Die ukrainischen Streitkräfte sind im Osten des Landes nach Darstellung von Präsident Wolodymyr Selenskyj schwer unter Druck. Vor allem die Lage rund um Pokrowsk im Gebiet Donezk sei von der Militärführung gründlich analysiert worden, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache.
Es müsse alles getan werden, um die ukrainischen Verteidigungspositionen in der Region zu stärken.
Ohne einen konkreten Anlass zu nennen, sprach er allen ukrainischen Verbänden, die russische Stützpunkte und Logistik in den besetzten Gebieten angriffen, «besondere Anerkennung» aus: «Der Besatzer muss spüren, dass dies ukrainisches Land ist», sagte Selenskyj.
Ukrainische Medien hatten zuvor unter Berufung auf Militärquellen in Kiew von einem Raketenangriff auf einen Militärflughafen auf der seit 2014 von Russland annektierten Krim berichtet. Über die Auswirkungen des Angriffs wurden zunächst keine Angaben gemacht. Von russischer Seite gab es dazu keine Erklärung.
Die russischen Streitkräfte setzen ihre Prioritäten bei Angriffen nach Erkenntnissen des ukrainischen Militärgeheimdienstes HUR rund um den Donbass. «Dort werden aktuell die heftigsten Kämpfe ausgetragen», sagte HUR-Vertreter Andrij Jusow im ukrainischen Fernsehen. Rund um das Kohlegebiet in der Ostukraine werde an fast allen Frontabschnitten gekämpft. Russland hat den Donbass für annektiert erklärt, kontrolliert aber nicht alle Bereiche seines neuen «Staatsgebiets».
Vor allem in der Region südlich der Grossstadt Saporischschja seien zahlreiche Scheinangriffe registriert worden. In Wirklichkeit seien diese jedoch auf Umgruppierungen und Neuaufstellungen auf russischer Seite zurückzuführen. Doch bleibe dies nicht ungefährlich, zumal Russland rund 90'000 Mann in der Region Saporischschja stationiert habe.
Nach Meinung ukrainischer MIlitärexperten reiche diese Menge an Soldaten zwar nicht für einen Frontdurchbruch aus, doch könne die ukrainische Armee durchaus unter Druck gesetzt werden.
Das russische Militär greift die Ukraine mit Raketen und Drohnen an, deren Bauteile zum grossen Teil aus dem Ausland stammen. «Die Raketen und Drohnen, die Russland täglich für Angriffe auf friedliche Städte und Ortschaften in der Ukraine einsetzt, enthalten ausländische Komponenten, die in mehr als 20 Ländern hergestellt wurden», sagte Natalja Nestor, Expertin des ukrainischen Justizministeriums. «Zu diesen gehören China, Deutschland, Japan, die Niederlande, die Schweiz, Taiwan, die Vereinigten Staaten, Kanada, der Iran.»
Nach den bisherigen Untersuchungen ihres Experten-Teams würden in den ursprünglich aus dem Iran stammenden Shahed-Kamikazedrohnen etwa Prozessoren und Schalter aus den USA, elektrische Kraftstoffpumpen aus Deutschland, Dichtungen aus Taiwan sowie Module aus Südkorea verwendet. Bei der Hyperschallrakete «Kinschal» wiederum seien Bauteile aus Spanien, den USA, Japan, Taiwan, der Schweiz und Deutschland verwendet worden. «Das bedeutet, dass für alle Raketen und Drohnen, ihre wichtigsten Hightech-Komponenten, ohne die sie nicht existieren könnten, nicht in Russland, sondern in anderen Ländern hergestellt werden», sagte Nestor.
Trotz umfassender Sanktionen des Westens gegen Russland gelingt es Moskau, das Embargo über Drittländer zu umgehen. Vor allem die Anrainerstaaten Russlands in Zentralasien galten zuletzt als Lieferanten westlicher Elektronik. (saw/sda/dpa)