Zwei Jahre mussten wir uns gedulden, bis der zweite Teil der fünfteiligen «Phantastische Tierwesen»-Reihe in die Kinos kam – und hui, im Gegensatz zum ersten Kapitel kommt «Grindelwalds Verbrechen» mit so viel Handlung daher, dass man sich beim Zuschauen nach einem Notizbuch sehnt.
Neue Charaktere, neue Orte, konfuse Storylines: Newt Scamanders Abenteuer in Paris ist definitiv keine süsse Geschichte über einen magischen Zoologen und seine Tierwesen mehr. Und dabei werden uns so viele überraschende Nebencharaktere und unerwartete Wendungen vor die Nase geknallt, dass dabei einige Probleme entstehen, die diesem «Potter»-Fan hier ein flaues Gefühl im Magen hinterlassen haben...
Über zwei Stunden lang fragten wir uns: Credence, Credence, who the f*** is Credence? Und dann, gefühlt wenige Sekunden vor dem Abspann, endlich die ersehnte (vermeintliche) Auflösung:
Credence ist ein Dumbledore.
Ein Raunen ging durch das Kino. Einige Zuschauer – auch dieser hier – wandten sich nach links und rechts und zischten entrüstet: «Was, das kann doch gar nicht sein!» Stundenlang hatten wir uns mit der Möglichkeit auseinandergesetzt, Credence könne womöglich der lang verschollene Corvus Lestrange sein. Nope, denn der war (angeblich) ertrunken. Credence sei nicht Corvus Lestrange, sondern, wie Grindelwald selbstzufrieden behauptet, ein Dumbledore-Bruder namens Aurelius.
Nun ja. Wer sich an dieser Stelle unangenehm an «Star Wars» erinnert fühlte, lag nicht ganz daneben: Ganz à la «Luke, ich bin dein Vater» wird dem guten Credence nun ein «Aurelius, ich bin dein Bruder» aufgedrückt – und genau da tun sich zahlreiche Probleme mit der Logik auf.
Es ist natürlich möglich, dass Grindelwald schlichtweg gelogen hat – der Phönix, der sich Credence daraufhin als solcher offenbarte, bekräftigt Grindelwalds Behauptung allerdings.
Kein Film kommt ohne eine Lovestory aus – die muss aber nicht zwangsläufig gut sein. Und wenn wir mal ehrlich sind, ist es auch diese nicht.
Im ersten Teil von «Phantastische Tierwesen» erschien der Beziehungsstatus des Newt Scamander klar: Er trauerte seiner Verflossenen Leta hinterher, begegnete in New York der Aurorin Tina und verliebte sich in sie. Leta schien vergessen. Doch dann kam «Grindelwalds Verbrechen».
Wir erfahren schnell, dass Leta immer noch Teil von Newts Leben ist, der mittlerweile wieder in London wohnt – doch ist sie die Verlobte seines Bruders Theseus. Wie das passieren konnte? Puh, keine Ahnung. Und bevor wir es herausfinden können, ist Leta tot.
Whoa, okay, wir spulen kurz zurück. Also: Zwar ist Leta Theseus' Verlobte – aber durch den Recherchefehler eines verwirrten Zeitungsredakteurs hält Tina, Newts neue Flamme, Leta für Newts Verlobte und reist daraufhin schmollend nach Paris. Ein vollkommen unnötiges, da ganz einfach gelöstes Liebesdrama, sollte man meinen – aber nein, Newt schafft es dennoch, Tina möglichst lange in diesem falschen, schmerzhaften Glauben zu lassen. Ein gebrochenes Herz, das nur dem romantischen Spannungsbogen des Films dient? Ächz.
Ich gebe es zu: Als zum ersten Mal der Name «McGonagall» fiel, als sich Nagini verwandelte, als ein gewisser Alchemist auftauchte – ich, als «Potter»-Jünger, habe innerlich gejubelt. Alte Bekannte gaben sich auf der Leinwand die Klinke in die Hand und selbst Figuren, die wir aus dem «Potter»-Universum bisher nur namentlich kannten, beehrten uns plötzlich mit einem eigenen Leinwand-Auftritt.
Und während es einerseits schön ist, einem Namen wie Nicolas Flamel endlich ein Gesicht zuordnen zu können, fragt man sich doch: War das wirklich nötig? Sicher, diese plötzlich aus dem Boden gestampften Hintergrund-Geschichten sorgen dafür, dass wir beim erneuten Lesen oder Sehen der «Harry Potter»-Teile vielleicht wissend nicken, wenn Flamel oder Nagini erwähnt werden – aber irgendwie fühlt es sich doch fabriziert an. Insbesondere deswegen, weil keiner dieser Charaktere eine massgebliche Rolle in «Grindelwalds Verbrechen» spielt. Stattdessen werfen sie nur weitere Fragen auf:
Diese Charaktere, die ganz offensichtlich nur für einen «Aha!»-Moment sorgen sollten und (bisher) nichts Nennenswertes zur Handlung beigesteuert haben, werfen also mehr Fragen auf, als sie beantworten – und das in einem Film, der vor offenen Fragen ohnehin schon fast platzt.
