Wer hier schon länger mitliest, kennt Max. Max ist mein Nachbar. In den ich sehr verliebt war. Und er in mich. Wir hatten eine sehr schöne Zeit, bis er mir beichtete, dass er eine Kartoffel hat und deswegen keine mehr will.
Weil ich mir die Option auf eigene Kartoffeln nicht nehmen lassen will, haben wir einen Schlussstrich gezogen. Das ist die absolute Kurzversion einer Geschichte, dir mir das Herz brach. Mehr dazu hier.
Das ist jetzt Monate her. Wenn wir uns im Treppenhaus sehen, grüssen wir uns nett. Viel mehr haben Max und ich nicht miteinander zu tun. Beziehungsweise hatten.
Weil jetzt ist Max wieder ein bisschen näher in mein Leben gerückt. Wegen Nadine. Die jetzt bei ihm ein und ausgeht und mit ihm das Rein-Raus-Spiel spielt, wie sie mir neulich aus dem Nichts auf Whatsapp mitteilte:
«Yo, Ems, ich vögle grad mit Max, easy, oder?»
Mich stört an dieser Nachricht einiges. Nadine und ich haben keine Beziehung, die auf «Ems» beruht. Nur enge Freundinnen und Freunde nennen mich «Ems». Nadine und ich sind nicht dicke. Nadine und ich sind Ex-Kolleginnen, die sich ab und an treffen, weil sich unsere Freundeskreise überschneiden.
Ich finde Nadine okay. Nicht mehr, nicht weniger.
Jetzt aber, da sie mit Max vögelt, fühlt sie sich mir besonders nah. Bevor ich antworten kann, schreibt sie: «Gell, das ist nicht komisch zwischen uns. Sister before Mister ist Ehrensache.»
Ist es nicht. Sie hat ja den Mister vor die Sister gestellt.
Ich starre auf unseren Chat. Sie schreibt und schreibt. Sie findet Max sehr toll. «Super-Penis, gell!? Hahahahahahaha!»
Mir ist das alles zu nahe. Und zu respektlos. Vor allem Max gegenüber.
Jetzt, da sie ja oft im Haus sei, würde sie sehr gerne mal auf einen Apéro vorbeikommen. Ob mit oder ohne Max soll ich sagen. «Alles unproblematisch, gäll!?»
Ich starre immer noch auf den Chat und sie schreibt immer noch.
Sie könne ja nichts dafür. Sie habe ihn an einer Party kennengelernt. Und als sie dann mein Namensschild zwei über seinem sah, habe Max von uns erzählt.
Sie schreibt und schreibt und ich fühle Beklemmung.
Ich brauche einen Moment, um die Situation zu analysieren. Würde mich Nadine auch stören, wenn Max woanders wohnen würde? Wäre eine andere Frau einfacher? Eine, die ich toller finde und die nicht mit mir über Max’ Penis chatten will?
Oder ist es per se schräg, wenn jemand aus dem Bekanntenkreis was mit einem Verflossenen hat?
Ich antworte relativ nüchtern. Ich schreibe, dass ich hoffe, dass sie gut zu Max’ Herz ist. Und wenn es wirklich eine Herzenssache ist, ich den beiden alles Liebe wünsche.
Tue ich das wirklich? Ihm schon. Ihr ... keine Ahnung.
Es vergehen natürlich nur drei Tage, bis ich Nadine vor dem Haus begegne. Sie zeigt mir ihre Unterwäsche aus der Kim-Kardashian-Kollektion. Findet Max super, sagt sie. Dann kneift sie mich in die Seite. «Und du? Sex Sex Sex mit Suff-SMS-Sandro?»
Ich habe keine Lust, Nadine aus meinem Sex- und Liebesleben zu erzählen.
«Wäre es nicht lustig, wenn wir was zu viert machen würden? Max kennt Sandro ja auch und ich auch. Wir wären sicher eine lustige Truppe.»
Ich finde Nadine aufdringlich.
20 Minuten später schickt sie mir ein Selfie von Max und sich. Sie küsst ihn auf die Backe, er lächelt gequält. «Er fände einen Abend zu viert auch cool», steht da.
«Alles klar», schreibe ich und meine: «Nie im Leben».
Dann überlege ich, woher sich Nadine und SSMSS kennen. Ich frage ihn. Er habe vor ein paar Jahren ein paar Mal was mit ihr gehabt. Als sie ihm dann aber ständig selber gemachte Konfi, Zwetschgenkompott oder Muffins in Herzli-Formen in den Briefkasten legte, rannte er weg.
Diese Info stresst mich mehr als die Max-Bums-News. Mühsam, dass diese Stadt ein Dorf ist.
Ich entscheide, Nadines Nachrichten höflich zu ignorieren. Nur weil sie grad sehr nah an meiner Wohnung und sehr nah an meinem Ex ist, will ich nicht BFF mit ihr sein.
Der Plan scheint aufzugehen.
Dass alles etwas anders ist, erfahre ich gestern zwischen Velokeller und Waschraum, wo ich Max begegne und ihm etwas unbeholfen zu Nadine gratulieren will.
«Die Geschichte ist Geschichte», sagt er. Sie sei sehr aufdringlich gewesen. Habe ständig Konfi, Kompott und Kuchen gebracht. «Gibt Schlimmeres, nicht?», frage ich.
«Ja», sagt Max. «Bei ihrem zweiten Besuch fuhr sie mit Zahnbürste, Pyjama und Hausschuhen ein und fragte, wo sie ihr Zeug versorgen kann.»
Ich lache. Max lacht gequält mit.
Oben angekommen, will ich gerne Nadine schreiben. Und fragen, wie es denn so mit Max läuft. Und ob sie kommenden Samstag zum grossen Spielabend/Spaghetti-Plausch vorbeikommen wollen? Und dass ich mich freue, dass sie und Max sich gefunden haben.
Ich entscheide mich dagegen. Karma und so.
Aber da ich ja schon das grosse Glück dieser Kolumne habe, sag ich es so: Liebe Nadine, nix für ungut, gell. Aber das mit Sister before Mister, das googelst du vielleicht nochmal husch. Dann klappts vielleicht auch irgendwann mal mit «Ems». Lg, Emma.
PS: Falls ihr an dieser Stelle lesen wolltet, ob sich Jan, der sehr geile Bergführer, bei mir gemeldet hat und ob aus uns eine sehr grosse Lovestory geworden ist, kann ich alles sehr kurz zusammenfassen: 2 Mal Nein. Ich sags ungerne, aber wir müssen uns wohl schweren Herzens von Jan verabschieden. Tschüss, Jan. Es war schön-verstörend-schräg mit dir.
Adieu,
Heute: "Ich entscheide, Nadines Nachrichten höflich zu ignorieren."