Nach der Verkündung einer 24-stündigen Waffenruhe durch die radikal-islamische Hamas sind die Kämpfe im Gazastreifen am Sonntagnachmittag abgeflaut. Allerdings flogen auch nach dem angekündigten Beginn der Feuerpause noch Raketen in Richtung Israel.
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu stellte die Erklärung der Hamas daher infrage und liess es offen, ob sich Israel der Waffenruhe anschliesst. Dem Sender CNN sagte er: «Die Hamas hält sich noch nicht einmal an ihre eigene Feuerpause. Sie beschiessen uns sogar, während wir hier miteinander sprechen.»
Am Samstag hatten nach fast drei Wochen ununterbrochener Kämpfe erstmals die Waffen für längere Zeit geschwiegen. Die Bewohner des abgeriegelten Gazastreifens nutzten die Atempause, um Tote zu bergen und sich mit Lebensmitteln einzudecken.
Israel hatte am Samstag die unter internationaler Vermittlung zustande gekommene und von beiden Seiten eingehaltene zwölfstündige Feuerpause einseitig bis Sonntag Mitternacht Ortszeit verlängert. Am Morgen wurde Israel aber wieder mit Raketen beschossen. Im Süden und in der Mitte des Landes wurde Luftalarm ausgelöst.
Nach Militärangaben gingen mindestens fünf Raketen in Israel nieder, zwei weitere wurden vom Abwehrsystem Iron Dome abgefangen. Daraufhin nahm Israel seine Offensive im Gazastreifen wieder auf.
Bei diesen Angriffen starben nach Angaben palästinensischer Ärzte mindestens zehn Menschen. Damit sind nach palästinensischen Angaben im Gazastreifen seit dem 8. Juli 1060 Menschen getötet worden, mehr als zwei Drittel der Opfer sind demnach Zivilisten. Mehr als 6000 Menschen wurden verletzt. Auf der israelischen Seite kamen 43 Soldaten und drei Zivilisten ums Leben.
«Als Reaktion auf eine Intervention der Vereinten Nationen und in Anbetracht der Lage unserer Bevölkerung sowie aus Anlass des Endes des Fastenmonats sind alle Fraktionen des Widerstandes übereingekommen, eine 24-stündige Feuerpause zu unterstützen», sagte Hamas-Sprecher Sami Abu Suhri der Nachrichtenagentur Reuters einige Stunden nach Beginn der israelischen Offensive.
Die Waffenruhe sollte um 13.00 Uhr MESZ einsetzen. Unmittelbar danach war aber noch israelischer Artilleriebeschuss zu hören, und in grenznahen israelischen Ortschaften heulten die Sirenen. Offen blieb nach Netanjahus Äusserungen bei CNN zunächst, ob auch Israel seine Angriffe einstellen würde. Israel werde alles tun, um seine Bevölkerung zu schützen, sagte der Ministerpräsident lediglich.
Das erklärte Ziel der Streitkräfte ist die Zerstörung des Tunnelsystems der Hamas. Aus israelischer Sicht dienen die Stollen als Waffenlager und Bunker. Die Hamas fordert die Aufhebung der Blockade gegen den Gazastreifen.
Im Gazastreifen haben der Artilleriebeschuss und die Luftangriffe grossflächige Zerstörungen hinterlassen. Viele Einwohner brachen in Tränen aus, als sie am Samstag erstmals sichere Unterstände verlassen konnten und ihre häufig schwer beschädigten oder zerstörten Häuser aufsuchten.
In manchen Orten liegen ganze Häuserzeilen in Trümmern. Laut dem UNO-Hilfswerks für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) wurden über 167'000 Menschen aus ihren Wohnstätten durch die Kämpfe vertrieben. Im Gazastreifen leben insgesamt 1,8 Millionen Menschen.
Angesichts des Ausmasses des Krieges forderten die Aussenminister der USA, Frankreichs, Deutschlands, Grossbritanniens, Italiens, Katars und der Türkei auf einer Konferenz in Paris ein Ende des Blutvergiessens. Ein greifbares Ergebnis wurde nicht bekannt. UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon appellierte an beide Seiten, eine einwöchige Feuerpause zu vereinbaren.
Die israelische Militäroffensive im Gazastreifen löste auch Unruhen im Westjordanland aus. Dabei wurden nach palästinensischen Angaben am Freitag acht Menschen getötet. Mehrere Tausend Menschen forderten am Samstagabend in Tel Aviv ein Ende der israelischen Militäroperation im Gazastreifen. Zuvor demonstrierten in London 10'000 Menschen gegen Israels Militärschläge in Gaza.
Auch in Paris gingen 5000 Menschen trotz Demonstrationsverbot auf die Strasse. In Genf forderten mehr als 1000 Menschen an einer Kundgebung ein sofortiges Ende des «Massakers an Palästinensern» im Gazastreifen. (sza/sda/reu/dpa/afp)