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Trumps Tabubruch: Nationalgarde gegen Abschiebungs-Protest

epa12163166 A protester is arrested during a clash with federal agents near a Home Depot after a raid was conducted by Immigration and Customs Enforcement (ICE) in Paramount, California, USA, 07 June  ...
Widerstand zwecklos, das ist die Botschaft von US-Präsident Donald Trump.Bild: keystone

Trumps Einsatz der Nationalgarde ist ein historischer Tabubruch

08.06.2025, 16:5708.06.2025, 19:08
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Widerstand zwecklos, das ist die Botschaft von US-Präsident Donald Trump: Im demokratisch regierten Bundesstaat Kalifornien will der Republikaner sein Ziel der Massenabschiebung von Ausländern ohne gültige Papiere mithilfe militärischer Sicherheitskräfte durchsetzen.

Dafür bricht er auch mit dem Tabu, die Nationalgarde eines Bundesstaats nicht ohne die Einwilligung des jeweiligen Gouverneurs einzusetzen. Trump inszeniert sich als harter Sheriff und wirft den in Kalifornien verantwortlichen Demokraten vor, gemeinsame Sache mit Kriminellen zu machen.

Angesichts von vereinzelten Protesten gegen Beamte der US-Einwanderungsbehörde ICE im Raum Los Angeles seit Freitag befahl Trump den Einsatz von mindestens 2000 Soldatinnen und Soldaten der Nationalgarde, um die Lage unter Kontrolle zu bringen.

Das sind die neusten Entwicklungen.

Seit 60 Jahren hat kein Präsident so auf Nationalgarde zugegriffen

Eine von der «New York Times» zitierte Expertin sagte, es sei das erste Mal seit 60 Jahren, dass der Präsident sich ohne Einwilligung eines Gouverneurs der Nationalgarde eines Bundesstaats bemächtigt. Das letzte Mal war demnach 1965, als Präsident Lyndon B. Johnson Soldaten einsetzte, um während der Bürgerrechtsbewegung im Südstaat Alabama die fast ausschliesslich schwarzen Demonstranten zu schützen.

Kaliforniens demokratischer Gouverneur Gavin Newsom erklärte, Trump heize die Lage mit der Mobilisierung der Nationalgarde absichtlich an und nehme eine weitere Eskalation billigend in Kauf. Ein solcher Einsatz sei nicht Aufgabe der Nationalgarde «und wird das Vertrauen der Öffentlichkeit erschüttern». Es gebe keinen Mangel an Sicherheitskräften, die Regierung wolle «ein Spektakel» inszenieren. Er appellierte an die Demonstranten, friedlich zu bleiben und der Regierung keinen Vorwand zu bieten.

Verteidigungsminister droht mit Militäreinsatz

Trumps Regierung droht sogar bereits mit dem Einsatz der regulären Streitkräfte im Innern. Das wäre ein noch grösserer Tabubruch. Verteidigungsminister Pete Hegseth erklärte, bei Bedarf könnten auch in Kalifornien stationierte Marineinfanteristen der Streitkräfte mobilisiert werden. «Sie sind in hoher Alarmbereitschaft», schrieb er auf der Plattform X. Newsom reagierte entsetzt darauf: Der Verteidigungsminister drohe damit, Soldaten «auf amerikanischem Boden gegen die eigenen Bürger einzusetzen», schrieb er auf X. «Das ist geistesgestörtes Verhalten.»

Die am Freitag ausgebrochenen – und vereinzelt auch gewaltsamen – Proteste im Raum Los Angeles richteten sich gegen die Sicherheitskräfte der US-Einwanderungsbehörde ICE, die Migranten ohne gültige Papiere festnahmen, um sie abzuschieben. Das Weisse Haus sprach von «normalen Abschiebeeinsätzen». Manche Demonstranten bewarfen die Sicherheitskräfte unter anderem mit Steinen. Das Trump unterstellte US-Heimatschutzministerium sprach von einer massiven Eskalation.

Die Sicherheitskräfte traten den Demonstranten in voller Montur mit Schildern und Helmen entgegen, auch Tränengas wurde eingesetzt. Örtlichen Medienberichten zufolge wurden vereinzelt auch Gummigeschosse und Rauchgranaten eingesetzt.

In der offiziellen Bekanntmachung des US-Präsidenten hiess es, die Nationalgarde werde 60 Tage im Einsatz sein oder so lange, wie es der Verteidigungsminister für nötig halte. Der Minister dürfe im Bedarfsfall auch Angehörige des regulären US-Militärs «in einer von ihm als angemessen erachteten Grössenordnung» einsetzen, hiess es dort weiter. Die Soldaten sollten der «Gesetzlosigkeit» im Raum Los Angeles ein Ende bereiten, erklärte die Sprecherin des Weissen Hauses, Karoline Leavitt. Das US-Militär teilte am Vormittag (Ortszeit) mit, erste Soldaten seien im Raum Los Angeles angekommen. Um die 300 Soldaten würden an drei verschiedenen Orten eingesetzt, um Eigentum und Personal des Bundes zu schützen.

Hoheit über Nationalgarde liegt bei den Bundesstaaten

In den USA haben im Normalfall die Bundesstaaten die Kontrolle über die Nationalgarde. Die Nationalgarde ist eine militärische Reserveeinheit und Teil der US-Streitkräfte. Jeder Bundesstaat hat seine eigene Nationalgarde, die bei Waldbränden, Wirbelstürmen, Überflutungen oder Unruhen im Inneren eingesetzt werden kann. Sie steht dann unter dem Befehl des jeweiligen Gouverneurs. Kommt es zum Krieg oder zu nationalen Notfällen, kann der US-Präsident das Kommando übernehmen. Insgesamt verfügen die USA über mehr als 325'000 Nationalgardisten.

