Man mag von der achten Staffel «Game of Thrones» halten, was man will. Fakt ist: «GoT» gehört noch immer zum Besten, was die Serienwelt hervorgebracht hat. In der sechsten und letzten Folge der achten Staffel hatten die Autoren nun die schwere Bürde, alles zu einem zufriedenstellenden Ende zu bringen – in gerade einmal 74 Minuten.
74 Minuten sind nicht viel. Normalerweise sind stupide Action-Filme oder Komödien so lang, die nicht genug Inhalt haben, um mehr als 74 Minuten zu füllen. Selbstverständlich hatte «Game of Thrones» 72 Folgen lang Zeit, alles so vorzubereiten, dass am Ende 74 Minuten reichen, um die Geschichte sinnvoll abzuschliessen.
Wenn die letzte Folge mit etwas überrascht hat, dann nicht, dass Dany starb, sondern wie früh in der Folge das geschah. Nichts da mit einem letzten Ringen um die Macht, sondern ein schneller, hollywoodreifer Tod in den Armen von Jon, der wie aus «Star Wars 7» abgeschrieben wirkte. (Die anschliessende Sequenz mit dem Drachen schweigen wir jetzt einfach mal tot.)
Hier zeigt sich, was der Schwachpunkt von Daenerys jüngster Charakterentwicklung war: die fehlende Zeit. Dass Dany grausam ist und schlussendlich durchdreht, ist völlig plausibel. Das hat Tyrion in einer ausführlichen Rede gegenüber Jon noch einmal rekapituliert, so dass auch der hinterletzte Dany-Anhänger zugeben musste, dass da was dran ist.
Was aber gefehlt hat, war die emotionale Verbundenheit mit Daenerys' neuen Charakterzügen. Auch wenn Danys Wahnsinn schon immer vorhanden war, ging ihre Wandlung von der «gerechten» Befreierin zur irren Königin viel zu schnell vonstatten. So steckte man emotional irgendwo zwischen «ich mag Daenerys noch immer» und «ich muss die neue, böse Dany jetzt schlecht finden» fest.
Wie viel interessanter hätte Daenerys' Charakter werden können, hätte man ihre definitive Wandlung zur irren Königin in mehr als nur einer Episode vollziehen können. Figuren, welche aus moralischer Sicht böse sind, die man aber trotzdem mag, sind mit Abstand am spannendsten und dieses Potential wäre bei Dany durchaus vorhanden gewesen.
Weder hat man das Entsetzen gefühlt, das Ned Starks' Tod hervorgerufen hat, noch die Schadenfreude von Joffreys Ableben. Vielmehr hat Daenerys' Tod wie ein Punkt auf einer To-do-Liste gewirkt, den man schon lange vor sich hergeschoben hat und nun endlich abhaken kann. Da hat einem der Tod von Cersei viel mehr mitgenommen, vor allem in dem Moment, in welchem man sie ein letztes Mal zu sehen bekam.
Das gleiche Problem gab es mit Jon Schnee. Dass es Jon war, der schlussendlich das Nötige tat, um das Rechte zu tun, koste es was es wolle, ist okay. Es entspricht seinem Charakter. Dennoch ist solch eine Entscheidung ein harter und langer Prozess, mit dem vor allem ein Jon Schnee zu ringen haben dürfte. Dass da ein Einwand von Tyrion reicht, um Jon zu so einer Entscheidung zu treiben, wirkt überhastet.
Ja, Jon würde wohl, um das Reich und seine Familie zu schützen, Dany töten. Doch wäre es schön gewesen, wenn wir beispielsweise in einer Episode sein innerliches Ringen hätten miterleben dürfen, das schlussendlich zu dieser Entscheidung geführt hätte.
Positiv an diesem ganzen Szenario, wenn man so will, war, dass die Macher danach genug Zeit hatten, um sich gebührend von allen Charakteren zu verabschieden. Dieser Entscheid dürfte die Zuschauer allerdings in zwei Lager spalten. Die einen werden diesen Ausgang schon fast als Happy End verteufeln, die anderen sind froh, dass man nicht mit einem Arschtritt aus Westeros gekickt wurde.
Tatsächlich ist es etwas gewöhnungsbedürftig, praktisch im Schnelldurchlauf zu sehen, wie schlussendlich mehr oder weniger alles gut kommt:
Selbst die Ernennung von Tyrion zur Hand des Königs wirkt eher wie ein Happy End. Ja, der Gnom ist es müde, weiterhin auf dem politischen Parkett zu tanzen, doch ob es wirklich so eine grosse Bestrafung für ihn ist?
