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Menschen, die eine Woche lang nur Kohlsuppe essen dürfen, die für mehrere Stunden zu zweit aneinander gekettet werden und denen für zehn Tage alle Kosmetikprodukte weggenommen werden – will man diesen Leuten beim Leben zuschauen? Logisch will man das! Zumindest wenn man mal ganz ehrlich mit sich selbst ist.
Denn vor 15 Jahren, als Zlatko und Jürgen ins «Big-Brother»-Haus gezogen sind, waren wir ja auch alle ganz heiss darauf. Zwar erinnern sich wohl nur noch die wenigsten an John, den Sieger der ersten Staffel (ich musste selbst kurz seinen Namen recherchieren), trotzdem gab es damals auf sämtlichen Schulhöfen, Betriebskantinen und Pausenräumen kaum ein anderes Gesprächsthema. Und die Schweizer Version war nicht minder beliebt.
Klar, damals war die Idee, einander wildfremde Menschen in ein Haus zu sperren und diese 24 Stunden am Tag zu filmen, total ausgeflippt. Dennoch gibt es eigentlich keinen Grund dafür, dass das Belegen eines Töpferkurses heute gesellschaftlich anerkannter ist, als «Big Brother» zu schauen.
Zugegeben, auch ich hatte die Sache spätestens nach der zweiten Staffel gesehen und habe mich deshalb lange Zeit zu Sätzen wie «Warum läuft der Scheiss denn immer noch, das braucht doch echt kein Schwein» hinreissen lassen. Bis ich eines Besseren belehrt wurde.
Angefangen hat alles mit einem Jetlag, der mich dazu gezwungen hat, an einem Sonntagmorgen mehrere Stunden vor der Glotze zu hängen. Wie in einer Art Delirium hing ich also auf meinem Sofa und blieb beim Zappen – auf fast schon magische Art – zwischen all den Tele-Shopping-Sendungen, die um diese Zeit auf zahlreichen Sendern laufen, bei Sixx hängen. Dem Sender, auf dem sonst nur «Grey's Anatomy» und «Sex and the City» in der Dauerschleife laufen. Logisch, ich hätte auch ein bisschen Arte oder 3sat gucken können, «Big Brother» schien in dem Moment aber geradezu wie gemacht für meinen Geisteszustand.
Weil sonntags praktischerweise alle Folgen der Woche hintereinander gezeigt werden, blieb mir dann auch lange genug Zeit, um alle Bewohner kennen und lieben zu lernen. Seitdem habe ich keine einzige Episode mehr versäumt – und ich bin nicht bereit, mich dafür zu schämen. Denn Sharon, Lusy, Kevin, Atchi und Co. sind echt unterhaltsam!
Kein Wunder, denn «Big Brother» hat sich für die 12. Staffel lustige Regeln wie zum Beispiel «die Bewohner dürfen über Tag nicht schlafen» einfallen lassen. Menschen beim Schlummern zuzugucken, ist ja auch echt langweilig und – unausgeschlafene Menschen sind viel reizbarer als tiefenentspannte Gemüter. Was sich wiederum positiv auf den Unterhaltungsfaktor auswirkt.
Apropos reizbar: Das bringt mich gleich zu Hans-Christian, dem Ösi-Super-Rüpel («Ich scheiss auf die Gesellschaft!»), der sich während der ersten Wochen praktisch mit jedem einzelnen seiner Mitbewohner und Mitbewohnerinnen angelegt hat. Eine kleine Kostprobe gefällig? Sehr gerne!
(Damit du das Video nicht anschauen musst, würde ich ja gerne ein paar Beispiele aufzählen – aber Hans-Christians absurde Art ist einfach nicht in Worte zu fassen. Und ich verspreche dir: Es lohnt sich!)
Mit der Zeit drängt sich die Frage auf: «Ist Hans-Christian möglicherweise nur ein halbwegs guter Schauspieler und sein gesamter Auftritt in Wahrheit gescriptet?» Und wenn schon! Diesen Mann muss man einfach erlebt haben. Nach ein paar Wochen geht der provokante Ego-Streithahn den Zuschauern dann aber wohl doch zu sehr auf den Zeiger (mir übrigens auch) – und er fliegt raus.
