Als ich 1996 nach Zürich kam, liessen alle Single-Boys die Köpfe hängen und summten leise: «Ich hätte lieber eine Freundin, ich möchte lieber ein Mädchen kennenlern'.» Dazu raunten sie den Namen Guz als wäre er ihr Guru und sagten: «Vergiss Züri West, die Aeronauten sind die einzigen, die zählen.» Guz war der Boss der einzigen, die damals gerade zählten, und der Song «Freundin» eine Hymne.
Guz alias Olifr M. Guz alias Oliver Maurmann, zur Welt gekommen 1967 in Konstanz, zum Guru geworden in Schaffhausen, war gut. Ein Guter. Sänger, Songwriter, Produzent, eine Gegenwart, ein Gegenwert zum Gift trüber Tage, ein Herz. Das nicht mehr schlägt. Nach 52 Jahren.
Das Erfolgsrezept von Guz und seiner Band bei den Girls in der Schweiz und in Deutschland war ganz einfach: Zu dieser Musik liess sich tanzen. Das war irgendeine Mischung von vielem (fachkräftige Musikjournalisten würden sich an dieser Stelle in einem Labyrinth der Begrifflichkeiten verausgaben), und immer war da eine sehr vitale Grundierung aus Punk, garniert mit oft lustigen Texten über Liebeskummer, Drogen, Sehnsucht, die Dunkelheit am Rande der Landstrasse des Lebens. Doch ein rebellischer, romantischer Kern war immer wahr.
«Das Ironische ist nicht nur einfach eine Umkehrung von dem, was ich meine. Was ich wirklich meine, ist auch tatsächlich immer dabei. Und relativ vordergründig hörbar», sagte Guz vor acht Jahren in einem Interview. «Ich singe selten über jemand anderen, es sind immer Personen, die ich kenne und von denen ich auch Teil bin. Was mich gar nicht interessiert, ist, über Leute zu singen, die nicht da sind. Es interessiert mich nicht, über furchtbare Politiker, böse Banken, Nazis, Kommunisten zu singen. Denn diese Leute sind nicht da, die sind weder auf unseren Konzerten, noch kaufen sie unsere CDs.»
2014 spielte er in der SRF-Web-Serie «Güsel» einen von drei Müllmännern aus Schaffhausen, einem Ort, dem die korrekte Schönheit für das Abfallwesen abhanden gekommen ist. Er übte sich da mit Gabriel Vetter und Michael von Burg in der Steigerung von Pedantentum und war dabei ein Mann ohne alle Ambitionen. Dafür wusste er, dass die Nasa ein Kamel züchtet, das so klein ist wie eine Katze, und störte sich am Geräusch, das Gehörlose machen, wenn sie mit den Händen sprechen. Im Ruheabteil!
Auch im richtigen Leben hatte er so seine schrulligen Steckenpferde. Die Modellflugzeuge, die er so gerne bastelte, weil er sich für Aeronautik begeisterte (was seiner Band den Namen gab), waren dabei die harmlosere seiner beiden mit Himmelsmaschinen verbundenen Leidenschaften. Die andere gehörte nämlich sämtlichen Verschwörungstheorien, die behaupteten, dass die Nazis Ufos erfunden hätten.
2015 erschien das letzte Aeronauten-Album «Heinz» und die «Zeit» schrieb darüber: «Es gibt so Bands, die können gar nichts falsch machen. So wie die Aeronauten. Die haben sich schon vor bald zwei Jahrzehnten mit ‹Jetzt Musik› einen Platz im Himmel verdient. Danach kreisten die Schweizer womöglich ein paar Mal zu oft um sich selbst, oder genauer: um die eh schon verdrehte Psyche ihres Masterminds Oliver Maurmann alias Guz. Nun aber ist der Band aus Schaffhausen ein neuer grosser Wurf gelungen.»
Er war ein Mann, der auf erschreckend konsequente Weise zu seinem Wort stand: «Ich würde vermuten, die Aeronauten verlässt man nur mit den Füssen nach vorn», sagte er einmal, leider hat ihn jetzt ausgerechnet sein Herz dazu gezwungen, Wort zu halten.
2008, so schreibt der «Tages-Anzeiger», «erleidet der Sänger einen Herzanfall. Fünf Bypässe, ein implantierter Defibrillator, mehrere Monate Reha», er erholt sich davon nie so richtig, es folgen weitere Infarkte, schliesslich wartet er mehrere Jahre auf ein Spenderherz, vergeblich, in der Nacht auf den vergangenen Montag hört sein eigenes müdes Herz zu schlagen auf. Wir können ihn nur vermissen.
Er konnte gut warten. Er war ein Profi in dieser Disziplin. Endlose Busfahrten, Backstage-Hockerei waren sicher eine gute Schule, aber er hat das schon mitgebracht, das Unaufgeregte, die Ruhe, das Stoische, die Coolness, wie immer man das nennen mag. Und dann im richtigen Moment zuschlagen, die Katze aus dem Sack lassen, den Bär auspacken, den richtigen Spruch bringen, locker aus der Hüfte geschossen und treffsicher wie Wilhelm Tell. Apropos: Wir waren in Berlin ca. 2010 an der Bar vom Laden, wo wir am Abend spielen sollten. Oli will was bestellen und der Barmann fragt mit leicht angepisstem Tonfall: «Und wer bist du?», worauf Oli antwortet: «Ich bin der König der Schweiz und befehle dir, mir ein Bier auszuschenken.» So einer war er.
Er hat die letzten Monate seine Königsdisziplin zur Vollendung gebracht. 114 Tage im Spital gewartet auf ein neues Herz. Gewartet mit unaufgeregter Grösse, Humor und Anstand. Nie ein böses Wort. So war er im E29 Ost, seiner letzten Wohnung. Wir haben dort alte Geschichten aufgewärmt, viel gegackert und Pläne geschmiedet für die Zeit nach der OP. Die Platte fertig machen, die Tour ca. dann. Alles wird gut. Wir haben nicht daran gezweifelt. Wie sollte es auch anders sein.
Am Ende des 114ten Tages hatte das Warten ein abruptes Ende.
Olifr M. Guz du fehlst uns sehr.
In Liebe Motte, Dani, Roger, Marc, Lukas, Pepi
Wir wollen es noch immer gar nicht richtig glauben. Olifr M. Guz, unser Oli, ist gestorben. Olifr war einer der Guten und einer der Grossen. So ein lustiger, so ein schlauer, so ein liebenswürdiger Mensch! Oli hat mit seiner Musik und seinen Texten so viele Leute geprägt, sie unterstützt und gefördert und auf die Bühne gebracht. Dass er jetzt einfach nicht mehr da sein soll, ist so schwer zu verstehen. Ach Oli. Vielen Dank für all die tollen Lieder, die ausufernden Plaudereien, Deine fantastischen Ideen; danke für die Zeit mit Dir. «Güsel» wär nicht «Güsel» geworden ohne Dich. Wir sind in Gedanken bei Linda und Linus und allen, denen er jetzt so fest fehlt. Gute Reise, bis dann, und diesen da: Gabriel, Debbie, Jan und das gesamte «Güsel»-Team
Quellen: Facebook
Du und deine Musik begleiten mich seit wilden Jugendtagen in den 80igern. In Guz we trust!