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Warum Ukrainer gar keine Freude am Oscar von Putin-Feind Nawalny haben

This image released by Warner Bros. shows a scene from "Navalny," winner of the Oscar award for best documentary. (Warner Bros. via AP)
Alexej Nawalny.Bild: keystone

Warum die Ukrainer gar keine Freude am Oscar von Putin-Feind Nawalny haben

14.03.2023, 11:0714.03.2023, 12:29
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Der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny ging auf Konfrontationskurs mit Wladimir Putin und muss dafür einen hohen Preis bezahlen. Den Mordanschlag hat er zwar überlebt. Aber er wurde in diversen Prozessen zu mehreren Jahren Straflager verurteilt. Auch heute sitzt er in russischer Gefangenschaft.

Jetzt kann Nawalny zumindest einen kleinen Erfolg feiern: Die Dokumentation über seinen Kampf gegen die Macht Putins und seine Leidenszeit in den vergangenen Jahren hat einen Oscar gewonnen.

Der Trailer zur Doku:

Im Nawalny-Lager war die Freude gross. Seine Familie nahm den Filmpreis persönlich in Los Angeles entgegen. Die erwachsenen Kinder des Putin-Gegners zeigten sich erfreut:

«Ich freue mich über die Aufmerksamkeit für den Film und bin hier, um meinen Vater aus dem Gefängnis zu holen.»
Family members of Alexei Navalny including daughter Dasha Navalnaya, from left, wife Yulia Navalnaya and son Zakhar Navalny, along with director Daniel Roher, accept the award for best documentary fea ...
Familie Nawalny auf der Oscar-Bühne.Bild: keystone

Hollywood und die US-Filmindustrie feiern Putins Feind. «Er ist im Gefängnis, weil er die Wahrheit gesagt hat und weil er für unsere Freiheit kämpft», sagte Maria Pevchik, die für Nawalny arbeitet und Teil der Nawalny-Entourage auf dem roten Teppich war, triumphal.

Putins Feind ist nicht der Freund der Ukraine

Friede, Freude, Eierkuchen unter den Putin-Gegnern also? Weit gefehlt. Denn die Ukrainer schäumen vor Wut ob der Lobhudelei für Nawalny. Sie sehen in ihm alles andere als einen Verbündeten im Kampf gegen die Russen. Und dies hat seine Gründe.

Denn Nawalny hat zwar in den letzten Monaten den Krieg in der Ukraine verurteilt. Aber er hat laut den Ukrainern nie den russischen Imperialismus und die damit einhergehenden Ansprüche auf ukrainisches Territorium angeprangert.

Im Gegenteil: Er hat nach der Annexion der Krim im Jahr 2014 die Meinung geäussert, dass die Halbinsel russisches Staatsgebiet bleiben soll. Und er hat sich gegen einen NATO-Beitritt der Ukraine ausgesprochen.

«Geruch der russischen Propaganda»

Als Freund eignet sich Nawalny damit für die Ukrainer nicht. Und sie machen daraus auch keinen Hehl.

«Das erste Bild zeigt den Kampf für Freiheit, das zweite den Kampf für Macht. Verwechsle sie nicht», schreibt beispielsweise Taras Mischenko auf Twitter. Er ist Chefredaktor der ukrainischen Publikation Mezha.Media.

Andriy Sadovyi, Bürgermeister der westukrainischen Stadt Lwiw, fasste es so zusammen:

«Nawalny ist ein Sandwich, das in eine Lunchbox gepackt und um die Welt getragen wurde, als Beispiel dafür, dass es in Russland noch eine Opposition gibt. Sie diskutieren über das Rezept, das alte Brot, den verdorbenen Käse und den spezifischen Geruch der russischen Propaganda, der jetzt von der Oscar-Statuette ausgeht.»

Nawalny für die Ukrainer unglaubhaft

Im Februar dieses Jahres haben Nawalny und sein Team ihre Tonart gegenüber der Ukraine zwar deutlich angepasst. Nawalny sprach dabei vom «unprovozierten Angriff russischer Truppen auf die Ukraine»:

Zum Freund der Ukraine macht ihn dies aber noch lange nicht. Zumal ihm Liberale auch seine wiederholt rassistischen und fremdenfeindlichen Äusserungen in der Vergangenheit vorwerfen. Auch gegen Ukrainer gerichtet.

Am besten beschrieb die Abneigung gegenüber Nawalny wohl der ukrainische Journalist Ostap Yarisch. Er schrieb:

«Ist Nawalny ein Gegner Putins? Ja. Wurde er deshalb vom Kreml zu Unrecht inhaftiert? Auf jeden Fall. Ist er gegen den Krieg? Er sagt das. Aber lehnt er den kolonialen Ansatz und die Idee der russischen Überlegenheit/Dominanz über andere Nationen ab? Definitiv nicht. Und das sollte man im Auge behalten.»

(aeg)

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74 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Hiker
14.03.2023 12:23registriert Januar 2017
Ein Russe der gegen Putin kämpft ist nicht automatisch ein Freund der Demokratie. Und die Ukraine ist nicht automatisch eine Demokratie weil das Land von Russland angegriffen wurde. Man sollte nicht voreilig Schlüsse aus diesem Desaster ziehen. Was natürlich nicht heisst, dass Russland das Recht hat ein souveränes Land anzugreifen.
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James R
14.03.2023 11:41registriert Februar 2014
Nawalny scheint ein Russe durch und durch zu sein, inklusive der überhöhten Meinung über den Platz, welcher Russland in der heutigen Zeit einnehmen soll. Dass er in Bezug auf die Hoheitsansprüche scheinbar die Meinung von Putin (und vielleicht einer Mehrheit der Russen) teilt und dann trotzdem die kriminellen Machenschaften der Putin-Regierung anpragert, macht die Sache aber interessant.
Dass man Ihm einen Oscar dafür gibt und somit weiter Oel ins Feuer giesst, finde ich dann wiederum schlecht.
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arivle
14.03.2023 13:22registriert September 2021
Zeigt wieder einmal, wie wenig die "westliche Welt" über die Russland, seine Geschichte und Politik weiss, wie nur wenige bereit sind, sich vertieft und relevant zu informieren und wie schnell man auf Schlagworte anspricht. Opposition gegen eine Autokratie / Diktatur heisst nicht immer, dass dahinter auch demokratische Inhalte stehen.
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