Jordan Peele hat einen neuen Horrorfilm gedreht. Falls euch der Name nichts sagt, ist das nicht so schlimm. Aber vermutlich kennt ihr diesen bekannten Ausschnitt aus Peeles letztem Film:
Es handelt sich um einen Ausschnitt aus dem Horrorstreifen «Get Out», mit dem Peele 2017 nicht nur sein Regiedebüt, sondern auch einen Überraschungshit abgeliefert hatte. Der Film war nicht nur ein ziemlicher Mindfuck, sondern brachte auch die Rassenthematik in das Horrorfilm-Genre. Peele nutzte die Geschichte geschickt, um zu zeigen, wie es für schwarze Personen sein kann, in einer weiss dominierten Gesellschaft bestehen zu müssen.
Dieser frische Wind im Horror-Genre brachte dem Film ganze vier Oscar-Nominationen ein. Am Schluss durfte Peele den Oscar für das beste Originaldrehbuch entgegennehmen. Seither kann sich der Regisseur und Drehbuchautor vor Aufträgen kaum mehr retten. Für Youtube entwickelte er die Zukunftssatire «Weird City» und für CBS das Remake der Kultserie «The Twilight Zone», welche Anfang April erscheint.
Zuerst ist aber der zweite Film von Peele an der Reihe, der unter den Argusaugen der sehnlichst wartenden Fans nun endlich im Kino angekommen ist. Peele selbst sagte, dass er mit «Wir» einen etwas klassischeren Horrorfilm abliefern wollte, der nicht mehr so viele Genres vermische, wie es noch «Get Out» getan hat.
In «Wir» begleiten die Zuschauer die Familie Wilson zu ihrem Ferienhaus in der Nähe von Santa Cruz. Sie alle wollen sich eine schöne Zeit machen. Für Vater Gabe bedeutet dies, in einem gebrauchten Motorboot rumzukurven, während seine Frau Adelaide lieber ein paar ruhige Tage mit Lesen verbringt. Was sie auf keinen Fall will, ist an den Strand von Santa Cruz, denn dort hat sie als Kind in einem Spiegelkabinett eine so verstörende Situation erlebt, dass sie danach unter einer posttraumatischen Belastungsstörung litt.
Selbstverständlich überredet ihr Mann sie schliesslich, doch an besagten Strand zu gehen und von da an nimmt das Unheil seinen Lauf. Was Adelaide ihrer Familie nämlich verschwiegen hat, ist, dass sie damals im Spiegelkabinett eine Doppelgängerin von ihr getroffen hat. Obwohl sie diese danach nie wieder sah, hat sie das Gefühl, seither von ihr verfolgt zu werden. Doch es kommt noch viel schlimmer, denn bald sieht sich die ganze Familie mit ihren jeweiligen Doppelgängern konfrontiert – und diese führen Böses im Schilde.
Jordan Peele ist ein Perfektionist. Das merkt man dem Film an. Von der ersten bis zur letzten Einstellung ist «Wir» visuell mit viel Liebe zum Detail gestaltet. Das beginnt schon im Prolog mit den wunderschönen Aufnahmen eines Jahrmarktes in den 80er-Jahren, die einen wieder in Kindheitstage versetzen, nur um visuell nach und nach in das düstere, klassische Horror-Genre abzurutschen.
Auch im Verlauf des weiteren Filmes präsentiert uns Peele einen Horrorfilm der ästhetisch einfach nur schön anzusehen ist. Wundervoll ist dabei sein Spiel mit Licht und Schatten, das einen fast schon an die alten Horrorklassiker erinnert, in denen wir uns noch nicht mit unzähligen Jump-Scares und CGI-Monstern abmühen mussten.
Und genau das ist eine der Stärken des Films. Peele versucht, die gängigen Klischees der heutigen Horrorfilme zu vermeiden und den Zuschauer wirklich zu überraschen. In diesem Film gibt es keine Opfer, die sich vor lauter Dummheit schon fast selbst umbringen. Oder nervende Kinder, die durch ihr Gekreische immer wieder alle in Gefahr bringen. Stattdessen packen Tochter und Sohn gleich selbst mit an und versuchen, ihren jeweiligen Kontrahenten in den fiesen Doppelgängerarsch zu treten.
Oftmals sind es sogar die ruhigen Situationen, in denen scheinbar nichts passiert, die am meisten an den Nerven zehren. Peele weiss genau, wie er seine Protagonisten und auch die Zuschauer psychisch immer wieder kitzeln und herausfordern, vielleicht sogar überfordern kann.
Wer sich in der Populärkultur auskennt, insbesondere im Bereich Horror, dürfte ebenfalls sehr viel Freude an «Wir» haben. Denn im Film verstecken sich so viele Easter Eggs, Querverweise und Hommagen an andere Filme, dass man ihn wohl mehrmals gucken muss.
Auch der Witz, welcher sich fast bis zum Schluss durch den ganzen Film zieht, ist gelungen. Dabei setzt «Wir» nicht auf plumpe Situationskomik, sondern vielmehr auf bissige Satire, welche fast schon beiläufig in verschiedene Szenen eingebettet ist. Vor allem dem amerikanischen Traum pinkelt Peele mit seiner Geschichte ordentlich ans Bein. Dabei verschont er seine Hauptfiguren genauso wenig wie die Gegenspieler. Glücklicherweise übertreibt es Peele damit aber nicht, denn eine Horrorkomödie ist dieser Film ganz sicher nicht.
Wie schon bei «Get Out» schafft es Peele, seine Geschichte bis zum Schluss undurchschaubar zu halten. Zwar gibt er einem immer wieder das Gefühl, man wisse, auf was alles hinausläuft, doch eigentlich tappt man bis zum Ende im Dunkeln.
Dennoch: Der finale Akt des Filmes, der schliesslich auch alles auflöst, ist nicht unbedingt sehr glaubhaft. Klar, man kann diesen Film so auflösen und die ganze Geschichte als schlüssig ansehen. Allerdings lässt er einen auch ein bisschen mit einem unbefriedigenden Gefühl zurück und dürfte vom einen oder anderen einiges an gutem Willen verlangen.
Vielleicht ist das aber auch nur Meckern auf hohem Niveau, denn insgesamt ist «Wir» ein gelungener Film. Und das Beste daran: Auch wenn es die eine oder andere blutige Szene gibt, verzichtet der Film auf eklige Slasher-Momente, in welchen die Kamera voll draufhält. Danke dafür.
«Wir» startet am 21. März in den Deutschschweizer Kinos. Die Laufzeit beträgt 116 Minuten.
PS: Falls du dir zuerst noch «Get Out» reinziehen willst, findest du den Film als Video on Demand auf iTunes, Google Play, Youtube, Exlibris und Hollystar.
Ich freue mich auf den Film vorallem auf das Spiel mit Licht und Schatten. Die Jogging Szene bei Get out ist mir lange danach noch geblieben.