Ist es okay, mit einem Kollegen nach dem Weihnachtsessen im Bett zu landen?
Die Betriebsfeier, die sich von besinnlich zu sinnlich entwickelt, ist ein sich wiederholendes Motiv in der Rom-Com- und Porno-Welt. Nicht ohne Grund! Denn zwischen Glühwein und Spekulatius spielen sich manchmal echte Büro-Skandale ab.
Von widerlichen Grabschereien bis hin zur wahren Liebe kann dann so ziemlich alles entstehen. Was die Frage aufwirft: Sollte man dort mit Kolleginnen und Kollegen anbandeln? Und wenn ja – worauf gilt es zu achten?
Wir haben Lea Holzfurtner gefragt. Sie ist klinische Sexologin und Autorin des Buches «Dein Orgasmus» und coacht Menschen mit Vulva und Paare bei Orgasmus- und Lustproblemen in ihrer Praxis in Berlin oder online.
Obwohl sie sonst eine Befürworterin der Experimentierfreude ist, wird sie bei diesem Thema recht deutlich: «Mein Tipp: Lass es.» Im Folgenden erklärt sie, warum.
Weihnachtsfeier-Flirts sind eine häufige sexuelle Fantasie
Erstens sei es problematisch, dass auf der Weihnachtsfeier Grenzen verschwimmen. «Auch wenn’s gerade wie privat wirkt, du bist immer noch im beruflichen Kontext», erinnert Lea Holzfurtner. Die Folgen eines harmlosen One-Night-Stands sind kaum abzusehen. Sie führt aus:
Übrigens: Sex im Firmengebäude ist oft unerlaubt, was «arbeitsrechtlich relevant werden» kann, wie sie mahnt. Dennoch ist ihr klar, dass viele Menschen von einer steamy Büro-Romanze träumen.
«Viele finden es sexy», weiss die Sexologin. «Ich habe über 800 Menschen über meine Webseite nach ihren Fantasien befragt: Knapp 35 Prozent hatten schon mal die Fantasie, mit Vorgesetzten oder Praktikantinnen und Praktikanten Sex zu haben.» Gerade der Regelbruch steigerte die Aufregung und damit die Lust. Neuheit sei zudem der Faktor, «der unsere Lust am stärksten boostet.»
Konflikte im täglichen Arbeitsumfeld sind danach kaum zu vermeiden
Der Spass daran sei normal, aber «Suche dir Spielpartner, die nicht mit dir arbeiten», rät Holzfurtner. Wenn du es trotzdem machst, «beschränke dich auf Kolleginnen und Kollegen, die du im Joballtag nicht siehst.»
Sie gibt Beispiele:
Es sei nie auszuschliessen, dass sich im Nachgang unvorhergesehene Konflikte ergeben. «Als Sexologin stehe ich konsensuellem casual Sex sehr positiv gegenüber», betont Lea Holzfurtner. Doch müsse man aufpassen, dass man sich und der anderen Person dabei nicht versehentlich schadet.
Die Expertin: «Ich bin mir durch meine Klientinnen und Klienten auch bewusst, dass Menschen sich in solchen Situationen immer wieder selbst überschätzen und überfordern.» Der Arbeitsplatz sei «nicht der beste Ort», um herauszufinden, «ob casual Sex etwas für einen ist.»
Wenn es der Anfang einer grossen Liebesgeschichte ist
Was aber, wenn du schon seit Jahren mit dieser einen Person auf eine echte Verbindung hinsteuerst und es die bequemste Gelegenheit wäre, deinem Schwarm endlich näherzukommen?
Auch dann ist das Setting Betriebsfeier nicht ideal, findet Holzfurtner: «Wenn ihr euch wirklich mögt, gilt: lieber nüchtern, bewusst und mit Klarheit.» Eure Liebe muss nicht mit einer betrunkenen Knutscherei vor den Augen der Personalabteilung beginnen. Dann lieber «ein Start abseits der Party, zum Beispiel ein Treffen nach Feierabend», sagt die Expertin.
Die Gefühle klarzukriegen, sei generell wichtig. Daher rät die Sexologin zu einem offenen Gespräch, bevor es zur corporate Kopulation kommt:
Ghosten ist hier keine Option. Die Sexologin warnt davor, im Nachgang so zu «tun, als wäre nichts gewesen, denn das führt fast immer zu Spannungen!»
Machtgefälle und Alkoholkonsum als Risikofaktor auf Betriebsfeiern
Vielleicht das noch wichtigere Problem ist, dass die Frage des Konsenses in Arbeitshierarchien hochkomplex ist. Die Sexologin erklärt: «Gerade, wenn auf Weihnachtsfeiern viele Mitarbeitende unterschiedlicher Machtpositionen gemeinsam feiern, ist nur ein enthusiastisches Ja ein Ja.» Wer Nachteile durch eine Ablehnung befürchtet oder sich berufliche Vorteile verspricht, entscheidet nicht mehr frei.
«Wenn es ein direktes Reporting zwischen den beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt, also eine der beiden Personen über Gehalt, Boni oder Verbleib in der Firma der anderen Person entscheiden kann, ist Sex nicht in Ordnung», sagt Lea Holzfurtner klar. «Ich hab nicht das geringste Verständnis für Personen, die innerhalb derer, die sie managen, daten oder Sex haben.»
Selbst wenn dieses Machtgefälle nicht bestünde, hätte die Expertin noch weitere Bedenken, wie sie ausführt: «Wenn jemand stark betrunken oder berauscht ist, ist kein echter Konsens möglich.» Das gilt, auch wenn das Interesse beiderseitig scheint. «Wenn du auch nur gering zweifelst, ob die Person klar zustimmen kann, lass es», schliesst Holzfurtner.
Wer es also gerne emotional kompliziert und potenziell karriereschädigend mag, der könnte beim Sex zur Weihnachtsfeier auf seine Kosten kommen. Allen anderen sei geraten: Stürze dich lieber aufs Büffet als in eine Affäre.