Wer glaubt, dass ab sofort Friede-Freude-Eierkuchen im Haus herrscht, der irrt sich. Denn nur schon die On-Off-Beziehung zwischen Sharon und Kevin sorgt für jede Menge Läster- und Diskussionspotenzial. Erst sind alle Mitbewohner der Meinung, Sharon spiele ein falsches Spiel mit dem «armen Kevin, der echt ehrliche Gefühle hegt».
Nachdem diese Version einmal durchs komplette Haus getratscht wurde, und jeder einen kleinen Teil davon verändert hat, ist man sich am Ende einig: «Sharon ist wirklich wirklich in Kevin verliebt und wird jetzt von Kevin – der Schlampe – abgewiesen. Wie gemein.» Es ist ein bisschen wie beim Telefon-Spiel. Herrlich.
Sharon und Kevin selbst verstricken sich derweil in unendliche Diskussionen, weil ihm aufgegangen ist, dass er ja eigentlich gar nicht mit einer Stripperin zusammen sein will und sie überzeugt davon ist, dass er sie «totaaal falsch einschätzt». Sharon ist nämlich Mama von einem Baby und damit eigentlich ne recht klassische Hausfrau. Also genau das, was Kevin sucht. Findet sie.
Ganz aktuell sind «Shavin» übrigens getrennt. Oder gerade wieder am Anbändeln? Ach, das wissen sie im Moment wohl selber nicht so genau. So oder so: Die Idee der beiden, bereits nach kürzester Zeit intim zu werden, war jedenfalls alles andere als blöd und hat Sharon schon mindestens einmal den Arsch gerettet: Ihre Mitbewohner haben sie zwar auf die Nominierten-Liste gesetzt, die Zuschauer voteten aber klar für Sharons Verbleib im Haus.
Sollte es im Haus wider Erwarten doch zu langweilig oder gar harmonisch werden, denkt sich «Big Brother» immer wieder kleine Schikanen aus, die garantiert für Streit sorgen – und die Truppe springt jedes Mal drauf an. Hier ein kleines Beispiel: An einem eher ruhigen Tag soll Christian (der insgesamt eher unscheinbar ist) je zwei seiner Mitbewohner vor eine Herausforderung stellen.
Eine davon lautet: «Das Team, das du auswählst, darf eine Woche lang nur Rohkost essen.» Christian entscheidet sich für Ása und Lusy. Ása stammt ursprünglich aus Island, isst gerne viel (und macht daraus keinen Hehl) und wird – ihrer Aussage nach – stets und ständig von unsichtbaren Elfen begleitet, die ihr manchmal auch Sachen wegnehmen. Ja nee, ist klar.
Was man Ása jedoch nicht wegnehmen sollte, ist das Essen. Und so wird die Rohkost-Woche für sie – und damit auch ihr Umfeld – zur Zerreissprobe. Nachdem sie anfangs gar nicht weiss, was auf sie zukommt («Rohkost? Ich weiss gar nicht, was ich mir darunter vorstellen muss!») begreift sie schnell, dass das nichts für sie ist. Und so geht die Blondine eine Woche allen anderen Bewohnern – und den Zuschauern – mit ihrem Hungerproblem auf die Nerven. Die Rechnung folgt auf dem Fusse: Ása wird rausgewählt.
Dass wir es bei Bewohnern des Hauses nicht gerade mit der gebündelten Intelligenz zu tun haben, ist mir völlig klar. Aber wenn wir mal ehrlich sind, ist das bei der ersten Staffel – die wir alle so cool fanden – auch nicht anders gewesen.
Und ganz genau so ist es doch auch beim «Bachelor», bei «Bauer, ledig, sucht», beim «Dschungelcamp», bei «Germany's Next Topmodel» und bei «Schwiegertochter gesucht» – und trotzdem gibt es genug Leute, die sich diese Sendungen anschauen. Und darum lautet mein Fazit: Wenn schon Trash-TV, dann doch bitte «Big Brother»!
Und jetzt dürft ihr anfangen, mich anzupöbeln.
Ich gebe zu, der ersten Staffel habe ich auch gewisses Interesse gewidmet. War lustig, aber nicht wichtig. Wer sich das heute noch anschaut (und den Dschungelcampkack, etc.) hat einfach zu viel Zeit oder ein Manko, welches man auszugleichen versucht.