Beim Anschlag im Zentrum der türkischen Metropole Istanbul sind nach offiziellen Angaben mindestens sechs Menschen getötet und 81 weitere verletzt worden. Der türkische Vizepräsident Fuat Oktay sprach am Abend von einem «Terroranschlag» auf der belebten Einkaufsstrasse Istiklal.
Videoaufnahmen zeigten, wie eine Verdächtige etwa 40 Minuten lang auf einer Bank sitze und wenige Minuten vor der Explosion aufstehe, sagte Justizminister Bekir Bozdag. Die Identität der Frau war zunächst nicht geklärt. Stunden nach dem Anschlag meldete der türkische Innenminister Süleyman Soylu aber, dass die Person, die den Sprengsatz in der Einkaufsstrasse deponiert hatte, festgenommen wurde. Ob es sich um die besagte Frau handelt, ist nicht bestätigt.
Laut Soylu hat die festgenommene Person Verbindungen zur in der Türkei verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Der Innenminister kündigte gemäss dem staatsnahen TV-Sender TRT Vergeltung an.
Die PKK steht in der Türkei, Europa und den USA auf der Terrorliste und unterhält Stellungen in der Südosttürkei und im Nordirak. Ihr Hauptquartier liegt in den nordirakischen Kandil-Bergen. Ankara geht regelmässig gegen die PKK vor und unterhält seit 2016 auch Militärposten im Nordirak. Es gibt Zweifel an der Vereinbarkeit dieser Einsätze mit dem Völkerrecht.
Der seit 1984 andauernde Konflikt kostete bislang Zehntausenden Menschen das Leben. Ein Waffenstillstand war im Sommer 2015 gescheitert.
Die Explosion trug sich Präsident Recep Tayyip Erdogan zufolge um 16.20 Uhr Ortszeit zu. Er sprach von einem «hinterhältigen Anschlag» auf die Metropole, in der rund 16 Millionen Menschen leben. Mindestens vier Menschen kamen noch vor Ort ums Leben. Unter den Toten seien auch ein Ministeriumsmitarbeiter und seine Tochter, schrieb Familienministerin Derya Yanik am Abend auf Twitter.
39 der 81 Verletzten seien mittlerweile aus dem Krankenhaus entlassen worden, twitterte der türkische Gesundheitsminister Fahrettin Koca. Von den 42 Personen, die noch behandelt wurden, befanden sich demnach fünf auf der Intensivstation, zwei von ihnen galten als schwer verletzt.
Mes sincères condoléances à la Turquie et aux proches des victimes après l'attaque à la bombe survenue à #Istanbul. La Suisse exprime toute sa solidarité à la Turquie 🇹🇷🇨🇭.
— Ignazio Cassis (@ignaziocassis) November 13, 2022
Auf nicht verifizierten Aufnahmen, die über die sozialen Medien verbreitet wurden, war ein Feuerball inmitten der belebten Strasse zu sehen. Andere ebenfalls zunächst nicht verifizierte Bilder zeigten mit Blut überströmte Menschen, die reglos auf dem Boden lagen. Ein Kellner in einem Restaurant in der Nähe des Anschlagsorts berichtete, er habe einen lauten Knall gehört und Menschen wegrennen sehen.
#BREAKING: Moment of explosion in Taksim Sqaure, Istanbul. Possible bomb attack, bodies seen lying on the ground by eyewitnesses pic.twitter.com/ahrDcCvwXM
— ELINT News (@ELINTNews) November 13, 2022
Unter anderem drückte auch die deutsche Bundesaussenministerin Annalena Baerbock ihr Mitgefühl aus. «Furchtbare Bilder kommen aus Istanbul», erklärte die Grünen-Politikerin über Twitter. «Meine Gedanken sind bei den Menschen, die einfach nur an einem Sonntag auf der Einkaufsstrasse Istiklal flanieren wollten und nun Opfer einer schweren Explosion wurden.»
Die Einkaufsstrasse Istiklal ist ein touristischer Hotspot im Zentrum des europäischen Teils der türkischen Metropole, auf der auch am Sonntag häufig grosses Gedränge herrscht. Ob Ausländer unter den Opfern waren, war zunächst nicht bekannt.
Rettungskräfte und Polizei seien in grosser Zahl vor Ort im Einsatz, berichtete der staatliche Sender TRT. Hubschrauber überflogen den Stadtteil Beyoglu und angrenzende Bezirke am frühen Abend.
In türkischen Medien wurde die Berichterstattung zu dem Anschlag später eingestellt. Die Rundfunkbehörde Rtük verhängte eine vorläufige Nachrichtensperre für Medien. Berichte über die Explosion sollten vermieden werden, um nicht für Angst und Panik in der Bevölkerung zu sorgen, hiess es in dem Schreiben am Nachmittag. Die Sender CNN Türk und TRT etwa strahlten nur einzelne Interviews mit Ministern und dem Präsidenten aus. Die Behörde für Informationstechnologie und Kommunikation (BTK) reduzierte am Abend Berichten zufolge zudem die Bandbreite für Social-Media-Plattformen.
In der Türkei ist es in der Vergangenheit immer wieder zu Anschlägen gekommen – auch im Zentrum Istanbuls. 2016 hatte sich etwa ein Selbstmordattentäter auf der Istiklal in die Luft gesprengt und vier Menschen getötet, 39 weitere wurden verletzt. Nach Angaben der türkischen Regierung hatte der Attentäter damals Verbindungen zur Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Die Gruppe selbst bekannte sich damals nicht zu der Tat. Rund zwei Millionen Menschen laufen offiziellen Angaben täglich über die Istiklal.
Im selben Jahr waren bei einem Selbstmordattentat des IS im historischen Zentrum Istanbuls zwölf Deutsche getötet worden. (sda/dpa)
Sind schon fast russische Verhältnisse in der türkischen Medienlandschaft...