Haben Sie schon mal einen Witz nicht gleich verstanden?
Vielleicht sogar gestern Abend?
Vor Millionen von Fernsehzuschauern musste die 20-jährige Modedesignstudentin diese 50-Euro-Frage beantworten:
Ja?
Und? Hat die Presse über Sie berichtet. Ihren Namen genannt? Ihr Alter und was Sie studieren? Hat Ihr Foto gezeigt? Und irgendwie auch mit dem Finger auf Sie?
Am Montag hat eine junge Frau bei «Wer wird Millionär?» den Witz nicht gleich kapiert. Der ging so:
Eine «Frage», die eigentlich keine Frage ist - und die nur zu extrem später Stunde als Lacher auf Partys durchgehen würde. Trotzdem kennt heute jeder Internetbelesene das Gesicht der Frau. Und trotzdem zeigen heute viele Medien eklig altväterlich mit dem Finger auf sie. Hey, sie nimmt es immerhin locker. «Es war eine tolle Erfahrung» und so weiter darf sie ihren Auftritt noch kommentieren. Aber es bleibt dieser penälerhafte Beigeschmack von: Ha! Ha! Nicht gewusst!
Eine Gelegenheit, die mancher Leser nutzt, um anonym seinen unreflektierten Missmut gegen die Welt in irrsinnige Kommentare wie diesen zu giessen: «Für solche Studentinnen wird die Frauenquote gefordert. Durch Leistung kommt sowas nicht in die Chefetage. Wozu auch? Sie hat ja den Hauptgewinn ‹Freund› ... der geht schaffen und füllt den Kühlschrank, sie geht shoppen. Und studiert mal eben 17 Semester als Hobby.»
Und für alle, die jetzt berufen fühlen, unter diesen Text zu schreiben: Hätte sie ja nicht mitmachen müssen. Oder: Wer A sagt, muss auch B sagen. Und wenn dann die richtige Antwort C lautet, selber schuld. Natürlich sind die Karotten, mit denen uns die TV-Macher von den Konsequenzen eines solchen Auftritts ablenken, super. Kinderträume. Ein Mal Star sein! Einmal zeigen, was wir wirklich drauf haben! Eine Million! Und dann sagt man plötzlich D statt C.
Doch in Wahrheit geht es dabei weder um Intelligenz noch um Wissen. Nichtmal um Auffassungsgabe. Es geht um das Erstaunen, dass da ein Mensch vor einer Kamera sitzt und kurz die Medienmaschine zum Stottern bringt, weil er nicht ohne weiteres verwertbar ist. Weil er kein Medienprofi ist.
Denn während man keinen Geschichtsprofessor darum bitten würde, sein Dach zu decken und niemals darauf kommen würde, den Automechaniker seines Vertrauens mit der Betreuung eines Sparfonds zu beauftragen, wird heute doch von jedem verlangt, dass er vor Kameras funktioniert.
Passanten müssen auf der Strasse ad hoc zu Kommentatoren aktueller Themen werden. Kinder müssen in «Voice of Germany Kids» die gewieften Selbstvermarkter und Unterhalter können. Hübsche Mädchen werden bei «Germanys Next Top Model» zu Model-Darstellerinnen. Und das machen alle ziemlich gut. Meistens.
Aber dann kommt diese Frau aus Aachen und kapiert den Witz nicht. Und das ist gut. Weil der Witz nämlich gar nicht von Wortspielen mit Hunden und Schäfern handelt, sondern davon, wie das Fernsehen uns langsam und unmerklich abgerichtet hat. Dazu, uns zu unserer eigenen Unterhaltung vor die Kameras, vor ein Millionenpublikum zu begeben, und bei die Aufforderung Spring! nicht mehr zu fragen, warum?, sondern nur wie hoch?
Es war auch eine schwierige 50€ Frage!!! #WWM pic.twitter.com/8s3eGz1PeH
— Oliver Pocher (@oliverpocher) 15. Juni 2015
Und sie hatte doch recht. #WWM pic.twitter.com/ox9ri69hHX
— Thomas Nowag (@Dagobert95) 15. Juni 2015
Ich wör' sie trotzdem.
- Merci!