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Wie Donald Trump zum Schamanen wurde

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Analyse

Wie Donald Trump zum Schamanen wurde

Der US-Präsident glaubt inzwischen seinen eigenen Handels-Mythen. Das macht ihn so gefährlich.
03.04.2025, 12:4503.04.2025, 14:00
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Der Ethnologe Claude Lévi-Strauss erzählt die Geschichte eines Schamanen in einer Stammesgesellschaft. Sie geht wie folgt:

Ein junger, aufgeweckter Mann ist überzeugt, dass alle Schamanen Lügner sind. Sind können nicht durch die Luft fliegen, wie sie behaupten, ihre Gespräche mit Göttern sind reine Erfindung, und ihre angeblichen Wunderheilmittel sind allesamt unwirksam.

Um seinen Verdacht zu erhärten, lässt sich der junge Mann selbst zum Schamanen ausbilden. Er wird bald in seinem Verdacht bestätigt: alles Lug und Betrug. Weil er aber sehr intelligent ist, wird er selbst Schamane und bald sehr erfolgreich. Je erfolgreicher er wird, desto mehr beginnt er, die Lügen zu glauben. Schliesslich ist er ebenfalls überzeugt, er könne fliegen und mit den Göttern kommunizieren.

Eigentlich wollte Trump gar nicht Präsident werden

In gewisser Hinsicht ist Donald Trump ein solcher Schamane. Als er 2016 zur Wahl zum amerikanischen Präsidenten antrat, waren seine Motive eher zynischer Natur. Der pathologische Narzisst genoss die Aufmerksamkeit, die er dadurch gewann. Zudem liefen die Geschäfte schlecht, ein bisschen Marketing konnte da nicht schaden.

Gemäss einer plausiblen Theorie war Trump selbst am meisten überrascht von seinem Wahlsieg. In seiner ersten Amtszeit war deshalb keine Handels-Strategie erkennbar. Schon damals schwafelte er zwar von Strafzöllen, doch ausser China bekam dies niemand zu spüren. Einzig der Freihandelsvertrag mit Kanada und Mexiko wurde neu verhandelt, das Resultat war jedoch alter Wein in neuen Schläuchen.

Nichts ist gefährlicher, als wenn Zyniker zu Gläubigen werden. Genau dies ist bei Trump der Fall. Waren seine Zolldrohungen vor acht Jahren noch weitgehend ein Marketing-Gag, so entspringen sie heute einer Überzeugung. Trump will die bestehende Weltordnung über den Haufen werfen, weil er davon ausgeht, dass die USA von allen und insbesondere von den bisherigen Alliierten über den Tisch gezogen werden. Und er glaubt felsenfest daran, dass er dazu berufen ist, dies zu ändern. Schliesslich hat er ein Attentat überlebt, eine drohende Gefängnisstrafe abgewendet und ein historisches politisches Comeback zustande gebracht.

Wie der Schamane ist er daher überzeugt, fliegen und zaubern zu können und eine Mission erfüllen zu müssen. Selbst seine Formel, wie er die reziproken Zölle festlegt, haben etwas Schamanenhaftes an sich. Sie lautet wie folgt: Alle Importe in die USA werden pauschal mit einem Zoll von 10 Prozent belegt. Die «schlimmen Akteure» werden zusätzlich bestraft, indem die Höhe ihrer Exporte plus eine vermutete Devisen-Manipulation auf rätselhafte Weise addiert und dann durch zwei geteilt werden. Das Resultat bestimmt dann die Höhe des reziproken Zolls.

epa12006255 Howard Lutnick, US commerce secretary, holds a board during a tariff announcement in the Rose Garden of the White House in Washington, DC, USA, 02 April 2025. Trump plans to roll out tarif ...
Handelsminister Howard Lutnick zeigt die Tafel mit den einzelnen Strafzöllen.Bild: keystone

Für die Schweiz fällt diese Formel verheerend aus. Mit 31 Prozent werden wir stärker bestraft als etwa die EU und die meisten anderen Industrienationen. Vor allem für die Tech-Industrie ist dies schmerzhaft. Pharmaprodukte scheinen vorläufig ja noch verschont zu bleiben, doch Genaues weiss man nicht. Kein Wunder also ist der Industrieverband Swissmem «schwer enttäuscht über die Entscheidung der US-Regierung».

