Der amerikanische Präsident wirbt seit Tagen für einen Einsatz des Militärs, um Ausschreitungen am Rande der Proteste gegen Polizeigewalt zu unterbinden. Er sprach davon, das «Schlachtfeld» in den Städten zu «dominieren». Seine martialischen Worte werden aber immer mehr kritisiert.
Mark A. Milley ist Vorsitzender des Vereinigten Generalstabs. In dieser Funktion ist er quasi der oberste militärische Berater des amerikanischen Präsidenten. Obwohl er theoretisch der höchstrangige Soldat der US-Streitkräfte ist, verkörpert der Vorsitzende nicht die Spitze der Kommandokette.
In der Nacht auf Donnerstag ist nun ein Memo von Milley aufgetaucht, das auf den 2. Juni datiert ist. Es hat es in sich.
This memo from Gen. Milley is pretty interesting--I'd even say startling. pic.twitter.com/25Q5eyuspb
— Bill Kristol (@BillKristol) June 3, 2020
Milley erinnert die militärische Spitze des Landes daran, dass jedes Mitglied der US-Armee einen Schwur auf die Verfassung geleistet hat und die Werte darin verteidigt. Milley erwähnt explizit: «Das grundlegende Prinzip, dass alle Männer und Frauen frei und gleich geboren sind, und mit Respekt und Würde zu behandeln sind.»
Ausserdem erinnert er daran, dass die Nationalgarden in dieser Krise den Gouverneuren unterstellt sind – und impliziert damit, dass sie nicht von dem Präsidenten der USA kommandiert werden. Milley bittet die Adressaten ausserdem darum, die Truppen daran zu erinnern, dass man die Werte der Nation und die Gesetze und eigenen «hohen Verhaltensstandards» jederzeit hochhalten solle.
Zum Schluss steht da noch in handschriftlicher Notiz: «Wir alle haben unser Leben der Idee von Amerika gewidmet – wir werden diesem Eid und dem amerikanischen Volk treu bleiben.»
Was auffällt: Mit keinem Wort wird Trump erwähnt. Man ist der Verfassung treu, dem Volk, den Gouverneuren – aber nicht dem Präsidenten.
Milley's letter is more of a bombshell than Mattis's (which is no small thing itself). Milley is the sitting CJCS affirming that the military must remain true to the Constitution. Like, almost as a response to something going on around him.
— Tom Nichols (@RadioFreeTom) June 3, 2020
Tom Nichols, Professor am US Naval War College und Harvard, schätzte Milleys Brief als bedeutender ein als Mattis' Kritik an Trump (weiter unten dazu mehr). Vor allem die Erinnerung, dass das Militär der Verfassung folgen solle (insbesondere ist hier wohl das First Amendment gemeint, das die Versammlungsfreiheit beinhaltet), könne als Kritik an Trumps Drohung mit der Entsendung von Truppen gelten.
Seems like some in the military, now openly being encouraged by respected former commanders, have decided they will not takeover America for President Trump. A possible tipping point. Certainly would have been, had it gone the other way.
— Richard Engel (@RichardEngel) June 4, 2020
Journalist Richard Engel wird konkreter: «Es wirkt so, als ob das Militär, ermutigt von respektierten ehemaligen Kommandanten (gemeint James Mattis), entschieden hat, dass sie nicht für Trump Amerika erobern werden.»
Der frühere US-Verteidigungsminister James Mattis hat sich hinter die friedlichen Proteste im Land gestellt und Präsident Donald Trump als Spalter kritisiert:
Der pensionierte General schreibt weiter, die Ereignisse dieser Woche hätten ihn «wütend und entsetzt» zurückgelassen. Und weiter schreibt der 69-Jährige:
Mattis war wegen Meinungsverschiedenheiten mit Trump Anfang 2019 nach zwei Jahren als dessen Verteidigungsminister zurückgetreten, hatte den Präsidenten seither aber nicht öffentlich kritisiert. Mattis bezeichnete nun die von Trump gewünschte Militarisierung der Einsätze gegen die Proteste im ganzen Land nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem Polizeieinsatz als unnötigen Fehler.
