Es gibt Gesichter, von denen nimmt man an, sie seien für die Ewigkeit. Oder wenigstens über den kurzen Abschnitt hinaus, den das eigene Leben der Ewigkeit abtrotzt. Gesichter, die von einer Schönheit sind, wie sie nur sehr viel und sehr grosszügig gelebtes Leben erzeugt. Hannelore Elsner war eins dieser Gesichter, die Landschaft eines Lebens. Jetzt ist es nicht mehr. Jedenfalls nicht mehr im Leben. In all den Momenten, die Kameras eingefangen haben, wird es weiterhin für uns da sein.
Nach einem heftigen und kurzen Krebsleiden sei sie am Ostersonntag im Alter von 76 Jahren friedlich entschlafen, teilte der Anwalt ihrer Familie mit. Sie starb in einem Münchner Krankenhaus, wo sie bis zuletzt unter einem Pseudonym stationiert gewesen war. Sie hinterlässt einen Sohn und über 220 Rollen, die sie für Film und Fernsehen verkörperte. Von 1959 bis 2019.
1959 debütierte sie als Partnerin von Freddy Quinn in «Freddy unter fremden Sternen», 2019 beschloss sie ihre Filmographie als nierenkranke Moderatorin im ARD-Film «Lang lebe die Königin». Sie hoffte vergeblich, noch einmal aus dem Krankenhaus ans Filmset zurückkehren zu können, um die letzten Szenen zu drehen.
1942 kam sie als Tochter eines Ingenieurs in Bayern zur Welt, kurz vor Kriegsende verlor sie ihren zwei Jahre älteren Bruder bei einem Tieffliegerangriff. Er war auf dem Weg zur Grossmutter, der Zug wurde bombardiert, im Körper des Bruders fanden sich sechs Patronen. Als Hannelore Elsner acht war, starb ihr Vater an Tuberkulose, als sie 38 war, verunglückte ihr damaliger Partner tödlich bei einem Autounfall.
«Ich erinnere mich an Wiesen und Bäche und den Waginger See, in dem ich als sechsjähriges Mädchen mit meinem Vater geschwommen bin», sagte sie in einem Interview mit der «Süddeutschen Zeitung», «an meine Oma, die so bäuerlich und liebevoll war und uns Zwetschgendatschi gebacken hat. Verstecke im Heuschober. Sommergewitter. Und hinter jedem Löwenzahn lauerte das Grauen, wie in jeder Idylle.»
Die Mutter schickte sie ins Kloster-Internat, wo sich Hannelore vorstellte, wie die Nonnen «etwas mit Priestern» hätten und tote Babys einmauerten. Nach ihrer Schauspielausbildung in München wurde sie zur sexy Verlockung des frivol-biederen deutschen 60er-Jahre-Films, etwa «Das Mädchen mit den schmalen Hüften». Im Alter zur Grande Dame der Komödie – wie in Dani Levys «Alles auf Zucker» oder als tyrannische Mutter des Münchner Modedesigners Rudolph Mooshammer 2018 in «Der grosse Rudolph».
Zwölf Jahre lang war sie «Die Kommissarin», 2000 erntete sie Preise als «Die Unberührbare» von Oskar Roehler, sie gastierte im «Tatort» und im «Traumschiff», und wenn sie nicht selbst vor der Kamera stand, war sie die Synchronstimme von Liza Minelli und Fanny Ardant.
«Ich lerne den Text nicht auswendig, ich esse ihn auf, fotografiere ihn buchstäblich. Natürlich ist auch immer ein bisschen Technik und Erfahrung mit dabei», sagte sie einmal. Schauspiel war für sie rückhaltlose, schonungslose Selbstverschwendung: «Du bist, wenn du einen Film drehst, die Knetmasse für den Regisseur. Du bist zu allem bereit, was die Rolle betrifft. Du verschenkst dich, du gibst alles, was du kannst.»
«Ich will 120 werden – mindestens», war ihr Bonmot, es war ihr nicht gewährt. Ihre Autobiografie taufte sie «Im Überschwang». Sie liebte die Schriftstellerin Siri Hustvedt, das Alleinsein ebenso wie die grosse Gesellschaft. Sie lebte, wie sie spielte. Viel und grosszügig. Und sie sei, sagen die nicht mehr ganz so jungen Redaktions-Herren von watson «die attraktivste ältere Frau aller Zeiten» gewesen. Zum Glück haben wir das auf Film.
Merci für die schönen Worte Simone Meier 😞😞😞