Es hat auf dem Mittelmeer gefunkt. Auf der Rock & Blues Cruise vor acht Jahren. Polo Hofer war da, Stiller Has war da, alle waren da. Endo hielt grosse Stücke vom Mundartpionier und nannte ihn seinen Onkel. Und es war Onkel Polo höchstpersönlich, der Endo Anaconda eine zierliche Frau aus dem Aargau vorstellte: Sonja Schnider.
Polo war mit der Zwillingsschwester Marion befreundet und sagte zu Endo: «Die muesch kenne lehre, vo dene gits zwöi, das isch e Cooli». Aus dem Smalltalk wurde ein langes Gespräch auf dem Hinterdeck – bis in die frühen Morgenstunden. Es folgten Telefonate, gemeinsame Abende in Bern, auch mit der Zwillingsschwester und Polo. «Unsere Beziehung brauchte ihre Zeit», sagt Sonja.
Es war ein ungleiches Paar: Er, der bärbeissige, schwergewichtige Schwerenöter, sie die kleine, schmächtige, hübsche, lebenslustige und 14 Jahre jüngere Sportskanone. Viele aus ihrem Umfeld verstanden die Beziehung nicht. «Ich musste mir einiges anhören», sagt Sonja. Von «du vergibst deine besten Jahre!» bis «das ist doch keine Beziehung!».
Doch Sonja wusste es besser. Sie hat ihn von einer ganz anderen Seite kennengelernt. Endo, der sanfte, feinfühlige Riese.
Es war eben nicht so, wie es aussah. Endo war auf der Bühne ein anderer Mensch. Mächtig und kräftig. In Diskussionen ein resoluter und lauter Polteri. Ein Vulkan, der immer wieder glühte und ausbrach. Seine Ausraster und Verbalattacken waren legendär und gefürchtet. Er konnte immer wieder auch Leute erschrecken und vor den Kopf stossen. «Mir gegenüber war er aber eine ganz feine Person», sagt Sonja, «die verbalen Ausbrüche richteten sich nie gegen mich.»
Sonja war vielmehr die Einzige, die Endo besänftigen konnte – und seine Opfer trösten musste. Sie konnte und durfte ihm Paroli bieten und hat ihm immer wieder den verrückten Kopf zurechtgerückt. «Am anderen Tag bereute er jeweils seine Ausbrüche und es tat ihm leid. Manchmal war er wie ein kleiner Bub», erzählt Sonja.
«Privat und in Beziehungsfragen war Endo ein schüchterner Mensch», sagt Sonja. Die verletzliche, sensible Seite zeigte er nach aussen nie. «Du bist von uns beiden die Starke», sagte der Koloss immer wieder zu ihr und konnte sich bei ihr immer wieder ausweinen. Sie, die Zierliche, war der Fels in der Brandung, der dem Schwergewicht immer wieder auf die Beine half. Bei ihr konnte er auftanken und zum Lachen finden.
Beide hatten zuvor ihre Erfahrungen mit Beziehungen gemacht. Endo hatte drei Kinder im Alter von 14, 22 und 30 Jahren von drei Frauen. Aber nur mit der zweiten war er verheiratet. Keine Beziehung war wirklich dauerhaft und auch die Ehe hielt nur zwei Jahre. Und in jungen Jahren war der Hase auch ein Rammler. Endo war zu rast- und ruhelos. Und wenn man ihn wirklich gebraucht hätte, war er nicht da. Es sind die Schattenseiten eines Mannes, der immer unterwegs war, unterwegs sein musste, um für seine Lieben zu sorgen und die Alimente zahlen zu können. Er liebte seine Kinder über alles.
Als sie sich kennen lernten war Endo stark in den Drogen. Kokain und Alkohol ergaben eine ebenso ungesunde wie explosive Wirkung. Diese Mischung hat seine gefürchteten Ausraster noch verstärkt. In solchen Momenten hatte er sich nicht mehr im Griff. Auf ihre Empfehlung kam Endo sukzessive von den Drogen und vom Alkohol los und hat stattdessen mit Sport begonnen. Regelmässig ging er ins Fitness und fand auch Gefallen daran. Bis Corona das Training vor einem Jahr wieder abrupt beendete.
