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Freikirchen warnen vor Pornosucht in und treffen Massnahmen

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In vielen Religionen und Glaubensgemeinschaften ist das Schauen von Pornos ein Tabu.Bild: keystone
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Freikirchen warnen vor Pornosucht in ihren Gemeinden – und treffen jetzt Massnahmen

Ein Grossteil der Gläubigen aus Freikirchen konsumiert offenbar Pornovideos. Die Plattform jesus.ch spricht gar von einer Porno-Epidemie.
16.08.2025, 07:5116.08.2025, 07:51
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Die meisten Religionen und Glaubensgemeinschaften tun sich schwer mit der Sexualität. Viele sehen in ihr eine Energie, die die Kraft des Glaubens in den Schatten stellt. Sex ist für sie ein Phänomen, das sie bei den Gläubigen nur schwer bändigen können. Es ist für viele Geistliche und Religionsführer eine Kränkung, dass weltliche Energien religiöse dominieren.

Viele christliche, jüdische und islamische Gemeinschaften verbannen deshalb die Sexualität mit repressiven Dogmen in die Ehe. Sex vor der Ehe ist ein Tabu, Homosexualität eine Sünde, Onanie verpönt und Pornographie des Teufels.

Sexualität als starke spirituelle oder göttliche Energie

Selbst der Buddhismus hat kein unverkrampftes Verhältnis zur Sexualität, müssen doch die Mönche zölibatär leben. Das begünstigt sexuelle Übergriffe und Vergewaltigungen, wie Berichte aus Thailand in diesen Tagen belegen. Auch hier: Tugenden wie Achtsamkeit, Respekt, Rücksicht und Harmonie werden zu Floskeln, wenn sich der sexuelle Drang bemerkbar macht.

Anders in manchen esoterischen Gruppen. Diese kultivieren die Sexualität als starke spirituelle oder göttliche Energie, was oft zu Promiskuität, Partnertausch oder Polyamorie führt. Diese permissive Haltung ist ebenfalls problematisch, weil sie oft zu einem Machtgefälle führt.

Dabei profitieren meist Gurus und männliche Anhänger. Frauen hingegen müssen sich oft im Namen der spirituellen Entwicklung unterordnen und werden ausgenutzt.

Von den christlichen Gemeinschaften kämpfen vor allem Freikirchen und die katholische Kirche mit repressiven und moralischen Dogmen gegen den Sexualtrieb. Selten mit Erfolg. Ein grosses Gefahrenpotential sehen sie speziell beim weit verbreiteten Pornokonsum.

«Ein erstaunlich hoher Prozentsatz von Männern und eine überraschende Anzahl von Frauen, die regelmässig eine christliche Gemeinde besuchen, kämpfen gegen eine Pornosucht.»
jesus.ch

Auch beim Drang nach Sexvideos sind die konservativen christlichen Glaubensgemeinschaften meist auf verlorenem Posten, was ihr Glaubensverständnis arg ins Wanken bringt. Denn der Pornokonsum ist für sie eine Sünde.

Die freikirchliche Plattform jesus.ch spricht von einer Porno-Epidemie. «Ein erstaunlich hoher Prozentsatz von Männern und eine überraschende Anzahl von Frauen, die regelmässig eine christliche Gemeinde besuchen, kämpfen gegen eine Pornosucht», schreibt sie.

Der amerikanische Autor Sam Black habe bei einer Untersuchung herausgefunden, dass offenbar zwei Drittel der freikirchlichen Männer und ein Drittel der Frauen mit der Pornografie kämpfen. 37 Prozent konsumierten wöchentlich mehrmals Pornovideos.

Autor Sam Blacj
Sam Black, Autor des Buchs «The Healing Church». screenshot: instagram

Tonnenschwere Last auf den Schultern

Black behauptet, Männer und Frauen seien «oft mit Porno-Konsum aufgewachsen. Im Erwachsenenalter tragen sie bereits eine tonnenschwere Last auf ihren Schultern». Die University of Oklahoma habe festgestellt, dass es einen direkten Zusammenhang gebe zwischen der Konsum-Häufigkeit von Porno und der Frage, ob jemand sich in seiner Gemeinde engagiere.

Auch die freikirchliche Plattform livenet.ch hat sich mit der Pornografie auseinandergesetzt. In einem Artikel zitiert sie die Münchner Sexualtherapeutin Heike Melzer.

