Nebel
DE | FR
Leben
Influencer

Kim Tschopp und der grosse Unterschied zwischen Realität und Instagram

Kim Tschopp
Schein und Sein: Kim Tschopp auf Instagram und in der Realität. «Die Blume im Mund ist ein beliebtes Sujet», sagt sie. Sie findet es lächerlich und war froh, als das Shooting vorbei war.Bild: Janine Gloor

Kim Tschopp zeigt den grossen Unterschied zwischen Realität und Instagram

Kim Tschopp aus der Region Lenzburg hat 19'400 Follower und keine Angst vor unvorteilhaften Bildern.
01.09.2019, 14:3002.09.2019, 10:34
Janine Gloor / CH Media
Mehr «Leben»

Instagram ist ein Fotoalbum für Bilder aus dem Leben. Mit einem grossen Unterschied zum echten Leben: Auf der App Instagram sieht alles besser aus. Das liegt nicht nur an den Filtern, die einen Sonnenuntergang im Aargauer Mittelland in den Hintergrund von Edvard Munchs «Schrei» verwandeln.

Besonders Influencer – Personen, die auf Instagram mit Werbung Geld verdienen – wissen genau, wie sie ihr Leben auf Instagram hochstilisieren müssen, damit sie die Vorgaben der Instagram-Ästhetik erfüllen. Die Tricks reichen vom anmächeligen Arrangieren des Müeslis bis zum Retuschieren von Gesichtern, Körpern und Landschaften.

Kim Tschopp nervten diese perfekten Posts. «Die Bilder haben null Bezug zur Realität», sagt die 26-Jährige aus der Region Lenzburg. Anstatt sich weiterzunerven, startete sie vor ungefähr anderthalb Jahren ihren Instagram-Account mit dem Namen «the_truth_is_not_pretty» – die Wahrheit ist nicht hübsch. Sie postet jeweils zwei Versionen des gleichen Bildes: Eine perfekt inszenierte und eine aus dem wirklichen Leben.

1 / 10
Kim Tschopp: Der Unterschied zwischen Realität und Instagram
Bis ein Meerjungfrau-Bild im Kasten ist, braucht es viel Geduld, Luftanhalten und Nachbearbeitung. (bild: janine gloor)
quelle: janine gloor
Auf Facebook teilenAuf X teilen

«Ich wollte diese klassischen Instagram-Sujets auf die Schippe nehmen», sagt sie. Und das gelingt ihr wunderbar. Mit Humor und Scharfsinn demontiert sie die Lächerlichkeit, die den bekannten Posen und Sujets innewohnt. Sie posiert mit einer Blume im Mund in einem Mohnfeld oder mit einem Wollpullover bekleidet (Beine nackt) neben einer Pizza. Auf den Wirklichkeitsbildern spuckt sie die Blume angewidert aus oder sitzt gemütlich mit Pullover und Leggins auf dem Sofa und schaufelt eine grosse Gabel Raclette in sich hinein.

In echt – beim Treffen in der analogen Wirklichkeit – ist Kim Tschopp eine junge Frau, die viel lacht und bereitwillig über ihr Projekt spricht. «Ich stehe eigentlich nicht so gern im Mittelpunkt», sagt sie. Das Instagramprofil betreibt sie neben ihrem 100-Prozent-Job als KV-Angestellte. Ihre Followerzahl von 19'400 Abonnenten hat sie unter anderem dem Onlinemagazin «Bored Panda» zu verdanken. Nachdem dort ein Artikel über sie erschien, wurde dieser von diversen internationalen Portalen übernommen.

«Ich erhielt eine Nachricht von einem Türken, dass ich in seinem Land berühmt sei», sagt sie. In der Schweiz wissen längst nicht alle in ihrem Umfeld von ihrem Account. «Meine Familie und meine Freunde haben mich jedoch stets unterstützt», sagt sie. Anfangs habe sie sich manchmal überwinden müssen, um auch die unvorteilhaften Bilder zu posten. «Doch ich habe diese Scham schnell abgelegt», sagt sie.