Tinas Schwester Queenie sorgte im ersten Teil für die erste Hexen-Muggel-Romanze und ein bisschen unbeschwerten Glamour der Goldenen Zwanziger. Im zweiten Teil legt ihre Figur allerdings eine Wendung hin, die wohl bei den wenigsten Zuschauern auf Verständnis stiess: Anstatt erneut an der Seite von Newt und Tina für das Gute zu kämpfen, läuft sie zu Grindelwald über – aus einer Motivation heraus, die anfangs vielleicht nachzuvollziehen, später aber völlig unverständlich ist.
Zu Beginn von «Grindelwalds Verbrechen» ist sie frisch mit Muggel-Jacob verlobt – den sie jedoch, wie Newt schnell herausfindet, mithilfe eines Liebeszaubers in die Verlobung gelockt hat. Als Newt den Zauber aufhebt, Jacob zur Besinnung kommt und seiner Liebsten klar macht, dass er sie aufgrund der verpönten Verbindung zwischen Muggeln und Magiern nicht heiraten kann, verliert Queenie allerdings völlig die Fassung – und flieht nach Paris.
So weit, so dezent übertrieben. Anstatt mit Jacob zusammenzubleiben, auch ohne Heirat, bricht sie die Beziehung ganz ab. Nur, um sich dann Gellert Grindelwald anzuschliessen, weil der ihr eine Zukunft verspricht, in der alle Arten der Liebe erlaubt sind (nicht ganz uneigennützig, aber dazu kommen wir gleich). Da können wir noch folgen; für die Liebe ist man sicherlich gewillt, Grenzen zu überschreiten. Doch dann wird es unlogisch: Als Queenie am Ende vor die Wahl gestellt wird, bei Jacob zu bleiben oder mit Grindelwald zu gehen, wählt sie Grindelwald – dem sie sich von vornherein nur angeschlossen hatte, um Jacob zu bekommen. Den Letzteren jetzt zu vergraulen, um den Ersteren zu stärken, ergibt einfach keinen Sinn.
Jeder, der «Harry Potter und die Heiligtümer des Todes» gelesen und/oder gesehen hat, weiss: Gellert Grindelwald und Albus Dumbledore verbindet mehr als nur ihre mächtigen magischen Fertigkeiten. Nein, Dumbledore und Grindelwald waren einst Freunde, standen sich so nah wie Brüder – «mehr als Brüder», sagt Dumbledore selbst. Begleitet werden seine Worte von einer Erinnerung an den Blutpakt, den die beiden einst schlossen – inklusive intensiven Blickkontakts.
Und das war's dann auch schon mit den Andeutungen einer homosexuellen Beziehung zwischen Grindelwald und Dumbledore. Die bestätigte J. K. Rowling erst nach dem Ende der »Harry Potter«-Buchreihe; insofern waren die Erwartungen an eine deutliche Darstellung von Dumbledores Homosexualität in den »Phantastische Tierwesen"-Filmen hoch. Nun ja, zwar bekommen wir keine Küsse oder gar Sexszenen gezeigt; aber wer genau hinsieht, erkennt sie doch, die Liebe zwischen den beiden – denn sie ist vor allem aus Grindelwalds Rede vor seinen Anhängern herauszuhören, in der er schildert, dass er sich eine Welt wünscht, in der freie Liebe möglich ist.
Eine sehr romantische Motivation, die bei einem so bösen Mann überraschend kommt – und ihn vielleicht sogar in einem etwas besseren Licht dastehen lässt. Das Problem dabei: Wir wissen, dass Grindelwald böse ist; es wird uns immer wieder um die Ohren gehauen, welche finsteren Taten er begangen haben soll. Aber wir wissen eben nicht, was das für finstere Taten waren. Und bei einem Film, der sich «Grindelwalds Verbrechen» nennt, ist es doch etwas fragwürdig, dass wir diese Verbrechen, die ihn zu dem gemacht haben, der er jetzt ist, nicht nur nicht mitansehen, sondern nicht einmal wiedererzählt bekommen.
Es ist das wohl grösste Rätsel des ganzen Films: An irgendeinem Punkt zwischen 1926 und 1991 beschloss Albus «Hottie» Dumbledore, seine ausgesprochen gut sitzenden Anzüge gegen Bommelmützen und Satin-Morgenmäntel einzutauschen.
Waruuuum.