Instagram ist ein Fotoalbum für Bilder aus dem Leben. Mit einem grossen Unterschied zum echten Leben: Auf der App Instagram sieht alles besser aus. Das liegt nicht nur an den Filtern, die einen Sonnenuntergang im Aargauer Mittelland in den Hintergrund von Edvard Munchs «Schrei» verwandeln.
Besonders Influencer – Personen, die auf Instagram mit Werbung Geld verdienen – wissen genau, wie sie ihr Leben auf Instagram hochstilisieren müssen, damit sie die Vorgaben der Instagram-Ästhetik erfüllen. Die Tricks reichen vom anmächeligen Arrangieren des Müeslis bis zum Retuschieren von Gesichtern, Körpern und Landschaften.
Kim Tschopp nervten diese perfekten Posts. «Die Bilder haben null Bezug zur Realität», sagt die 26-Jährige aus der Region Lenzburg. Anstatt sich weiterzunerven, startete sie vor ungefähr anderthalb Jahren ihren Instagram-Account mit dem Namen «the_truth_is_not_pretty» – die Wahrheit ist nicht hübsch. Sie postet jeweils zwei Versionen des gleichen Bildes: Eine perfekt inszenierte und eine aus dem wirklichen Leben.
«Ich wollte diese klassischen Instagram-Sujets auf die Schippe nehmen», sagt sie. Und das gelingt ihr wunderbar. Mit Humor und Scharfsinn demontiert sie die Lächerlichkeit, die den bekannten Posen und Sujets innewohnt. Sie posiert mit einer Blume im Mund in einem Mohnfeld oder mit einem Wollpullover bekleidet (Beine nackt) neben einer Pizza. Auf den Wirklichkeitsbildern spuckt sie die Blume angewidert aus oder sitzt gemütlich mit Pullover und Leggins auf dem Sofa und schaufelt eine grosse Gabel Raclette in sich hinein.
In echt – beim Treffen in der analogen Wirklichkeit – ist Kim Tschopp eine junge Frau, die viel lacht und bereitwillig über ihr Projekt spricht. «Ich stehe eigentlich nicht so gern im Mittelpunkt», sagt sie. Das Instagramprofil betreibt sie neben ihrem 100-Prozent-Job als KV-Angestellte. Ihre Followerzahl von 19'400 Abonnenten hat sie unter anderem dem Onlinemagazin «Bored Panda» zu verdanken. Nachdem dort ein Artikel über sie erschien, wurde dieser von diversen internationalen Portalen übernommen.
«Ich erhielt eine Nachricht von einem Türken, dass ich in seinem Land berühmt sei», sagt sie. In der Schweiz wissen längst nicht alle in ihrem Umfeld von ihrem Account. «Meine Familie und meine Freunde haben mich jedoch stets unterstützt», sagt sie. Anfangs habe sie sich manchmal überwinden müssen, um auch die unvorteilhaften Bilder zu posten. «Doch ich habe diese Scham schnell abgelegt», sagt sie.
Die Texte, die Kim Tschopp ihren Posts hinzufügt, sind ihr wichtig. «Ich will nicht nur Comedy machen, sondern eine Message verbreiten», sagt sie. «Es geht mir um Selbstliebe.» Auf ihren Bildern – sowohl aufgehübscht als auch unvorteilhaft – scheint sie sich wohlzufühlen in ihrem Körper. Aber das war nicht immer so. «Ich fand mich nicht schön genug und habe auch unter einer Essstörung gelitten», sagt sie. Ihr Freund, mit dem sie heute verlobt ist, habe ihr geholfen, ihren Körper lieben zu lernen.
Geld verdient sie mit ihrem Profil keines – noch. «Ich könnte mir jedoch vorstellen, für Produkte, hinter denen ich stehen kann, zu werben», sagt sie. Besonders im Hinblick auf ein zukünftiges Projekt. Mit ihrem Freund baut sie derzeit einen Bus aus, um damit auf eine mehrmonatige Reise zu gehen. «Unterwegs etwas dazuverdienen wäre natürlich super, steht aber überhaupt nicht im Vordergrund», sagt sie.
Übrigens: Junge Menschen, die in heimelig ausgebauten Bussen die Strände dieser Welt bereisen, sind auf Instagram ebenfalls äusserst beliebt. «Ich freue mich schon auf die vielen Sujets, die wir entlarven können», sagt Kim Tschopp.
„Auf Instagram ist das meiste gestellt.“
„Nein!?“
„Doch!“
„Oh!“