US-Senator spricht von «beispiellosem» Schritt

Einer der beiden kalifornischen US-Senatoren, Adam Schiff, nannte den Einsatz der Nationalgarde gegen den Willen des Gouverneurs «beispiellos». Damit solle Chaos gestiftet und eine Eskalation herbeigeführt werden. Er forderte ein Ende der Gewalt – es gebe nichts, «was Präsident Trump sich mehr wünschen würde als gewaltsame Zusammenstösse mit Demonstranten», um den Einsatz des Militärs oder eine Form des Kriegsrechts zu rechtfertigen, warnte Schiff auf X.

Trump verunglimpft kalifornischen Gouverneur

Unmittelbar vor dem Beschluss des Weissen Hauses hatte Trump bereits eine Drohung losgelassen: Wenn Gouverneur Newsom und die Bürgermeisterin von Los Angeles, Karen Bass, ihre Jobs nicht ordentlich machten, werde die Regierung einschreiten und das Problem mit «Unruhen und Plünderern» lösen. Anstatt den korrekten Nachnamen des Gouverneurs zu nutzen, bezeichnete Trump ihn in seinem Post auf der Plattform Truth Social als «Newscum» – ein Wortspiel mit dem englischen Begriff «scum», der auf Deutsch «Abschaum» bedeutet.

Die Verunglimpfung des demokratischen Gouverneurs weist auch auf die politische Dimension des Falls hin: Newsom ist nicht nur einer der prominentesten Demokraten, er gilt auch als möglicher Interessent für die Präsidentschaftskandidatur seiner Partei bei der Wahl 2028. Und: Newsom regiert einen enorm wirtschaftsstarken Bundesstaat mit knapp 40 Millionen Einwohnern – das ist mehr als ein Zehntel der US-Bevölkerung.

Erst am Freitag hatte Newsom auf der Plattform X Trump offen herausgefordert. Nach Berichten, wonach die Regierung Milliarden Fördermittel für Projekte im demokratischen Kalifornien streichen wolle, schrieb er, Kalifornier zahlten die Rechnungen der Bundesregierung. Die Bürger zahlten gut 80 Milliarden Dollar mehr Steuern an Washington, als das Land zurückbekomme. «Vielleicht ist es Zeit, damit aufzuhören, @realDonaldTrump» schrieb er an Trump gerichtet.

Eskalation in Kalifornien bietet Ablenkung von Streit mit Musk

Trump hat auch mit dem Versprechen von Massenabschiebungen die Wahl gewonnen. Ausländer ohne gültige Papiere will er unbedingt abschieben – und bricht dafür auch manches Tabu. Der Fokus auf die Situation in Kalifornien könnte ihm zudem politisch gelegen kommen, denn seit Tagen muss er immer wieder Fragen zu seinem öffentlichen Zerwürfnis mit Tech-Milliardär Elon Musk beantworten und sieht sich mit Kritik an seinem Steuer- und Haushaltsgesetz konfrontiert.

«Gewaltsamer Aufstand» gegen die Staatsgewalt?

Die Bürgermeisterin von Los Angeles, Karen Bass, und die örtliche Polizei distanzierten sich von den ICE-Einsätzen. Sie wollen wie gehabt in ihrem Zuständigkeitsbereich nicht mit der Bundesbehörde zusammenarbeiten, um normale Abschiebungen zu ermöglichen. So verhalten sich viele von Demokraten kontrollierte Stadtverwaltungen in den USA.

Nach Darstellung des US-Heimatschutzministeriums griffen am Freitag rund 1000 Demonstranten ICE-Beamte an. Die örtliche Polizei sei erst nach zwei Stunden eingeschritten, kritisierte das Ministerium. Im Laufe der Woche seien in Los Angeles 118 Ausländer ohne gültigen Aufenthaltstitel festgenommen worden, darunter Gangmitglieder und Vorbestrafte.

Justizministerin Pam Bondi warnte auf X, wer Sicherheitskräfte behindere oder angreife, müsse mit Strafverfolgung rechnen. Auch FBI-Direktor Kash Patel drohte mit einem Einsatz seiner Agenten. (sda/dpa)

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198 Kommentare
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Andi Weibel
08.06.2025 17:07registriert März 2018
Die Schweiz muss endlich der Realität ins Auge blicken. In den USA ist eine autoritäre, faschistische Regierung am der Macht. Die Ereignisse in Los Angeles sind bloss der Beginn.

Das bedeutet unter anderem, dass es wirklich, wirklich endlich Zeit wäre, den F-35-Deal zu stoppen. Und es ist auch der völlig falsche Moment, um sämtliche Exportkontrollen für Kriegsmaterial in die USA aufzuheben.
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Poly Tick
08.06.2025 17:12registriert Oktober 2023
Spätestens jetzt müsste es dem "Hinterletzten" und "Ungebildetsten" klar werden, was abgeht. Wo sind die Massen, die für ihre Rechte und auch ihre Freiheit, oder den "American way of life" eintreten?
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Schlaf
08.06.2025 17:09registriert Oktober 2019
Der von den eigenen Reihen liebevoll genannte Präsident des Friedens, wird noch einen Krieg im eigenen Land anzetteln.

Meinungsfreiheitsschreier, oder wenn nur die eigene Meinung akzeptiert wird.

Es ist heftig, wieviel Hass Trump und seine Anhänger sähen.

Die Kapitolstürmer dürfen unter Trump mit einer Entschädigung in Millionenhöhe rechnen, während sich Demonstrierende in Kalifornien nicht mehr vermummen dürfen.
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