Diese behauptet, der regelmässige Porno-Konsum verändere die Gehirnstruktur. Wörtlich: Insbesondere wenn noch Selbstbefriedigung dazukomme, habe dies eine ähnliche Wirkung «wie bei Kokain.» Wie Drogensüchtige müssten die Betroffenen die Dosis stetig steigern.

Freikirchliche Exponenten haben sich dem Problem angenommen und die Aktion porno-frei.ch gegründet. Sie ist eine Antwort auf die «wachsende Not unter Männern und Frauen». Ihre Homepage bietet einen Überblick über Angebote zu Prävention, Beratung, Schulung und Bildung von Freiheitsgruppen.

«Starte jetzt mit uns in 30 pornofreie Tage!»

Zur Beratung gehört auch das Programm «Starte jetzt mit uns in 30 pornofreie Tage!» Gefordert wird ein «Nein zu Pornos», denn diese würden verdrehen und missbrauchen, «was Gott uns geschenkt hat!».

Die Gläubigen der Aktion haben die Vision, ein flächendeckendes Netzwerk an Freiheitsgruppen in der Schweiz aufzubauen. «Ehrenamtliche Freiheitskämpfer lassen sich von unserem Team an einem unserer Pioniertage trainieren und ausrüsten, wie man eine Gruppe starten und führen kann, um andere Männer auf dem Weg in die Freiheit zu unterstützen.»

Ich persönlich bezweifle, dass dies funktioniert. Mir scheint, dass der moralische Aspekt dabei das grössere Problem darstellt als der Pornokonsum. Die Pastoren reden den Gläubigen ins Gewissen und stellen Porno als Sünde dar, an der Gott und Jesus keinen Gefallen hätten.

Dabei züchten sie bei den Betroffenen einen seelischen Zwiespalt. Da es offensichtlich den wenigsten gelingt, ihren Porno-Konsum zu zügeln, entwickeln sie Schuldgefühle und Angst. Angst, von Gott fallengelassen zu werden und am Jüngsten Tag nicht zu den Geretteten zu gehören.

Porno dominiert das Bewusstsein

Somit wird das Thema Porno für sie noch mächtiger und dominiert ihr Bewusstsein, was die Enthaltung weiter erschwert. Dieser psychologische Prozess kann zu einer Fixierung und zu einem Zwang führen. Damit treiben die Aktionen der «Freiheitskämpfer» viele Gläubigen erst recht in den Pornokonsum.

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Hugo Stamm, Sektenblog
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Hugo Stamm
Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
Mit seinem Blog bedient Hugo Stamm seit Jahren eine treue Leserschaft mit seinen kritischen Gedanken zu Religion und Seelenfängerei.

Du kannst Hugo Stamm auf Facebook und in seinem Podcast «Sekten mit Hugo Stamm» folgen.
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Die beliebtesten Kommentare
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code-e
16.08.2025 09:26registriert November 2018
Freikirchen warnen vor Pornosucht in ihren Gemeinden und ich warne vor Freikirchen. Teufelszeug!
20212
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Don't look up!
16.08.2025 08:52registriert Juni 2021
Freikirchen reden bei Pornokonsum von „Sucht“ und „Schuld“, aber in Wahrheit geht es um Kontrolle über intime Bereiche des Lebens. Wer Sexualität verteufelt, produziert erst das schlechte Gewissen, das er dann als „Sündenlast“ verkauft. Statt aufzuklären und Menschen mündig zu machen, wird ein künstliches Problem geschaffen, um moralische Autorität zu behaupten. Religion lebt davon, natürliche Bedürfnisse zu pathologisieren – Aufklärung dagegen macht frei.
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Habe viele Namen
16.08.2025 08:54registriert Mai 2022
Wenn Freikirchen Pornokonsum zur „Sucht“ erklären, geht es nicht um Hilfe, sondern um Kontrolle über intimste Bereiche. Das erinnert an den US-Republikaner Mike Johnson, der stolz erzählt, er überwache gemeinsam mit seinem Sohn via App den Pornokonsum – eine groteske Mischung aus Überwachung und Prüderie. Genau diese religiöse Pathologisierung normaler Bedürfnisse erzeugt Schuld, wo keine sein müsste. Aufklärung und Selbstbestimmung befreien – Religion hält Menschen klein.
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