Instagram
AbonnierenAbonnieren

«Ich mache nicht nur Comedy, sondern habe eine Message»

Die Texte, die Kim Tschopp ihren Posts hinzufügt, sind ihr wichtig. «Ich will nicht nur Comedy machen, sondern eine Message verbreiten», sagt sie. «Es geht mir um Selbstliebe.» Auf ihren Bildern – sowohl aufgehübscht als auch unvorteilhaft – scheint sie sich wohlzufühlen in ihrem Körper. Aber das war nicht immer so. «Ich fand mich nicht schön genug und habe auch unter einer Essstörung gelitten», sagt sie. Ihr Freund, mit dem sie heute verlobt ist, habe ihr geholfen, ihren Körper lieben zu lernen.

Geld verdient sie mit ihrem Profil keines – noch. «Ich könnte mir jedoch vorstellen, für Produkte, hinter denen ich stehen kann, zu werben», sagt sie. Besonders im Hinblick auf ein zukünftiges Projekt. Mit ihrem Freund baut sie derzeit einen Bus aus, um damit auf eine mehrmonatige Reise zu gehen. «Unterwegs etwas dazuverdienen wäre natürlich super, steht aber überhaupt nicht im Vordergrund», sagt sie.

Übrigens: Junge Menschen, die in heimelig ausgebauten Bussen die Strände dieser Welt bereisen, sind auf Instagram ebenfalls äusserst beliebt. «Ich freue mich schon auf die vielen Sujets, die wir entlarven können», sagt Kim Tschopp.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet um die Zahlung abzuschliessen)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Instagram-Künstler vermischt Kunst, Alltag und Populärkultur
1 / 31
Instagram-Künstler vermischt Kunst, Alltag und Populärkultur
Die Bilder auf dem Instagram-Profil des Künstlers Pietro Cataudella (@citylivesketch) zeigen, wie wenig es braucht, um aus der Realität etwas Fantastisches zu schaffen. Bild: instagram (@citylivesketch)
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Sogar die Influencerinnen lügen uns frech an!
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
24 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Macto
01.09.2019 14:50registriert Juni 2018
Neuster Insta-Influencer Trend: Wir sind die guten, ach so ehrliche Influencer, die zeigen wie fake und furchtbar Insta ist und kassieren damit viel Geld. Und Watson hat jetzt schon den x-ten Artikel darüber veröffentlicht...
3755
Melden
Zum Kommentar
avatar
Sauäschnörrli
01.09.2019 16:00registriert November 2015
Ein Thema dass die Medienschaffenden nicht loszulassen scheint.

„Auf Instagram ist das meiste gestellt.“
„Nein!?“
„Doch!“
„Oh!“
Animiertes GIFGIF abspielen
2243
Melden
Zum Kommentar
avatar
Filzstift
01.09.2019 15:31registriert August 2016
Aha.
1583
Melden
Zum Kommentar
24
Viel Blut fliesst in Gottes Namen – wie die «heilige Gret» sich kreuzigen liess
Im religiösen Wahn tötete eine Gruppe von Gläubigen 1823 zwei Frauen. Die Bluttat von Wildensbuch schockiert bis heute.

Familie Peter galt als sonderbar. Sie bestand aus Bauer Johannes, seit 1806 alleinerziehender Vater, mit seinen fünf Töchtern Elisabetha, Margaretha, Susanna, Barbara und Magdalena und einem Sohn. Das Familienoberhaupt wird als ordentlich und fleissig, aber auch als streitsüchtig, unehrlich und sehr abergläubisch beschrieben. Durch seine Angst vor dem Teufel wurde er zum religiösen Fanatiker und trat den «Erweckten» bei. Dies war eine christlich fundamentale Gruppierung, die ihre Legitimation durch persönlich erfahrene göttliche Erlebnisse begründete.

Zur Story