Endo und Sonja pflegten eine spezielle Beziehung, die nicht alle verstanden. Er hat die Nähe gesucht, gleichzeitig auch Raum und Luft gebraucht. Es war aber Endo, der immer wieder anregte, zusammenzuziehen. Er blieb hartnäckig, bis er sich durchsetzte. Zwei Jahre dauerte das Experiment in einer gemeinsamen Wohnung in Erlinsbach, bis es beiden wieder zu eng wurde und Endo sich in sein Heimetli im Emmental zurückzog.
Endo und Söne blieben ein Paar, man sah sie weniger zusammen, telefonierte und schrieb umso intensiver. «Während der Coronazeiten haben wir täglich telefoniert. Auch wenn wir uns eigentlich nichts zu berichten hatten», sagt Sonja.
Was bleibt, sind die Erinnerungen an einen aussergewöhnlichen und lieben Menschen und viele, viele Briefe. Es ist ihr kleiner Schatz. Sonja war für Endo Freundin, Muse und Kumpel. Während der acht Jahre hat die Beiden auch eine intensive Brieffreundschaft verbunden.
Das Handgeschriebene entsprach beiden. Karten, Briefe, Couvert, und ab die Post. Banales, tiefgründig Philosophisches und Spirituelles. Rund 250 Briefe sind über die Jahre zusammengekommen. Es war ein wichtiger Teil ihrer Kommunikation, ihrer Beziehung.
Sie war für ihn Petzi, der kleine Bär. Sein Kosename war Mammut. Massig und niedlich wie Mani im Film «Ice Age». «Diese Briefe gehören nur mir. Wir hatten keine normale Beziehung, man hat uns auch selten in der Öffentlichkeit gesehen. Aber sie hat uns entsprochen», sagt Sonja und ist überzeugt:
Alle waren überrascht, alle waren überrumpelt und geschockt vom plötzlichen Tod von Endo Anaconda. Auch oder erst recht sein nächstes Umfeld. Er lebte zuletzt hauptsächlich in seinem Heimetli im Emmental, wo noch mit Holz geheizt werden musste.
Ende des letzten Jahres musste er immer wieder Husten. Er sprach von einer Rauchvergiftung oder vermutete Corona. Deshalb zog er noch im Dezember nach Olten und wohnte vorübergehend im Hotel Astoria. Geplant war, dass er in Olten eine Wohnung beziehen würde. In der Nähe seines Duo-Partners, dem Pianisten Roman Wyss und seiner Frau Annetta. Aber auch in der Nähe seiner Freundin Sonja Schnider, die in Erlinsbach wohnt.
Letzte Woche musste er notfallmässig ins Spital Olten eingeliefert werden. Diagnose Lungenkrebs. Am Donnerstag darauf meldete er sich bei seiner Freundin aus der Palliativstation. Etwas Gutes habe seine Einlieferung: Er rauche nicht mehr.
Endo sprach von den Krähen, seinen Lieblingstieren, die bei ihm seien und meinte, er habe sein Leben gelebt. Er habe keine Angst vor dem Tod, aber er wolle nicht leiden, keine Schmerzen haben. Es klang nach Abschied. Tatsächlich war es das letzte Mal, dass sie miteinander telefonierten.
Sein ganzes Leben lang hat Endo Anaconda ungesund gelebt. Bei der Diagnose Lungenkrebs kann es ein paar Wochen, Monate oder maximal noch ein Jahr gehen. Endo Anaconda hat schnell gelebt und ist schnell gestorben. In der Nacht auf Mittwoch ist er für immer eingeschlafen.
(aargauerzeitung.ch)
Haut ä wiude Has dür Endo.
😂