Immerhin ist er jetzt von einem Rat umgeben, der zwar ungehobelt ist, aber auch mehr oder weniger aus seinen Freunden besteht. Da hätte ein Tyrion, der enttäuscht und verbittert auf Casterlystein sitzt, fast mehr Reiz gehabt.
Dennoch braucht es auch einen Abschied und vielleicht darf dieser nach acht Staffeln Tod und Intrigen auch etwas versöhnlicher ausfallen. Es gibt viele Zuschauer, die so etwas einfach brauchen, und sind wir mal ehrlich: Staffel acht war in grossen Teilen vor allem Fanservice. Bildstarke Schlachten, der Cleganebowl und Brienne landet endlich mit Jaime im Bett. Da scheint es nur plausibel, dass am Schluss alles gut wird, zumindest soweit das die brutale Welt von «Game of Thrones» zulässt.
Ein bisschen Schadenfreude dürften die Autoren sicher dabei gehabt haben, Bran auf den eisernen Thron (der jetzt wohl umbenannt werden muss) zu setzen. Schon fast ein bisschen frech ist dabei die Antwort auf die Frage, welche sich die Fans während der ganzen achten Staffel gestellt haben:
Wie wir jetzt wissen, war er die längste Zeit dafür da, ein weiser und gerechter König zu werden. Okay. Im Nachhinein betrachtet war das wohl der einzig mögliche Ausweg für die Drehbuchautoren, um die Charakterentwicklung von Bran in der achten Staffel nicht völlig lächerlich wirken zu lassen.
Schön ist hier zumindest, wie der Bogen zum Anfang der Geschichte geschlagen wird: Sind die Starks am Ende der ersten Staffel geschlagen und zerstreut, stehen sie am Schluss vereinigt und als Sieger da.
Auch sonst hat die letzte Folge die grossen Fragen zumindest beantwortet und selbst den Gerüchten, wonach Jaime und Cersei noch am Leben sein könnten, ein Ende gesetzt.
Etwas schade war dabei, dass 74 Minuten eben doch nicht genug waren. Das merkt man an den zeitlichen Sprüngen, welche die Handlung immer wieder macht. Gerade noch hat Jon Daenerys getötet, da wird schon mit sämtlichen Adlingen über seine Bestrafung verhandelt, während Jon im Kerker sitzt. Was dazwischen passiert ist, bleibt der Fantasie des Zuschauers überlassen.
Natürlich muss man nicht jede Kleinigkeit zeigen, aber es wirkt doch so, als hätte man aus zeitlichen Gründen kürzen müssen. Immerhin hat man es geschafft, auch Bronn noch in die Story zu quetschen, wenn auch nur für einen Bordell-Gag.
Nerven werden sich die Fans, die sich nicht mit der Auflösung der wichtigsten Handlungsbögen zufrieden geben. Dafür hat die letze Folge zu viele Dinge offen gelassen. Vor allem, dass Arya die Prophezeiung nicht erfüllt hat, wird wohl viele stören.
Doch mal ehrlich: Es wäre ziemlich lächerlich gewesen, wenn Arya auch noch Dany getötet hätte. Trotzdem muss man sich die Frage stellen, wozu Arya nach der Schlacht von Winterfell eigentlich noch gut war?
Schlussendlich stellt sich die Frage, ob das Ende von «Game of Thrones» nicht schon von vornherein zum Scheitern verurteilt war. Noch niemals zuvor war eine Serie in der breiten Masse so populär, dass sich gefühlt vom Neugeborenen bis zum Urgrossvater alle mit dem Stoff auseinandergesetzt haben.
Wie soll man eine so breite Zuschauerschaft mit so vielen verschiedenen Erwartungen zufriedenstellen? Vielleicht, indem man auf Nummer sicher geht und das macht, was in Hollywood schon seit Jahrzehnten funktioniert: ein Happy End. Ob einem das gefällt oder nicht, muss nun jeder und jede für sich entscheiden.
Tyrion : gives 5 minutes speech where he decides the fate of westeros.
Grey worm : ???
Danys Wahnsinn war schon ziemlich früh absehbar und die bemängelte Charakterentwicklung hat eigentlich gar nie stattgefunden. Dany tat alles nur um den Thron zu besteigen, ALLES. Wenn dann war es sehr clever von den Produzenten, immerhin sind viele auf Danys vordergründig guten Absichten hereingefallen. Just sayin'