Wunderbar. Der Film ist ganz einfach wunderbar. Was für ein tolles, verschwenderisches Vorweihnachtsgeschenk! Viel hat man ja in den letzten Wochen schon gesehen von den diversen roten Teppichen, die für «House of Gucci» ausgerollt wurden: Wie Lady Gaga einen Violetten-Schleier-Tanz aufführte, wie Jeremy Irons die vermeintlich vergammeltsten Schuhe trug, die Hollywood jemals ausserhalb der Leinwand gesehen hat, wie Jared Letos Handtasche einem mit Glitzer überzogenen menschlichen Herzen nachempfunden war, wie Salma Hayek einem aus Goldfolie gefältelten Weihnachtsengel glich. Nur Adam Driver, der schöne Adam, hatte keinen Spass an modischer Exzentrik und trug stets seriöse Anzüge.
Jetzt ist also endlich der Film zur Mode da. Und damit der Film über ein Modeimperium. Ein italienisches. Und über die wahre Geschichte eines Paares, bei dem der Mann von seiner Frau lernte, dass Gier schon irgendwie geil ist, und bei dem die Frau am Ende einen Auftragskiller auf ihren Mann hetzt.
Die grosse Gucci-Soap bietet alles: Eine romantische Liebe, die sich in reinsten Hass verwandelt, einen Bruderzwist, einen Mann, der sich für ein Genie hält, aber der idiotischste aller Idioten ist, und eine Hohepriesterin, die aus dem TV kommt und mit ihrer Wahrsagerei alles noch viel schlimmer macht. Und jede Menge Milano, New York, Villen, Penthouses und Mode bis zum bitteren Mord. Dazu die grössten Hits der 70er-, 80er- und 90er-Jahre. Und Opernarien.
Die Geschichte ist in ihren grossen Zügen bekannt und schnell erzählt und in allem total over the top: 1978 lernt die Transportunternehmer-Tochter Patrizia Reggiani auf einer Party den Jurastudenten Maurizio Gucci kennen. Er ist süss und gut erzogen, sie eine Sexbombe mit extra Zuckerguss, und sie erkennt, dass er die beiden grossen Bedürfnisse in ihrem Leben erfüllen kann: das nach Liebe und das andere nach Geld und Erfolg.
Mit manipulativem Geschick beginnt sie, die miteinander verkrachten Männer der Familie Gucci erst miteinander zu versöhnen – und dann wieder so gegeneinander aufzubringen, dass ihr Maurizio schliesslich als grösster aller Kriegsgewinnler dasteht. Nur nützt ihr das nichts: Maurizio will jetzt noch mehr als Patrizia. Mehr Luxus in Form von Autos, Kunst und Wohnsitzen – und eine andere Frau an seiner Seite. Denn Patrizia ist jetzt – wir sind in den 90ern angekommen – sowas wie die Gucci-Kollektion vom vorvorletzten Jahr. Eine Frau mit dem Schönheitsideal der 50er, dem Geschmack eines Weihnachtsbaums und dem Temperament eines ausgebrochenen Vulkans.
Am Ende steht auch Maurizio ohne Gucci da. Das hochverschuldete Unternehmen geht an irakische Investoren, die schon Tiffany saniert haben. Niemand aus der Famiglia Gucci ist heute noch in das Modehaus involviert.
Lady Gaga ist Patrizia und entfesselt alles, was von Haus aus an italienischem Erbe in ihr steckt. Sie ist laut, leidenschaftlich und absolut unbelehrbar, ein bisschen Sophia Loren und Anna Magnani, und wie der ganze Film ist auch sie eine einzige Liebeserklärung an alles Italienische im amerikanischen Kino. Regisseur Ridley Scott hat da ganz klar seinen inneren Coppola und Scorsese gechannelt.
Adam Driver als Maurizio Gucci ist sowas wie das vornehmste und intelligenteste Gewächs einer Familie, die ansonsten in aller Dekadenz und Selbstzufriedenheit verkommt. Bevor er selbst der Geldkrankheit erliegt. Sein Vater Rodolfo (Jeremy Irons) verdämmert schon zu Lebzeiten in einem Mausoleum, wo er den Ruhm seiner jungen Jahre als Schauspieler zu konservieren versucht. Sein Onkel Aldo (Al Pacino) ist der hemdsärmlige und kriminelle Geschäftsmann des Imperiums, dessen dummer Sohn Paolo (Jared Leto) hält sich für einen Designer, schafft aber nie mehr als grässlich geschmacklose Trainer.
Driver ist der Mann, den aktuell jede Frau im Kino sehen will. Nicht zuletzt beim schicken Skifahren in St. Moritz. Irons und Pacino als Bruderpaar sind sowas wie der Himmel der Schauspielkunst. Leto ist Leto in einem krassen Fatsuit. Aber auch okay. Und Salma Hayek als esoterische TV-Wahrsagerin Pina mit Beziehungen zum organisierten Verbrechen ist das Tüpfelchen unter dem Ausrufezeichen.
«House of Gucci» ist Liebes-, Familien-, Mode-, Wirtschafts- und italienische Mentalitätsgeschichte in einem. Ein easy konsumierbarer Film, der einem das Jetzt für zweieinhalb Stunden derart gründlich und vergnüglich vergessen lässt, dass man das Kino überglücklich verlässt. Ein wunderbarer Film.
«House of Gucci» läuft ab dem 2. Dezember im Kino.
Die deutsche Fassung ist dann aber zum Glück akzentfrei.
Aber die Entscheidung, die Schauspieler Englisch mit italienischem Akzent sprechen zu lassen finde ich, gelinde gesagt, ziemlich bescheuert.