Die Nachricht schlug am Freitagmorgen ein wie die sprichwörtliche Bombe: Der US-Präsident Donald Trump und seine Frau Melania sind beide mit dem Coronavirus infiziert. Das klingt nach einem klassischen Fall von Ironie des Schicksals: Ein Staatschef, der das Virus und dessen Folgen wieder und wieder verharmlost und heruntergespielt hat, ist nun selbst erkrankt.
So lautet auch der Tenor vieler Reaktionen auf die Nachricht. Von «Karma» ist die Rede, und ein «Selbst schuld!» schwingt auch des Öfteren mit.
Allerdings gibt es neben kaum verhohlener Schadenfreude und artigen Genesungswünschen noch eine dritte Sorte von Reaktionen: Zweifel. Skeptische Beobachter unterstellen, Trump könnte seine Erkrankung nur vorgetäuscht haben – aus taktischen Gründen.
Klingt verrückt? Okay, es wird noch verrückter. Tatsächlich hatte ein amerikanischer Twitter-User bereits am 18. September genau das prognostiziert. «Trumps Überraschung im Oktober wird die Ankündigung 'seiner Infektion' sein», schrieb er. «Gefälscht, aber ziemlich dramatisch.» Diese Wendung werde seinen Herausforderer Joe Biden uninteressant machen, die Berichterstattung werde sich nur noch um Trumps Erkrankung drehen.
Trump’s October surprise will be the announcement of “his infection.” Fake, but quite dramatic. This twist will blow Biden off the screens, the “Trump COVID watch” dominating every minute of every day. Then, 14 days later, Trump will emerge, 100% cured by hydroxychloroquine.
— JohnCammo (@JohnCammo) September 18, 2020
Angesichts der aktuellen Ereignisse wird der Tweet aktuell viel geteilt und diskutiert. Auch die ZDF-Moderatorin Dunja Hayali hat ihn gesehen – und will zumindest nichts ausschliessen.
ist denn schon oktober?
— Dunja Hayali ❤️🇩🇪🇪🇺🧠 (@dunjahayali) October 2, 2020
trump sagt, er sei positiv auf #COVID19 getestet. wenn es wahr ist, gute besserung und harmlosen verlauf.
aber im kopf kreisen auch:
„fake-news“.
wahlkampf.
hinther wird er sagen: war alles halb so wild.
ich habe mich zurückgehalten, jetzt bin ich bereit https://t.co/BG6iHebfBP
Ihr Moderatoren-Kollege Jan Böhmermann scheint ebenfalls seine Zweifel an Trumps Covid-Erkrankung zu haben. «Fake News», twittert er und schiebt wenig später nach: «Für Trumps Unglaubwürdigkeit ist allein Trump verantwortlich.»
FAKE NEWS
— Jan Böhmermann 🤨 (@janboehm) October 2, 2020
Für Trumps Unglaubwürdigkeit ist allein Trump verantwortlich.
— Jan Böhmermann 🤨 (@janboehm) October 2, 2020
Und auch die Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl hat Zweifel an Trumps Darstellung, wie sie in einem ausführlichen Analyse-Thread ausführt (in dem sie allerdings auch klarstellt, dass es auch Punkte gibt, die gegen eine Inszenierung sprechen).
Ich glaube es ihm tatsächlich nicht. Aber es passt gut. Entweder er ist jetzt der Arme, den man nicht angreift während er gegen das Virus kämpft und sich um seine Frau sorgt. Oder er wird der Märtyrer, der trotzdem hart weiter arbeitet für die USA.
— Natascha Strobl (@Natascha_Strobl) October 2, 2020
Es gibt aber auch viele Kommentatoren, die dieser Theorie widersprechen. Der Politikwissenschaftler Carlo Masala etwa gibt an, er teile Vorsicht und Skepsis, einige schössen aber über das Ziel hinaus.
Ich teile die Vorsicht und Skepsis, aber hier schießen mir viele stante pedes über das Ziel hinaus.
— Carlo "Ginfluencer" Masala (@CarloMasala1) October 2, 2020
Was neben dieser Wahrscheinlichkeitsrechnung – Trump war auf vielen Massenveranstaltungen ohne Sicherheitsabstand und Maske unterwegs – noch gegen eine Inszenierung spricht: Sein Arzt hat die Diagnose offiziell bestätigt. Ein Arzt, zumal ein so hochrangiger, würde sich einem sehr hohen beruflichen Risiko aussetzen, in so einer wichtigen Frage zu lügen – und eine Gewissheit, dass die Lüge nicht auffliegt, gäbe es nicht. Oder andersherum: Es wäre sehr wahrscheinlich, dass das auffliegt.
BREAKING: Memo from the president’s physician:
— NBC News (@NBCNews) October 2, 2020
"The President and First Lady are both well at this time, and they plan to remain at home within the White House during their convalescence."https://t.co/rtiirr4gZv pic.twitter.com/x0a67HI72E
Viele Nutzer sprechen dementsprechend auch von einem Verschwörungsmythos.
Die Verschwörungstheorie ist willkommen, wenn sie dem eigenen Narrativ dient. Erschreckend, was hier abgeht. #TrumpHasCovid
— Mareile 💛 (@Hoellenaufsicht) October 2, 2020
Das Dilemma der ganzen Angelegenheit bringt ein anderer User gut auf den Punkt: Auch Menschen, die mit Verschwörungsideologien rein gar nichts am Hut haben, haben gar keine Schwierigkeiten, sich vorzustellen, dass der amtierende US-Präsident lügt. Einfach deshalb, weil er schon oft der Lüge überführt wurde.
Der Präsident der USA sagt er hat Corona. Und das Hauptargument, dass er nicht lügt ist nicht sein Wort oder die offiziellen Statements seiner Regierung, sondern die Überlegung dass es zu viele Mitwisser geben müsste falls er gelogen hätte.
— CommonSense (@SeinVollerErnst) October 2, 2020
Wow. What a time to be alive.
Das Problem wird die marktschreierische Ausschlachtung durch den Präsidenten und seiner Anhängerschaft sein.