Man darf mich Boomerin schimpfen. So habe ich es immer noch nicht geschafft, Facebook zu löschen. Schlimmer: Ich bin da täglich drauf und ärgere mich über andere Boomer, die sich über dieses und jenes aufregen. Also eigentlich über alles. Scheiss neue Verkehrsregeln an der Langstrasse.
Scheiss Politiker. Scheiss Medien. Scheiss Velodiebe. Scheiss Menschen, die alte Möbel vor die Türe stellen, Scheiss SBB, ZVV, VBZ, Pharmaindustrie, you name it.
Selbst bin ich dabei passiv. Also auf der Tastatur. Im Kopf wettere ich gegen die Wetternden.
Auf Instagram war's bis kürzlich ähnlich. Ich bin da drauf, scrolle mich mal alle paar Tage durch die Applikation, lege das Handy weg und lebe mein Leben weiter. Fest tangieren tut mich da nichts. Beziehungsweise tat es nicht.
Jetzt ist alles anders.
Der Grund einerseits: Hugo, der Receptionist des Sportstudios, das ich mal mehr, mal weniger besuche.
Der Grund anderseits: Ich habe Instastories für mich entdeckt.
Angefangen hat es so: Nachdem Hugo und ich seit Wochen am Empfang flirten, schickte er mir einen Followerrequest auf Instagram. Und stürzte mich damit ins Elend. Hugo weckte voll den Druck in mir. Wenn mir der heisse Hugo folgen will, muss ich (ab)liefern.
Also machte ich zuerst mal eine Instastory. Keine gute. Einfach irgendwas. Random Shit.
Kaum war das Ding online, war auch ich ständig online. Alle paar Minuten checkte ich, wer denn nun alles meine allererste Instastory geschaut hat.
Und wer drauf reagiert. Da Herzchen-Emojis, dort Daumen hoch. Dazwischen ein paar «WTFs!?» seitens Freund:innen.
Und Sandro? Der amüsiert sich. Vor Hugo hat er keine Angst. Braucht er auch nicht. Ich will nicht mit Hugo gehen. Ich will nicht mal ins Bett mit ihm. Ich will aber, dass unser Reception-Flirt noch etwas anhält. Also muss ich spannend bleiben. Also Instastories. Also Stress. Druck. Fomo. Bullshit.
Tatsächlich ist Hugo unter den ersten Zehn, die meine Story anschauen. Keine Reaktion seinerseits. Okay, er ist enttäuscht. Scheisse. Ich muss nachliefern. Ich schaue gefühlt tausend Instastories. Brauche Inspiration. Finde keine. Not good.
Hugos Instaaccount derweil ist cool. Tolle Fotos. Mehr Kunst als Amateur-Zeugs. Der Druck steigt. Soll ich lustig sein? Cool? Artsy? Wie ist mein Instastories-Ich? Und wieso hasse ich es, bevor ich es überhaupt final erschaffen habe?
Ich rede mit meinen Freundinnen. Die, die noch Single sind, können meinen Struggle enorm gut nachvollziehen. Haben sie mit jedem Crush, der ihnen neu folgt. Ausserdem, so lerne ich, geht es heute gar nicht mehr darum, ob ein Typ auf Nachrichten antwortet oder nicht: Die Messlatte ist heute Instagram. Schaut er jede Story? Wann schaut er sie? Reagiert er? Das ist die neue Währung.
Ich entscheide, dass ich nicht mitspielen will. Soll sich Hugo eine andere suchen, wenn er Instastories will. Bin doch keine Anja Zeidler. Und wie die alle heissen.
Ein paar Tage später treffe ich Hugo an der Reception. Er lächelt, ich lächle, unsere Hände berühren sich bei der Tüechli-Übergabe eine halbe Sekunde länger als nötig. In dieser halben Sekunde steckt so viel mehr Spiel und Spass als in jeder Kinderüberraschung. Und in jeder Instastory.
Not sorry, Mark Zuckerberg und Bros.