Spätestens seit ihrem Video-Hit, in dem sie uns Corona erklärte, bevor wir wussten, was eine Pandemie ist, kennen sie fast alle: Mai Thi Nguyen-Kim – besser bekannt unter dem Namen ihres YouTube-Kanals «MaiLab».
Und die promovierte Chemikerin kann weit mehr, als Wissenschaft auf den Punkt bringen. Sie kann nämlich auch Eistee machen. Und zwar mit Globuli.
Dieser Globuli-Eistee ist eine Kritik an der Homöopathie und den deutschen Gesetzen, die Mai Thi Nguyen-Kim mit ihrem Erfrischungsgetränk ad absurdum führt.
Aber von vorne:
Dass Mai Thi Nguyen-Kim nichts von Homöopathie hält, ist den teeschlürfenden «Freunden der Sonne» (so nennt sie ihre YouTube-Abonnenten) längst bekannt: Bereits 2017 prüfte sie die alternative Medizin-Methode wissenschaftlich, damals in der ZDF-Show «Terra». Ihr Resümee:
Zwei Jahre später regte sie sich bei «MaiLab» über das deutsche Homöopathie-Gesetz auf und schimpfte es «Deutschlands schlechtestes Gesetz». Und vergangenen Sonntag gab sie den homöopathischen Zuckerkügelchen bei ihrer ZDF-Abendshow «Maithink X» den wissenschaftlichen Todesstoss. Und das eben mit Eistee.
Homöopathie beruft sich auf das sogenannte «Ähnlichkeitsprinzip» des deutschen Arztes Christian Hahnemann (1755–1843). Das Ähnlichkeitsprinzip vereinfacht erklärt: Bauchschmerzen werden in der homöopathischen Lehre mit einem Wirkstoff bekämpft, der bei einer gesunden Person Bauchschmerzen auslösen würde.
Allerdings wird der Wirkstoff zuerst verarbeitet beziehungsweise «potenziert», wie es in der Homöopathie heisst, bevor er der Person mit Bauchschmerzen verabreicht wird. Dazu wird der Wirkstoff immer wieder verdünnt und in Wasser systematisch geschüttelt. Nach der homöopathischen Lehre «erinnert» sich das Wasser durch das systematische Schütteln an den Wirkstoff. Dadurch wird die Wirkkraft des Wassers bei jedem Schüttelvorgang effizienter – obwohl immer weniger der chemischen Struktur des ursprünglichen Wirkstoffs im Wasser nachweisbar ist.
Dieses verdünnte – aber durch das Schütteln mit Erinnerungen angereicherte – Wasser wird dann auf eine Trägersubstanz aufgetragen. In vielen Fällen sind das Zuckerkügelchen – oder eben Globuli.
Homöopathen und ihre Patienten schwören auf dieses Verfahren. Wissenschaftlerinnen hingegen ist es bislang nicht gelungen, die Wirkweise von homöopathischen Arzneimitteln über den Placebo-Effekt hinaus zu erklären. Und trotzdem:
So unerschütterlich sogar, dass homöopathische Mittel in Deutschland nur in Apotheken verkauft werden dürfen – denn sie gelten als Arzneimittel. So ist das im deutschen Arzneimittelgesetz geregelt.
Die ewige Homöopathie-Kritikerin Mai Thi Nguyen-Kim hat in ihrer Sonntagabendshow auf ZDF beschlossen, ihrem (wahrscheinlich sowieso schon homöopathiekritischen) Publikum auf humorvolle Art und Weise zu beweisen, dass Homöopathie «eben nicht wirkt». Dazu geht sie zwei Fragen auf den Grund – und will so nebenbei herausfinden, ob es mit dem deutschen Recht vereinbar ist, ein Erfrischungsgetränk mit Zuckerperlen aus der Apotheke zu süssen.
Die Antwort auf die erste Frage ist eindeutig: nichts. Das Wasser, das bei der Herstellung von homöopathischen Arzneimitteln verwendet wird, geht ohne eine behördliche Regelung in den Abfluss. Denn nach gängigen Laborregeln kann man «ab einer gewissen Potenz alles in den Abfluss kippen», wie Mai Thi Nguyen-Kims Team erklärt. Und das, obwohl das Abwasser der Homöopathen nach deren Lehre mit einem Wirkstoff-Gedächtnis angereichert ist. Mai Thi Nguyen-Kim meint dazu ironisch:
Doch, genau das wird in Deutschland gemacht. Ob diese Gesetzeslücke alle gefährdet, die richtig fest durchgeschütteltes – und somit mit richtig vielen Erinnerungen potenziertes – Wasser aus dem Wasserhahn trinken, bleibt offen. Nach Homöopathie müsste es – aber hat es bislang offenbar nicht.
Um diese zweite Frage zu ergründen, formulierte das Team von Mai Thi Nguyen-Kim zwei Szenarien. Nummer eins: Globuli Crocus C30 werden in der Apotheke gekauft. Damit wird der Eistee gesüsst. Szenario zwei: Zuckerkügelchen werden mit Wasser besprüht, das nach der homöopathischen Rezeptur von Crocus C30 hergestellt, aber nicht in einer Apotheke gekauft wurde, und damit wird der Eistee gesüsst.
Nach langem Hin und Her mit unterschiedlichen Behörden kann Mai Thi Nguyen-Kim festhalten: Wenn man die Globuli vorher in der Apotheke gekauft hat, dann gelten sie als Arzneimittel und man darf mit den Globuli kein Lebensmittel süssen. Das Landesamt für Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen schreibt dazu:
Hat man aber selber Wasser nach homöopathischen Richtlinien verdünnt und dann auf Zuckerkügelchen gespritzt, dann darf man ein Lebensmittel damit durchaus süssen:
Mai Thi Nguyen-Kim kann sich darauf nur noch die Haare raufen und sagen:
Das Ding mit der Homöopathie ist also verzwickt. Doch rein rechtlich scheint dem mit Globuli gesüssten Eistee auch nichts im Weg zu stehen – sofern man die Globuli vorher nicht in einer Apotheke gekauft hat. Und so produziert Mai Thi Nguyen-Kim fortan den mit Globuli gesüssten Eistee «Homöopatea» und fordert Behörden und Homöopathen auf:
MAITHINK X ist ein Spaß für die ganzheitliche Familie – und Eistee-Fans! Wir bereiten uns auf die Sendung vor und ihr solltet das auch tun! Stellt die Getränke kalt, ab 18 Uhr geht's los in der @zdf Mediathek und um 22:15 Uhr in @zdfneo. #maithinkX #homöopatea pic.twitter.com/YLtW4tLf5H
— MAITHINK X (@maithinkx) September 18, 2022
(yam)
Der Hinweis, dass Homöopathie auch in der Schweiz von der Grundversicherung übernommen wird, fehlt mMn noch im Artikel.