Geradezu vor den Kopf geschlagen fühlen müssen sich all die Trump-Versteher hierzulande. Und das betrifft nicht nur die Köppels, Gujers und Somms. Selbst die SECO-Chefin Helene Budliger Artieda schwärmte noch vor Kurzem gegenüber dem amerikanischen Handelsbeauftragten, die Schweiz sei die «wahre Freundin» und die «natürliche Partnerin» der USA. Magdalena Martullo-Blocher träumt derweil immer noch von einem Freihandelsvertrag mit Nordamerika.

Auch beim Dachverband Economiesuisse sieht man «keine nachvollziehbaren Gründe für US-Zölle gegen die Schweiz». Trotzdem rät man ab, sofort Gegenmassnahmen zu ergreifen und Lösungen am Verhandlungstisch zu suchen.

Ist seit 2017 US-Botschafter in Bern: der frühere PR-Unternehmer Edward McMullen. (Archivbild)
Ex-US-Botschafter Edward McMullen.Bild: KEYSTONE

Viel Glück, kann man da nur wünschen. Der Überzeugungstäter Trump mag zwar «die Schweiz lieben», wie sein ehemaliger Botschafter Edward McMullen immer und immer wieder beteuert, er mag auch seinen Auftritt am WEF in Davos geniessen. Doch er befindet sich auf einer Mission, da kann man auf solche Gefühle keine Rücksicht nehmen, schon gar nicht auf den vermeintlichen Sonderfall Schweiz.

Trump will eine Schocktherapie für die Weltwirtschaft. Dabei haben solche Schocks historisch gesehen selten Erfolg gehabt, sondern in der Regel das Gegenteil bewirkt. So wurden Russland und die anderen Oststaaten nach dem Zusammenbruch der UdSSR mit solchen Schock-Therapien jahrelang ins Elend gestürzt.

Auch die Schock-Therapie von Trump verspricht, ein Desaster zu werden, vor allem auch für die Amerikaner selbst. Das «Wall Street Journal» listete die folgenden Gefahren auf:

  • Die amerikanischen Exporte werden geschwächt, weil der Rest der Welt gegenüber den USA Gegenmassnahmen ergreifen wird.
  • Die Korruption in Washington wird massiv zunehmen, weil alle versuchen werden, Trump zu bestechen, um Ausnahmebewilligungen zu erreichen.
  • Die USA verlieren ihre wirtschaftliche Führungsrolle, weil sie kein vertrauenswürdiger Partner mehr sind.
  • China wird die Gelegenheit beim Schopf packen und sich als neuer Handelspartner in Szene setzen.

Kann Trump noch gestoppt werden? Politisch ist dies kaum möglich. Der Senat hat zwar soeben beschlossen, dass es keinen Notfall gebe, der Trumps Zölle rechtfertigen würde. Doch dieser Beschluss wird keine Bestätigung durch das Abgeordnetenhaus erfahren. Das hat der Speaker Mike Johnson mit einem Trick verhindert. Er hat verfügt, dass ein Tag im Abgeordnetenhaus ab sofort ein Jahr lang dauert und eine Abstimmung daher nicht stattfinden kann.

Wie lange die Finanzmärkte Trumps übles Spiel mitmachen werden, ist indes ungewiss. Die US-Aktienbörsen haben das schlechteste Quartal seit 2022 hinter sich, und die Nervosität an den Märkten ist derzeit sehr gross. Ein Börsencrash oder gar eine Rezession könnte selbst die Republikaner dazu bringen, ihre bedingungslose Loyalität zum Präsidenten zu hinterfragen.

Vorläufig jedoch kann der Schamane Trump noch ungehindert durch die Lüfte fliegen.

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100 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Bonbonsai
03.04.2025 13:31registriert November 2023
Ich glaube, das hat Plan. Er und seine Milliardärskollegen haben auf sinkende Aktienkurse gewettet, und ZACK, viel Geld gewonnen!
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SBRUN
03.04.2025 13:36registriert September 2019
Wir können uns jetzt aufregen, kommentieren, klagen. Europa kann aber auch einfach 2025 die USA bei den Ferienplänen links liegen lassen, der Effekt wäre um mit den Worten Trumps zu sprechen „Grossartig“.
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Fairness
03.04.2025 13:09registriert Dezember 2018
Die Korruption und seine Einnahmen sind doch sein einziges Ziel. Das war schon immer klar. Er kann ja nur lügen, betrügen und Pleiten verursachen. Traurig, aber wahr.
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