrafttreten des Gesetzes wurde ein 27-jähriger Mann unter anderem wegen sogenannter unachtsamer Vergewaltigung zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt.

Das Gericht in Stockholm kam zu dem Schluss, dass eine Person, die gegen ihren Willen zu sexuellen Handlungen gebracht werde, nicht ausdrücklich Nein sagen oder anderweitig ihre Weigerung ausdrücken müsse.

Das neue Sex-Gesetz war am 1. Juli 2018 in Kraft getreten. Es legt fest, dass beide Partner ausdrücklich und klar erkennbar mit dem Geschlechtsverkehr einverstanden sein müssen. Alles andere wird als Vergewaltigung gewertet, auch wenn sich der Partner nicht körperlich wehrt oder Nein sagt. Passivität soll damit nicht als stilles Einverständnis interpretiert werden können.

«Oaktsam våldtäkt» bedeutet wörtlich übersetzt «unachtsame Vergewaltigung» und ist im Deutschen am ehesten mit dem Begriff «fahrlässig» zu vergleichen.

Die Vorinstanz hatte den Mann zunächst wegen Vergewaltigung zu drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Nach Angaben schwedischer Medien wurden wegen des neuen Strafbestandes der unachtsamen Vergewaltigung bislang sechs Personen von niedrigeren Instanzen verurteilt. Der Beschluss des Obersten Gerichts dürfte nun wegweisend für die Rechtsprechung anderer schwedischer Gerichte sein.

Finger in Unterleib eingeführt

Das Strafmass für unachtsame Vergewaltigung legte das Gericht auf acht Monate fest. Der Mann wurde darüber hinaus wie bereits von der Vorinstanz wegen Vergewaltigung einer Minderjährigen und sexueller Belästigung verurteilt.

In dem konkreten Fall übernachtete der Mann bei einer Frau, mit der er zuvor seit längerem über soziale Netzwerke Kontakt gehabt hatte. Die Frau hatte zugestimmt, dass er bei ihr über Nacht blieb, soll aber auch klargemacht haben, dass sie keinen Sex mit ihm wolle.

Dennoch führte er in der Nacht laut Gericht seine Finger in ihren Unterleib ein, die Frau nahm dies passiv hin und stimmte nicht ausdrücklich zu.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Mann sexuelle Handlungen durchgeführt habe, ohne dass die Frau freiwillig daran teilgenommen habe. Am Urteil ändere auch die Tatsache nichts, dass sich die beiden darüber einig gewesen seien, im selben Bett zu liegen und dass sie nur noch Unterwäsche angehabt hätten. Der Mann habe zwar nicht vorsätzlich, dafür aber grob fahrlässig gehandelt.

In Schweden wird seit der Einführung des Gesetzes diskutiert, was als verbale oder nonverbale Zustimmung gilt. Die schwedische Regierung hatte das neue Gesetz nach der #MeToo-Debatte 2017 vorangetrieben. (sda/dpa)

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140 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Reudiger
11.07.2019 19:25registriert März 2019
Ja, ab sofort sollte doch vor jedem einzelnen Sexakt ein schriftlicher Vertrag unterzeichnet werden. Unterschrift, Datum, Ort und vielleicht noch paar seiten AGB?
Wie lächerlich ist das denn eigentlich?
Allein schon der Begriff "fahrlässige Vergewaltigung" ist ein Widerspruch, vergleichbar mit "fahrlässigem Mord".

Die Vorgeschichte des Täters deutet jedoch auf einen eher weniger netten Kerl hin.
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Provinzprinz
11.07.2019 19:25registriert März 2019
Ich finde es ja gut, dass Vergewaltiger ihrer gerechten strafe zugeführt werden. Aber die Verhältnismässigkeit ist aus meiner Sicht, bzw. was ich diesem Bericht entnehmen konnte nicht gegeben. Menschen mit einer niedrigen Emotionalen Intelligenz können Passivität komplett falsch einschätzen, ich rede da leider aus eigener Erfahrung. Dafür über 2 Jahre zu kassieren, weil man Zeichen falsch deutet, bzw. Nicht vorhandene Zeichen auch nicht wahrnehmen kann finde ich extrem!
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geisit
11.07.2019 19:36registriert Februar 2016
Mich nimmt es Wunder, was passiert, wenn der Mann behauptet, die Frau habe das Okay gegeben, diese aber das Gegenteil behauptet. Es ist gut, dass wir sensibler mit dem Thema Vergewaltigung umgehen. Ich finde es aber bedenklich, dass man die Passivität als ein "Nein" definiert (Ausnahme ist natürlich, wenn ein "Nein" nicht ausgesprochen werden kann). Wäre es nicht sinnvoller gewewesen, wenn man das Gesetz so entworfen hätte, dass ein explizites "Nein" geäussert werden muss?
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