«Zuhause sollten wir unser Militär nur sehr selten einsetzen, wenn es von Gouverneuren der Bundesstaaten angefordert wird», schrieb Mattis in der am Mittwoch (Ortszeit) veröffentlichten Erklärung. Ein Einsatz der Streitkräfte gegen zivile Proteste drohe, einen Konflikt zwischen Bevölkerung und Militär zu provozieren, warnte er.
Die anhaltenden Proteste im ganzen Land hätten Zehntausende Bürger friedlich auf die Strassen gebracht und dürften nicht von gewaltsamen Ausschreitungen einiger Gesetzesbrecher überschattet werden, forderte Mattis in dem Schreiben. «Wir müssen uns hinter einem gemeinsamen Ziel versammeln. Und das beginnt mit der Garantie, dass wir alle vor dem Gesetz gleich sind», erklärte Mattis. Bei den Protesten für Sicherheit und Ordnung zu sorgen, sei Aufgabe der örtlichen Sicherheitskräfte, schrieb er.
Mattis fand besonders scharfe Worte für den Vorfall vom Montag, als auf Befehl von Trumps Regierung hin ein friedlicher Protest vor dem Weissen Haus gewaltsam aufgelöst worden war, um es Trump zu ermöglichen, sich vor einer nahen Kirche in Szene zu setzen. Er bezeichnete den Vorfall als «Missbrauch der Regierungsmacht». «Wir müssen das ablehnen und jene Amtsträger zur Rechenschaft ziehen, die unsere Verfassung verhöhnen würden», forderte er.
Er habe sich bislang nicht vorstellen können, dass Soldaten befohlen würde, «die verfassungsmässigen Rechte ihrer Mitbürger zu verletzen», um dem Oberbefehlshaber einen «bizarren Foto-Auftritt» zu ermöglichen, fügte Mattis hinzu. Er kritisierte indirekt auch Verteidigungsminister Mark Esper, der an Trumps Auftritt teilgenommen hatte. Esper hatte später versucht, sich davon zu distanzieren.
Alle vier noch lebenden US-Präsidenten haben den systematischen Rassismus in den USA verurteilt. Bei allen klang auch – mehr oder weniger direkt – Kritik an der Regierung von Donald Trump mit.
Ex-Präsident Carter erklärte am Mittwoch (Ortszeit), es müsse mehr getan werden, um dem systematischen Rassismus in den USA zu begegnen. «Wir brauchen eine Regierung, die so gut ist wie ihre Bevölkerung, und wir sind besser als das», schrieb der Demokrat. Es sei Zeit, sich gegen Diskriminierung in Polizei und Justiz sowie die anhaltende «unmoralische» wirtschaftliche Ungleichheit aufzulehnen, forderte er.
George W. Bush hatte am Dienstag erklärt, es sei ein «schockierendes Versagen», dass viele Afroamerikaner in ihrem Heimatland immer noch Belästigungen und Bedrohungen ausgesetzt seien. «Wie beenden wir systematischen Rassismus in unserer Gesellschaft?» fragte er. Schwarze erlebten die wiederholte Verletzung ihrer Rechte «ohne eine dringliche und adäquate Antwort von Amerikas Institutionen».
Barack Obama hat sich seit Floyds Tod bereits mehrfach geäussert. Am Mittwoch erklärte er, die von breiten Gesellschaftsschichten unterstützten Proteste seien ein Zeichen der Hoffnung, dass es im Land den Willen zur Veränderung gebe. Am Montag hatte er erklärt, die Proteste seien Ausdruck einer echten und legitimen Enttäuschung über ein «jahrzehntelanges Versagen» bei der Reform von Polizei und Strafjustiz.
Bill Clinton hatte am Samstag erklärt, Floyds Tod sei der «jüngste Fall in einer langen Reihe von Tragödien und Ungerechtigkeiten sowie eine schmerzhafte Erinnerung daran, dass die Hautfarbe einer Person immer noch festlegt, wie diese in fast jeder Lebenslage in Amerika behandelt wird». Alle Amerikaner müssten sich gegen Rassismus auflehnen, vor allem aber Politiker müssten Fehler einräumen und Verantwortung übernehmen, forderte er.
Mit Material der SDA/DPA
Im Vergleich zu Trump wirtk er aber wie ein "Stable Genius".